Der Nomadengott von Gerd Scherm
Rezension von Marianne Labisch
Rezension:
Die Einführung, in der Gerd Scherm uns das Wesen der Götter erklärt, macht Lust auf das Buch. Dort erfahren wir zum Beispiel, dass wir uns den einen wahren Gott ausgedacht haben, weil es mit mehreren Göttern einfach zu viele Probleme gab, bei denen der Mensch stets das Nachsehen hatte.
Seshmosis, ein Schreiber, sieht sich in einer ungewohnten Rolle. Er muss die Führung seines Volkes übernehmen. Gewöhnungsbedürftig für ihn, der im normalen, bisherigen Leben damit zufrieden war, im Hintergrund zu agieren und über die Ereignisse Schrift zu führen. Sein Volk, die ›Hyksos‹, was so viel wie ›Fremde‹ heißt, sind in ihrer Wahlheimat Ägypten nicht mehr gut gelitten. Man macht sie für alles Schlechte verantwortlich. Zuerst beschließen sie, sich in ›Tajarim‹, was getrost mit ›Touristen‹ übersetzt werden kann, umzubenennen. Um der Vertreibung oder gar Ermordung vorzubeugen, verlassen sie Ägypten. GON, ein ›Gott ohne Namen‹, der zwar einen Namen hat, ihn aber nicht verrät, gesellt sich zu ihnen, um ihnen auf dieser langen und beschwerlichen Reise beizustehen.
Andere Götter mischen sich unter sie, geben sich allerdings nicht zu erkennen.
Zahlreiche Abenteuer gilt es zu bestehen. Müssen die Tajarim erst noch herausfinden, wo sie ursprünglich herkamen. Außerdem dürfen sie nicht automatisch davon ausgehen, in der alten Heimat willkommen zu sein.
Nach und nach erfahren sie ihre Geschichte und Herkunft, machen Bekanntschaften und schließen Freundschaften.
Gerd Scherm schafft es, den Leser in das Geschehen zu ziehen und unterhält ihn bis zum Schluss gut. Wenn er die halbe Anzahl an Protagonisten verwandt hätte, wären es immer noch viele gewesen. Allerdings waren so skurrile Figuren darunter, wie El' Vis, der Sänger aus Memphis (In Ägypten) und der Seher Nostr' tut-Amus, die ich nicht hätte missen mögen.
Wenn es um Aufstand und Revolte geht, lässt der Autor seine Helden vermuten, es könne eine neue Rechtschreibreform geben. Er setzt Gottesfurcht mit Panik gleich und seine Helden sind schön und stark, aber beschränkt. Die Viehhändler haben eine verdächtige Ähnlichkeit mit Gebrauchtwagenhändlern.
Kurz, er streut Humorperlen ein, die den Leser schmunzeln lassen. Allerdings zum Ende hin nicht mehr so viele, wie zu Beginn.
Mir hat das Buch bis zum Schluss viel Spaß gemacht. Man merkt Gerd Scherm die Freude an der Sprache an.
Was mir besonders gefiel, ist der Bezug zu aktuellen Ereignissen.
(Obwohl der Roman ursprünglich 2003 veröffentlicht wurde.)
Immer noch, oder gerade heute, werden fremde Menschen oft unter Generalverdacht gestellt und der Autor zeigt, wie schwer es für entwurzelte Personen ist, irgendwo heimisch zu werden.
Über das Verhältnis der Götter untereinander und der Beziehung zwischen Menschen und Gottheiten mag sich der Leser nach der Lektüre gerne ein Bild machen, ich für meinen Teil würde das Fazit ziehen: Sind halt auch nur Menschen, diese Götter. ;-)
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