Bis in den Himmel (von Jiro Taniguchi)
 
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Bis in den Himmel von Jiro Taniguchi

Reihe: Shodoku

Rezension von Christian Endres

 

Wenn man sich eine grobe Story-Zusammenfassung von »Bis in den Himmel« durchliest, könnte man das durchaus in den falschen Hals kriegen und meinen, irgendein John Woo-Klon hätte einen Face/Off-Abklatsch um einen unruhigen Rachegeist inszeniert, der nach einem tödlichen Verkehrsunfall die Lebenden weiter heimsucht. Das würde ja irgendwo auch ganz gut zum Klischeebild des Manga und der cineastischen Tradition japanischer Horrorfilme mit schmalen Budget und B-Movie-Flair passen. Zum Glück hat sich aber Jiro Taniguchi der Geschichte der zwei überlebenden Unfallseelen in nur einem Körper angenommen. Und dieser ist immerhin der westlichste und vor allem nachdenklichste unter den fernöstlichen Comic-Stars – selbst dann, wenn er einen äußerst kritischen Blick auf den japanischen Alltag in seiner Heimat wirft...

 

Trotzdem beginnt »Bis in den Himmel« (übrigens der erste Taniguchi bei Schreiber & Leser, der wie die Carlsen-Bände gespiegelt wurde) mit ungewohnt viel Hektik für Taniguchis Verhältnisse: ein röhrendes Motorcross-Bike, quietschende Reifen, splitterndes Glas, kreischendes Blech und alles in allem ein Verkehrsunfall, bei dem der Leser ordentlich zusammen zuckt. Nach diesem Opener findet Taniguchi aber schnell in sein übliches Fahrwasser zurück und streift diesmal sogar wieder ein bisschen die Science Fiction, wenn er ein Unfallopfer aus dem Koma erwachen und erkennen lässt, dass da irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht und der verstorbene 42-jährige Kazuhiro Kubota im Körper des 17-jährigen Motorrad-Freaks Takuya Onodera festsitzt.

 

Wer jetzt aber einen Kampf á la Bruce Banner/Hulk oder Jeckyll/Hyde erwartet, der wird ›enttäuscht‹. Bis auf einige Reibereien gehen die beiden Seelen in Takuyas Körper bald schon recht verständnisvoll miteinander um – mit etwas, das man durchaus als japanische Höflichkeit bezeichnen könnte. Und so verhelfen sie einander dann auch sowohl zu einer Chance, Lebewohl zu sagen, wie auch zu einer neuen Sicht auf die Bedeutung von Familie und heimischem Glück...

 

Die jugendliche mit einer erwachsenen Perspektive (und einem entsprechenden Erfahrungsschatz) zu konfrontieren, hat Taniguchi schon in »Vertraute Fremde« als Grundlage für eine gute, emotionale Geschichte gedient – aber auch für eine nachdenkliche Betrachtung des japanischen Alltags. Der wird auch in »Bis in den Himmel« wieder thematisiert, und diesmal ist die Kritik an der harten Arbeitswelt im Nippon auch lauter und deutlicher.

 

Obwohl Meister-Erzähler Taniguchi ausnahmsweise nicht jede Szene und auch nicht jeder Dialog gelingt, überzeugt die gefühlvolle Geschichte der beiden so grundverschiedenen Ichs, die ab einem gewissen Punkt jeder ihre Reise für sich fortsetzen müssen, am Ende trotzdem.

 

Bis in den Himmel - und auch auf Erden.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024032908530280ef21fc
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Comic:

Bis in den Himmel

Reihe: Shodoku

von Jiro Taniguchi

Paperback m. Klappenbroschur, 302 Seiten

Schreiber&Leser, April 2009

ISBN: 3941239104

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 29.03.2009, zuletzt aktualisiert: 24.03.2024 18:50, 8487