Die Bärenkralle (Autor Torkil Damhaug)
 
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Die Bärenkralle von Torkil Damhaug

Hörbuch

 

Rezension von Tanja Thome

 

Rezension:

Torkil Damhaug ist deutschsprachigen Lesern ein unbekannter Name. Schaut man sich genauer an, wer Autor des im August 2009 bei Droemer/Knaur als Buch und gleich im September 2009 bei Argon als Hörbuch erschienenen Titels ist, findet man schnell heraus, dass es sich – einmal mehr – um einen skandinavischen Krimi- beziehungsweise Thrillerautoren handelt. Dass der Name einem nicht bekannt ist, ist auch keine Bildungslücke, denn in gewisser Weise ist Torkil Damhaug ein „neuer“ Autor. In seiner Heimat hat er bislang drei Romane veröffentlicht, erst Die Bärenkralle schaffte dann aber den Weg auf internationales Terrain.

 

Bei dem Hörbuch handelt es sich um eine autorisierte Lesefassung, also eine gekürzte Version, auf sechs CDs mit insgesamt 423 Minuten Laufzeit. Gesprochen wird die Geschichte von Detlef Bierstedt, hinreichend als Synchronstimme von George Clooney, Jonathan Frakes und einigen anderen Schauspielern bekannt, schon seit Jahren heimst Bierstedt jedoch auch Ruhm als Sprecher im Hörbuchbereich ein. Schon lange vor dem Boom war er einige Male im TV zu sehen, wenn es darum ging zu zeigen, wer eigentlich hinter der charismatischen Stimme steckt, und neben Hörbüchern spricht er auch in Hörspielrollen, wobei vor allem seine Rolle in Offenbarung 23 zu erwähnen wäre.

 

Doch zurück zu „Die Bärenkralle“:

 

In Oslo werden innerhalb kurzer Zeit mehrere Frauen auf bestialische Art ermordet. Bestialisch ist hierbei durchaus wörtlich zu nehmen, denn zunächst glaubt man an einen Bären als Mörder. Spuren von Bären insbesondere ihrer Krallen sind nämlich an allen Opfern zu finden. Doch ein Bär mitten in Oslo? Kommissar Viken ist skeptisch – zu Recht, wie sich herausstellen soll. Der recht beliebte Osloer Arzt Axel Glenne, ein unauffälliger Familienvater, kannte alle Opfer und sah sie alle kurz vor ihrem Tod. Für Viken steht fest, dass Glenne der Mörder ist. Er muss es nur noch beweisen …

 

Auch wenn es so klingt, als handle es sich um einen typischen Ermittlungsfall, stehen weder diese Arbeit noch Kommissar Viken tatsächlich im Mittelpunkt der Geschichte. Schauplätze und Perspektiven wechseln, anfangs sogar recht häufig, doch am ehesten wird die Geschichte aus Axel Glennes Sicht erzählt, was „Die Bärenkralle“ entsprechend eher in den Thrillerbereich verschiebt als in das klassische Krimigenre.

 

Die gravierendsten Nachteile offenbart das Hörbuch unglücklicherweise in der ersten Hälfte, also etwa auf den ersten drei CDs, besonders deutlich. Gerade anfangs wechseln Schauplätze und Perspektive, wie bereits erwähnt, häufig, was es einigermaßen schwer für den Hörer macht, in die Geschichte einzutauchen. Erleichtert wird dies jedoch durch den völlig offensichtlichen und durchschaubaren Plot, der in dieser ersten Hälfte präsentiert wird. Ohne allzu viel zu verraten und den Spaß am Tüfteln zu verderben: Man ist enttäuscht, sich drei CDs lang anzuhören, dass es ganz offensichtlich Axels verschollener, natürlich eineiiger Zwilling Brede ist, der die Morde verübt hat, um sich an seinem Bruder zu rächen. Wofür genau, das wird im Dunkeln gelassen. Aber es folgen noch drei CDs … ganze drei CDs nur, um dieses Detail zu klären? Nein, natürlich nicht. Die Story nimmt eine Wendung, durch die man sich kurzzeitig eher in einem Thriller von Sebastian Fitzek zu befinden glaubt, durch die bisherige Annahmen angezweifelt und über Bord geworfen werden. Etwa eine CD lang hat man dann Zeit, sich an die neue Situation und die eigene Verwirrung über das Geschehen zu gewöhnen, bis die schließlich letzte CD einen Showdown bietet, der sich gewaschen hat. Was bis dahin eher plätschernd verlief, nimmt nun eine Wendung um hundertachtzig Grad. Plötzlich folgt eine neue Erkenntnis der nächsten, eine Überraschung jagt die andere, bis das Ganze auch schon wieder vorbei ist.

 

Zugegeben, die Geschichte ist, hat man sie komplett gehört, nicht schlecht, aber als großen Wurf kann man sie nicht bezeichnen. Der Spannungsaufbau verläuft so schleppend, dass sicher zahlreiche Hörer wegen der vermeintlichen Durchschaubarkeit des Ganzen lang vor dem Anhören der ersten Hälfte das Handtuch werfen. Rückblickend betrachtet hat Damhaug das eine oder andere in dieser ersten Hälfte sehr geschickt verpackt, das ändert aber nichts daran, dass zu Gunsten des Überraschungseffekts und eines temporeichen Endes der Hörer selbst eher außen vor gelassen wurde. Krimi- und andere Tüftelfreunde dürften schon vor der letzten CD auf die richtige Fährte stoßen, aber dann folgt man eben den Erfahrungen, die man bereits mit dem Genre gemacht hat oder dem eigenen Bauchgefühl. Ernsthafte Kombinationsoptionen für den Hörer gibt es nämlich leider nicht.

 

Diese Mängel begründen aus meiner Sicht auch am ehesten den Einsatz Detlef Bierstedts als Sprecher der Geschichte. Die Stimme kennt und mag man im Allgemeinen, hat sich an ihr aber auch noch nicht so satt gehört wie an manch anderer. Durch seine stets treffende, manchmal durchaus emotionale, zumeist aber eher lakonische Sprechweise, die besonders gut zu einem skandinavischen Titel passt – auch wenn Damhaug diesbezüglich ziemlich aus der Reihe des Gewohnten tanzt -, hält Bierstedt den Hörer trotz der anfangs aufkommenden Langeweile bei der Stange. Eine eher unspektakuläre Geschichte also, die durch einen sehr guten Sprecher die Chance bekommt, komplett angehört zu werden, bevor sie in der Schublade landet.

 

Und doch ist nicht alles schlecht an „Die Bärenkralle“. Die Produktion des Hörbuchs selbst ist ohnehin hochwertig und die Tracklängen sind in Ordnung. Die Geschichte selbst ist ebenfalls keine schlechte, sie ist jedoch am ehesten als recht solide zu bezeichnen. Gelungen ist schlussendlich jedoch die von Damhaug vorgenommene Charakterisierung und Darstellung der einzelnen Figuren. Es tut beispielsweise einfach mal gut eine Geschichte zu hören, in der ein Ermittler nicht im Mittelpunkt steht und auch keine gesondert erwähnten Probleme mit Beziehungen oder diversen Süchten hat.

 

Fazit:

„Die Bärenkralle“ ist ein solider Thriller für zwischendurch, der vor allem durch Produktion und Sprecher punktet, weniger durch die Handlung an sich. Die Charakterisierung der auftauchenden Personen ist zwar nett, wirklich tiefgründig wird es jedoch nicht und Tüftelfreunde dürften von den Chancen zur „Mitarbeit“, die ihnen allesamt nicht geboten werden, enttäuscht sein.

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404191054280cf395de
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Hörbuch:

Die Bärenkralle

autorisierte Lesefassung

Originaltitel: Se meg, Medusa

Autor: Torkil Damhaug

Sprecher: Detlef Bierstedt

Argon, September 2009

Umfang: 6 CDs

Laufzeit: 423 Minuten

 

ISBN-10: 3866108486

ISBN-13: 978-3866108486

 

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 12.10.2009, zuletzt aktualisiert: 28.12.2023 19:05, 9401