Der Jäger der Finsternis (Autor: H. P. Lovecraft)
 
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Jäger der Finsternis von H. P. Lovecraft

Hörbuch gelesen von David Nathan

Reihe: H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens Teil 6

Rezension von Chris Schlicht

 

Endlich wieder ein neues Hörerlebnis aus dem Hause LPL-Records. Gänsehaut für die Ohren versprechen die Macher und die gibt es wirklich satt. Hervorragende Synchronsprecher setzen den hintergründigen Grusel H. P. Lovecrafts mit subtilem Schrecken um. Endlich wird der Sprecher auch während der Lesung dezent unterstützt von den klangvollen, düsteren Melodien Andy Materns, die in genau den richtigen Momenten das Grauen noch ein wenig heftiger werden lässt, ohne das man es so richtig wahrnimmt. Genau so, wie gute Filmmusik es tun sollte. Die Wartezeit war lang, doch sie hat sich gelohnt. Auch die Auswahl der Geschichten verspricht echten Lovecraft-Genuss. Es sind ein paar echte „Klassiker“ dabei, aber auch weniger Bekannte.

 

Die Musik des Erich Zann (The national Amateur Magazin, 1922)

 

Ein Student erzählt von der unheimlichen Begegnung mit dem stummen Musiker Erich Zann, der in der Mansarde über ihm in einem heruntergekommenen Haus in einer Straße wohnte, die er nicht mehr wieder finden kann. Weder auf den Stadtplänen, noch bei langen Wanderungen durch die Stadt. Und keiner scheint die Straße zu kennen, in der er doch eine Weile wohnte.

Jeden Abend, wenn der Musiker von seiner Arbeit in einem kleinen Theater zurückkehrt, spielt er in seinem Zimmer seltsam beklemmende Stücke. Der Student drängt ihm seine Freundschaft auf und möchte diese Stücke noch einmal hören, doch Zann weigert sich und reagiert sogar sehr verängstigt auf dieses Ansinnen. Auch lässt er niemanden aus dem Fenster seiner Mansarde blicken, welches als Einziges die angrenzende hohe Mauer überblickt.

Eines Nachts scheint Zann regelrecht um sein Leben zu spielen und versucht, dem Studenten aufzuschreiben, in welcher Gefahr er sich befindet. Ein irrer Wind fegt durch das Zimmer und als der Student, um Zann zu beruhigen und vor dem Sturm zu retten, das Fenster schließen will, sieht er dort nicht die nächtliche Stadt, sondern wirft einen Blick in eine andere Dimension aus der irre Musik erklingt. Er flieht aus dem Haus und als er zurückkehren will, sind das Haus und die Straße verschwunden.

 

Die Gruft (Tryout Magazin, 1920)

 

Mal eine Geschichte, die absolut nichts mit dem Cthulhu-Mythos zu tun hat, sondern als Gruselerzählung für sich stehen kann. Und wie! Damit ist sie uneingeschränkt empfehlenswert für alle Nicht-Rollenspieler, die sachten Schauer à la Poe bevorzugen.

 

Ein Arzt berichtet über einen seltsamen Patienten, den er von seinem Vorgänger übernommen hat und von dem er kurz vor dessen Tod die grauenvolle Geschichte erfährt, wie er zu den Verletzungen an seinen Beinen gekommen ist.

Der ehemalige Bestatter nahm es mit seiner Arbeit alles andere als genau, war kaum in der Lage einen anständigen Sarg zurecht zu zimmern und des Öfteren so besoffen, dass er schon mal die Särge in die falschen Gräber packte.

Eines Nachts wurde er in der Leichenhalle eingeschlossen und wollte versuchen, durch das einzige Fenster zu entkommen. Dazu schichtete er die ganzen Särge, die nicht besonders stabil gebaut waren, aufeinander und wollte das schmale Fenster aufmeißeln, um hindurchzuklettern. Die Särge unter ihm brachen zusammen und er spürte irre Schmerzen an seinen Beinen. Nur mit Mühe und Not konnte sich der pietätlose Bestatter durch das Fenster retten und zum Friedhofswärter kriechen.

Der dazu geholte Arzt wurde angesichts der Wunden misstrauisch und ging in die Leichenhalle. Dort machte er eine grausige Entdeckung, welche die Wunden an den beinen des Bestatters erklärten, die nicht von splitterndem Holz oder Nägeln herrührten.

 

Das Bild im Haus (The National Amateur Magazin, 1919)

 

Auch diese Geschichte hat nichts mit dem Cthulhu-Mythos zu tun und ist hauptsächlich durch einen unterschwelligen Verdacht wirklich grässlich. „Das Bild im Haus“ wurde zuvor schon in der zweiten Veröffentlichung der „Ruf des Dämon“-Reihe aus dem Eichborn-Verlag von Torsten Sense gelesen. Welche Art der Lesung jedoch stimmiger ist, sollte dem Hörer überlassen bleiben. Im Falle der Eichborn-Publikationen ist die vollständige musikalische Untermalung mit Dark Jazz durch das „Orchester der Schatten“ etwas, dass sehr stark polarisiert in diejenigen, welche die Musik phantastisch finden und solche Hörer, für die weniger mehr wäre.

Ein mit dem Fahrrad reisender Student wird von einem Unwetter überrascht und sucht Schutz in einem scheinbar unbewohnten alten Haus. Doch dort lebt ein seltsamer Kauz, der im Besitz eines unheimlichen Buches ist. Der alte Mann ist hocherfreut, den jungen Mann zu sehen und sich unterhalten sich über ein bestimmtes Bild in dem Buch. Die Darstellung eines Metzgerladens von afrikanischen Kannibalen und dem jungen Mann kriecht bei der Faszination, welche der alte Mann bei der Betrachtung des Bildes empfindet, mehr als nur ein kalter Schauer den Rücken herunter. Da tropft plötzlich etwas von der Decke…

 

Der Tempel (Weird Tales 1925)

 

Der direkte Bezug zum Cthulhu-Mythos fehlt auch hier, eher ist es eine der Millionen Geschichten über Atlantis, aber mit einer Menge unterschwelligem Schrecken.

Hier kommt auch Lovecrafts starker Rassismus zur Geltung, denn er stellt die Deutschen wirklich als entsetzliches Pack dar. Grausam, Linientreu und mit Scheuklappen behaftet. Rassismus war zu Lovecrafts Zeiten weit verbreitet und er übernahm diese Ansichten sehr extrem. Alle Ausländer waren ihm verhasst, nicht nur Farbige, bei denen er für strikte Rassentrennung plädierte.

Die Geschichte ist der Bericht eines deutschen U-Boot-Kapitäns, welcher das Ende seines Bootes niederschrieb und in einer Flaschenpost dem Meer überließ, das sie an der Küste von Yucatan angeschwemmte.

Nach der Versenkung eines Frachtschiffes im ersten Weltkrieg, bei der auch die gesamte Mannschaft, welche sich in die Rettungsboote flüchtete, umgebracht wurde, fand man nach dem Auftauchen einen Mann auf Deck, scheinbar tot. In dessen Besitz fanden die Offiziere ein Medaillon von unbekannter Machart. Nachdem der Körper des Toten dem Meer überlassen wurde, macht einer der Matrosen eine seltsame Entdeckung: Kaum war der Körper etwas tiefer gesunken, schwamm er davon. Ein schreckliches Omen und von da an geht alles schief an Bord. Die Mannschaft erkrankt zum großen Teil, eine Explosion zerstört den Motor, Delfine begleiten das Boot. Manche beginnen zu meutern und glauben, das Medaillon brächte Unglück. Die Mannschaft wird erschossen, nur der Kapitän und ein Offizier verbleiben. Das Boot sinkt und bleibt in einer versunkenen Stadt liegen. Ein Ruf zieht die beiden Männer unwiderstehlich aus dem Wrack...

 

Jäger der Finsternis (Weird Tales, 1936)

 

Berichtet wird über das grausame und unerklärliche Ende eines Künstlers und Schriftstellers nach einer Unwetternacht. In seinen Tagebüchern finden sich Berichte über unheimliche Ereignisse, die zur Erklärung dienen könnten, aber zu entsetzlich sind, als dass man sie an die Öffentlichkeit geben könnte.

Der Künstler bezog ein Haus mit einem grandiosen Ausblick auf den Federal Hill, wo ihn besonders eine große schwarze Kirche faszinierte, die sogar von den allgegenwärtigen Tauben peinlichst gemieden wird. Eines Tages beschließt er, diese Kirche zu besichtigen, doch es fällt schon schwer, das Bauwerk ausfindig zu machen, denn alle, die er fragt, scheinen eine irre Angst vor der verlassenen Kirche zu haben. Von einem irischen Polizisten erfährt er, dass in dieser Kirche einst ein Sekte hauste, welche mit ihren Beschwörungen etwas Entsetzliches in die Welt geholt hätten, was nur durch die besten Exorzisten und das Licht gebannt werden konnte. Schließlich findet der Schriftsteller das Gebäude und verschafft sich Zutritt dazu. In einem Raum entdeckt er eine Bibliothek voll mit den entsetzlichsten Büchern und steigt dann in den Kirchturm empor, wo er eine Kiste und das Skelett eines Journalisten findet. Als er die Kiste öffnet, entdeckt er ein seltsames Objekt und entlässt damit das Grauen wieder aus seiner Gefangenschaft.

Heimgesucht von entsetzlichen Alpträumen wird das Leben fürderhin ein einziger Alptraum für den Künstler, der nichts mehr fürchten lernt, als absolute Dunkelheit. Da kommt ein Unwetter und ein Blitz schlägt in die Stromversorgung der Stadt ein, das Licht erlöscht…

 

Träume im Hexenhaus (Weird Tales, 1933)

 

Wieder trifft es einen armen Studenten, der sich nur ein Zimmer in einem entsetzlichen, fluchbelasteten Haus leisten kann – oder vielleicht sind es auch die alten Geschichten, die ihn dazu reizen, dort einzuziehen und vor allem, in dem Zimmer zu wohnen, in dem eine alte Hexe gehaust haben sollte. Diese alte Frau sollte einst mit Hilfe von Mathematik einen Weg in andere Dimensionen gefunden haben, wozu ihr auch die seltsamen Winkel und Ecken in der Dachkammer gedient haben sollen.

Der Student versucht, ihre Berechnungen nachzuvollziehen und gerät immer tiefer in einen Strudel seltsamer Alpträume. Es scheint, dass er damit beginnt, im Schlafe herum zu wandeln, doch hinterlässt er dabei keine Spuren. Er verlässt den Raum nicht, denn keiner hört etwas und ausgelegtes Mehl zeigt keine Schritte an. Dennoch erlebt er unglaubliche Dinge in seinen Träumen hat danach beschmutzte Nachtkleider an oder ein Andenken von den entsetzlichen Orten seiner Träume mitgebracht.

Immer wieder wird er von der alten Hexe in eine andere Dimension gezerrt und wird Zeuge und Sklave bei dämonischen Riten. Die Hexe handelt im Auftrag eines schwarzen Mannes, der allerdings keine negroiden Züge besitzt. Die beiden rauben ein Kind, um es in der Walpurgisnacht zu opfern. Auch der Student wird trotz Übernachtung in einem anderen Raum in dieses Ritual mit einbezogen, kann aber im letzten Augenblick die Opferung des Kindes durch die Hexe verhindern. Ein Kampf entbrennt, bei dem er die Hexe erwürgt. Jedoch hat der Helfer der Hexe, ein rattengroßes Geschöpf mit menschlichem Gesicht und menschlichen Händen, mit seinen scharfen Klauen das Handgelenk des Kindes aufgerissen und es ausbluten lassen. Der Student verfällt fast dem Wahnsinn, kann aber in seine Welt zurückkehren.

Doch in Sicherheit ist er nicht...

 

Die Stories in „Jäger der Finsternis“ werden fast ausschließlich (außer „Das Bild im Haus“) nicht von den Betroffenen selbst erzählt, da diese an/bei ihrem Erlebnis verstarben, sondern von Unbeteiligten, welche aus den Schriften oder Erzählungen der Verstorbenen die Ereignisse rekonstruieren. Die bisher als Hörbücher veröffentlichten Geschichten wurden immer aus Sicht der betroffenen, direkt in das Geschehen involvierten Personen erzählt. Lovecraft erzählte gerne in der Ich-Form und ließ andere Charaktere auch nur durch die Erzählung des Protagonisten vorkommen, wie zum Beispiel der große Monolog des Zadok Allen in „Schatten über Innsmouth“ oder die Briefe Akeleys in „Schatten aus der Zeit“. Das macht die Umsetzung in ein Hörbuch relativ einfach, denn nichts eignet sich besser für eine Lesung als eine Geschichte ohne jeglichen Dialog. Man kommt nicht durcheinander, wer gerade spricht, wenn nur eine Person liest.

 

Ganz neu ist in diesem Hörbuch, dass die düstere, stimmungsvolle Musik Andy Materns hier nicht nur als Intro und Abspann, sowie zur akustischen Trennung der einzelnen Geschichten und / oder Kapitel eingesetzt wird, sondern auch als vorantreibende Untermalung an bestimmten Stellen. Und diese Musik wirkt! Sie wird nie dominant, manchmal nimmt man sie nicht einmal richtig war, doch steigern die zumeist leise dahin schleichenden und immer intensiver werdenden Töne die Spannung der Erzählung, ohne davon abzulenken. Das kann man mit einem klaren Doppelplusgut bewerten! Mehr davon, Herr Matern, diese Musik kann man auch wunderbar als Filmmusik oder als Kulisse für die Rollenspielrunde verwenden. Sie lässt einem die Haare zu Berge stehen, ohne allzu sehr vom Geschehen abzulenken. Sie ist auch nicht so sehr an den Musikgeschmack des Hörers gebunden, sonder einfach ein guter Soundtrack.

Zum Glück hat man sich bei LPL endlich auf ein einheitliches Erscheinungsbild bei den letzten drei Publikationen einigen könnte. Es macht im Regal kein besonders gutes Bild, wenn man mal einen Schuber mit zwei Jewelcases, mal ein doppelt starkes Jewelcase und dann wieder ein Digipack nebeneinander stellt. Das ist für den Sammler ein kleiner Wermutstropfen, denn die ersten Hörbücher stören ein wenig die Optik. Das neue, einheitliche Aussehen ist ein guter Anfang für den weiteren Sammlergenuss.

Das seit Schatten aus der Zeit auch mit einem Titelbild gearbeitet wird, ist Geschmackssache. Die ersten Hörbücher sind ganz schlicht in schwarz. Mit einer aufwendigen Titelzeile, die gleich ins Auge springt, ohne aufdringlich zu sein. Das reichte eigentlich vollkommen, denn es kommt schließlich auf den Inhalt an.

 

Fazit:

Schade, dass es immer nur eine neue Publikation aus dieser Reihe im Jahr gibt. Lovecraft hat so viel mehr geschrieben und viele gute Nachahmer gefunden. Und er hat als Ghostwriter vielen anderen, auch sehr schlechten Autoren, zu Ruhm verholfen, ohne dass er sich damit je gebrüstet hätte. Es gibt also noch viel auf Hörbüchern zu erzählen. Ich wünsche mir eine LPL-Ausgabe von Mountains of Madness – das wird vermutlich nur eine Hoffnung bleiben. Die Umsetzung von Lauschrausch ist aber auch nicht zu verachten... wenn da bloß nicht dieser österreichische Dialekt wäre...

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202403290251081cff058d
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Hörbuch:

Jäger der Finsternis

Autor: H. P. Lovecraft

Gelesen von David Nathan

Reihe: H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens Teil 6

LPL-Records, Februar 2007

4 CDs im Digipack

Dauer: 310 Minuten

 

ISBN-10: 3785732961

ISBN-13: 978-3785732960

 

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 18.10.2011, zuletzt aktualisiert: 28.12.2023 19:05, 12146