20000 Meilen unter den Meeren (Autor: Jules Verne)
 
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20000 Meilen unter den Meeren von Jules Verne

Rezension von Ralf Steinberg

Rezension

Die Geschichte um die Nautilus und ihrem geheimnisvollen Kapitän Nemo ist ein fester Bestandteil unserer abendländischen Kultur geworden. Trotz des kleinen Clownsfisches ist wohl den meisten der Name Nemo mit Jules Vernes großem Unterwasserabenteuer verbunden.

Dank diverser Verfilmungen sind Grundzüge der Geschichte einem breiten Publikum geläufig doch wohl immer kleiner wird der Kreis jener, die den kompletten Roman gelesen haben.

Volker Dehs gibt nun in der wunderbaren Jules Verne Reihe von Artemis & Winkler seine kommentierte Neuübersetzung in geneigte Leserhände und um das Fazit vorzuziehen: Diese Ausgabe ist nicht nur eine phantastische redaktionelle Leistung, sie ist in erster Linie ein wunderbarer literarischer Genuss!

 

Professor Aronnax entschließt sich im Jahr 1866, der Einladung des amerikanischen Marineministers zu folgen, an der Jagd auf einen gefährlichen Narwarl teilzunehmen, der auf den Meeren für Angst und Schrecken sorgt. So schifft er sich auf der Abraham Lincoln mit seinem getreuen Diener Conseil ein, bereit das Abenteuer im Dienste der Wissenschaft zu bestehen, da Aronnax so etwas wie ein Experte für Meeresfauna und -flora ist.

Zunächst wenig erfolgreich stoßen sie kurz vor Abbruch der Mission doch noch auf den Wal. Bei einem missglückten Manöver um den Wal zu erlegen, fällt der Professor von Bord, sein treuer Diener folgt ihm, auch der kanadische Harpunier Ned Land gerät so in Seenot, jedoch gelingt es den dreien Zuflucht auf dem Rücken des Monsters zu finden, der aus Stahl besteht und bei dem es sich um jenes berühmte U-Boot handelt - die Nautilus.

Die drei Gefährten werden gefangen genommen und erst nach einiger Wartezeit beschließt der Herr des Gefährts, Kapitän Nemo die drei am Leben zu lassen, wohl weil ihm der Professor als Wissenschaftler nicht unbekannt ist und er ihm mit gewissen Stolz als das zeigen will, dass die ihm verhasste Welt noch nie zu Gesicht bekam: Die Wunder der Unterwasserwelt.

Eine mehrmonatige Reise durch alle Weltmeere beginnt. So erlebt man eine unterseeische Jagd, ein Begräbnis, durchstreift die Ruinen von Atlantis, erobert den Südpol und wird Zeuge von Schiffsunglücken.

Doch die Reise entwickelt sich immer mehr zum konfliktbeladenen Drama. Auch wenn Professor Aronnax den Zugewinn an Wissen hoch einschätzt, so wird Kapitän Nemos Zivilisationshass immer mehr zu einer Hinterfragung der eigenen Ethik des Professors. Sein Wunsch Wissen zu sammeln um es weitergeben zu können, steht im Widerspruch zu Nemos Isolation und der unbefristeten Gefangenschaft. Hinzu kommt Ned Lands unbeugsamer Freiheitsdrang der immer deutlicher in Richtung offene Rebellion geht.

So strebt das Buch zwischen allen Abenteuern unter See auf eine finale Katastrophe hin.

 

Die Figur des Kapitän Nemo ist wie kaum eine andere von Verne erschaffene, durch ihre geheimnisvolle und oft bedrohliche Aura bis heute faszinierend. Zwar bietet Verne in seinem Spätwerk Die geheimnisvolle Insel eine Erklärung für Nemos Zorn und Rachegelüste, aber in »20000 Meilen unter den Meeren« bleibt der Kapitän ein unfassbares Wesen, dessen Geschichte nur Abbilder auf seinen Handlungen hinterlässt, aber selbst nicht sichtbar wird.

Neben all den erstaunlichen Fortschritten, die Nemo gelangen, stoßen seine Verbrechen immer wieder ab, wird er nicht zum Sympathieträger.

 

Jules Verne hatte von seinem Verleger Hetzel die Auflage für die Außergewöhnlichen Reisen erhalten, ihnen einen gewissen Bildungscharakter zu geben. Verne löst dies, indem er mit enzyklopädischer Akribie Aufzählungen von Meeresgetier, Forschungsreisen, Seeunglücken und dergleichen mehr einbaut, die in den meisten Übersetzungen und Ausgaben stark gekürzt wurden, da sie in erster Linie den Leser langweilen und zudem für jeden Übersetzer eine gigantische Hürde darstellen.

Zum Glück gibt es den Jules Verne Enthusiasten Volker Dehs., der jeder noch so kleinen biologischen Ungenauigkeit nachging, die verschiedenen Manuskripte verglich, in Vernes Quellen wühlte und Punkt für Punkt abklopfte, was Verne in ellenlange Absätze presste.

All dies ist in den Anmerkungen nachzulesen, die zu den vergnüglichsten ihrer Art gehören.

So werden Ungenauigkeiten von Verne anhand seiner Stichpunkte begründet, ihm immer wieder Abschreibefehler unter die Autorennase gerieben und damit das ganze nicht zu viel wurde, gibt es auch jede Menge Anmerkungen, in denen nicht Verne der Fehler in die Schuhe geschoben werden, sondern seiner Figur Aronnax, die als Professor manches hätte richtig wissen müssen.

Darüber hinaus erklärt Dehs jede Menge Begriffe, darunter auch einige, die bekannt sein möchten, aber wer weiß schon, wie weit die Algemeinbildung schon gesunken ist in unserer bildungspolitischen Katastrophenzeit.

Aber Dehl gönnt dem Leser zusätzlich eine ausführliche Zeittafel, die nicht nur die U-Bootgeschichte vor Verne beleuchtet, sondern auch jede Begebenheit erläutert, die im Werkkontext wichtig ist.

Den Abschluss bildet eine kurze Betrachtung zum Titel, der zwar die eigentlich unkorrekten, aber traditionell belegten Meilen enthält, sich jedoch für den Plural von Meer entschied, wie es Verne selbst auch vorsah. In deutschen Ausgaben herrscht aber der Singular vor.

 

Nicht unerwähnt bleiben darf die Verwendung der Innenillustrationen der französischen Originalausgabe, die dem Buch einen weiteren, diesmal optischen, Pluspunkt gewähren und nicht nur ein schönes Zeitzeugnis darstellen, sondern auch zur Atmosphäre beitragen.

Und wenn man unbedingt einen Kritikpunkt an dieser prächtigen Ausgabe finden möchte, dann könnte man wie auch bei den anderen Bänden der Reihe anmerken, dass ein Lesebändchen wohl dazugehören sollte.

Fazit

Volker Dehls kommentierte Ausgabe von Vernes berühmten Buch ist nicht nur rundum gelungen und glänzend editiert, sie ist quasi die Nautilus unter all den Flößen, die unsere Büchermeere durcheilen.

Für mich eines der besten Bücher des Jahres 2007.

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Buch:

20000 Meilen unter den Meeren

Autor: Jules Verne

Original: Vingt mille lieues sous les mers, 1869/71

Übersetzer: Volker Dehs

Herausgeber: Volker Dehs

Artemis & Winkler, 2007

Gebundene Ausgabe, 760 Seiten

 

ISBN-10: 3538063087

ISBN-13: 978-3538063082

 

Erhältlich bei: Amazon

 


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Erstellt: 02.02.2008, zuletzt aktualisiert: 24.11.2023 15:44, 5751