Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes von Ted Chiang
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Geschichten, die ein ganzes Universum enthalten: Die Wahrheit über den Turmbau zu Babel; der folgenreiche Erstkontakt mit einer außerirdischen Spezies; die Verzweiflung angesichts des Verlusts eines unersetzlichen Menschen; ein Zeitreiseabenteuer der anderen Art; und ein bestürzender Ausflug an die Grenzen des wissenschaftlich Machbaren …
Rezension:
Mit der Veröffentlichung der Kurzgeschichtensammlung Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes machte der Golkonda Verlag 2012 den US-Amerikaner Ted Chiang schlagartig einem deutschen Publikum bekannt.
Die hochgelobte Story-Sammlung vereint fünf ganz unterschiedliche Geschichten.
In Der Turmbau zu Babel folgen wir einem Bergarbeiter aus Elam nach Babylon, besteigen mit ihm den Turm bis hinauf zum Himmelsgewölbe und weiter.
Der märchenhafte Ton verbindet sich mühelos mit der detaillierten Beschreibung des riesigen Bauwerkes, dessen Ebenen selbst eigene Städte sind. Darüber hinaus geht es um die menschliche Suche nach Erkenntnis und ihrer Brechung am Glauben.
Vielleicht die schönste Kurzgeschichte der letzten zwei Jahrzehnte ist Geschichte deines Lebens, die in der Verfilmung Story of Your Life (deutscher Verleihtitel Arrival) von Denis Villeneuve eine mehr als passende Visualisierung gefunden hat.
Die Linguistin Louise Banks wird vom US-Militär angefordert, zusammen mit dem Physiker Gary Donelli Kontakt zu Außerirdischen herzustellen, die an verschiedenen Orten der Welt mit riesigen schwebenden Raumschiffen erschienen sind.
Während Louise daran arbeitet, Sprache und Schrift der Aliens zu lernen, wendet sie sich immer wieder in einer seltsamen Mischung der Zeitformen an ihre Tochter. Beschreibt deren Geburt ebenso wie ihren Tod.
Kommunikation und Zeit verweben sich zu einem ganz eigenen Muster. Ted Chiang gelingt eine hochsensible, teilweise melancholische Erzählung, die dennoch stets eine komplexe SF-Story bleibt. »Geschichte deines Lebens« gehört zu den SF-Werken, die man gelesen haben sollte.
Die Titelgeschichte Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes stellt eine Welt vor, in der Engelserscheinungen gang und gäbe sind. Dabei geschehen Wunderheilungen, aber auch Unglücke oder Todesfälle mit all ihren großartigen und fürchterlichen Folgen.
Die tief in christlicher Mythologie verwurzelte Story ist darüber hinaus kaum interessant.
Mit den Motiven aus den Geschichten von Tausendundeiner Nacht spielt Der Kaufmann am Portal des Alchemisten. Ein Stofflieferant erzählt dem Kalifen von Bagdad die erstaunliche Geschichte einer Zeitreise, inklusive Geschichten in Geschichten und Zeitreisen innerhalb von Zeitreisen.
Ein atmosphärisch sehr dichtes Märchen, das auch ganz elegant mit Ethikfragen hantiert.
Auch die letzte Erzählung Ausatmung verbindet ein altertümliches Flair und eine großartige SF-Idee.
In einer Hohlwelt voller Roboter, die jeden Tag ihre Lungen wechseln und neu befüllen müssen, berichtet ein Wissenschaftler von seiner ungeheuerlichen Entdeckung über das wahre Wesen des Universums.
Die Geschichte steckt voller Melancholie und überrascht durch die große Empathie, die man den offenbar künstlichen Wesen entgegenbringt. Ted Chiang baut eine ganze Gesellschaftsform aus der Innensicht eines ihrer Mitglieder auf, ohne dass man diesen Kosmos verlässt. Eine komplett abgeschlossene Welt, die vielleicht gar nicht so weit weg von unserer existiert.
Die wunderbare Übersetzung erfolgte von Alexander Müller unter seinem Nickname molosovsky und wie für Golkonda-Bücher gewohnt, glänzt der Band zudem mit dem modern-elegantem Design von s.BENeš.
Fazit:
Selten versammelte eine SF-Kurzgeschichtensammlung derartig hochgelobte und erstklassige Storys wie »Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes« von Ted Chiang. Sprachlich ist Ted Chiang jeder Herausforderung gewachsen und er verbindet in seinen besten Geschichten literarische Brillanz mit erstklassiger Science Fiction.
Dieses Bändchen gehört in jede Büchersammlung.
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