Herbstwind (Dorian Hunter 21)
 
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Herbstwind

Reihe: Dorian Hunter 21

Hörspiel

Rezension von Oliver Kotowski

 

Rezension:

Secret Service-Zwerg Donald Chapman führt Dorian Hunter eine mit Handy-Kamera aufgenommene Beerdigung vor. Etwas seltsam, dass der Bestatter Little statt eines Priesters die Grabrede hält. Plötzlich ändert sich die Stimme des Redners vollständig: Nun erklingt eine klare, feste Stimme, die ein melancholisches, bedeutungsschwangeres Gedicht rezitiert. Ebenso abrupt wie sie erklang, verstummt die Stimme wieder. Die Techniker des Services bestätigen die Echtheit der Aufnahmen: Hier wurde nichts nachträglich hineingeschnitten. Was also hat das zu bedeuten? Hunter soll es herausfinden. Der Service bereitet die Situation etwas vor – nach einem Cohen-Kontakt meldet sich der bisherige Tischler des Bestatters krank, Hunter kreuzt dafür mit gefälschtem Meisterbrief als Ersatz auf und schon hat er sich einen Platz nahe am Stimmenwechsler ergaunert. Doch schon sein erster Auftrag lässt seine Alarmglocken läuten: Die Tote ist Diane Coleman, eine alte Dame aus dem Haus der Stille, einem nahegelegenen Altersheim. Sie war ihn vor drei Tagen vor das Auto gelaufen und hatte Hunter um Hilfe gebeten, da sie nicht zurück wollte. Der übergab sie aber einem Pfleger. Sie hatte sich nicht weiter gesträubt, weil ihre Brieffreundin einen gewissen John schicken würde, der alle Probleme beseitigen könne. Hunter ist beunruhigt.

 

Mit Herbstwind betritt die Dorian Hunter-Reihe einmal mehr Neuland, wenn auch nicht so bahnbrechend wie mit der Doppeltszene in Jagd nach Paris – es ist ein Crossover mit der John Sinclair-Reihe (und zwar der Folge 83: Ein Leben unter Toten). Doch bevor ich dazu komme, erst mal etwas zur Hunter-Folge an sich.

Herbstwind ist für sich genommen eine relativ simple Rätsel-Folge mit gewalttätigen Showdown: Es beginnt mit einem mysteriösem Rätsel, Hunter ermittelt verdeckt und muss im rechten Augenblick handgreiflich werden. Dermaßen abstrahiert hat man es mit einem langweiligen Holzschnitt zu tun. Dass die Folge dennoch nicht langweilig ist, liegt einerseits an dem guten Timing des Scripts – es passiert eben immer etwas Schräges, bevor die gerade Schiene langweilig wird – und andererseits am makaberen Humor Hunters: Großartig die Szene, als er die Auseinandersetzung im Altersheim im Geiste reflektiert. Für sich genommen, ist Herbstwind eine solide Dämonenjagd, hier und da etwas vorhersehbar, dafür mit einigen komischen Momenten versehen.

Damit zum Crossover-Aspekt. Also John Sinclair, der Sohn des Lichts, die Nummer Eins auf dem Hörspielmarkt (zumindest, was Horrorhörspiele angeht) und Dorian Hunter. Die Sinclair-Hörer habe ja schon einige Erfahrung mit 'Serien-fremden' Dämonenjägern (wie Professor Zamorra in Der Hexer von Paris und Gefangen in der Mikrowelt oder Damona King in Asmodinas Todesengel), doch dort traten jene nur in einer in sich geschlossenen Geschichte auf. Hier gibt es im Prinzip eine komplexe Geschichte, deren Erzählstränge auf zwei Hörspiele aufgeteilt werden. Allerdings ist herauszustreichen, dass die Folgen nicht von einander abhängig sind – man kann eine einzelne Folge sehr gut nachvollziehen, ohne die andere zu kennen. Es blieben dann jedoch einige offene Fäden – Hunter rätselt stets, was mit dem Pfleger Hutcheson passiert ist; Sinclair findet es heraus. (Wobei einige Ungereimtheiten bleiben, bzw. erst durch den Vergleich der Folgen entstehen – wie konnte der Handy-Film aufgenommen werden, wenn auf dem Hügel keine Technik funktioniert?) Das ist im Großen und Ganzen ganz gut geworden, auch wenn noch Luft nach oben ist: Gerade die Szenen, die beiden Folgen gemeinsam sind, setzen zu sehr auf objektiver Faktenvermittlung und zu wenig auf subjektiver Befindlichkeitenvermittlung (wunderbar Beispiele, wie das funktioniert, findet man in der Akte X-Folge: Böses Blut oder der Coupling-Folge: Remember This). Was also bleibt nach diesem Crossover zu sagen? Ich mag die Idee, da sie das Setting erheblich komplexer und beziehungsreicher gestalten kann. Sollte es mehr Crossover geben? Gerne – warum nicht mit Larry Brent, Gabriel Burns oder Faith van Helsing? Je kräftiger es kratzt und reibt zwischen den verschiedenen Serien und deren Protagonisten, desto besser!

 

Die Anzahl der Sprechrollen ist recht klein für die Reihe – das Booklet zählt vierzehn auf, zwei davon sogar nur unter ferner liefen. Dieses Mal sind nur zwei Bekannte dabei: Thomas Schmuckert als Dorian Hunter und Frank Felicetti als Donald Chapman; sie machen ihre Sache gewohnt gut. Die Sinclair-Reihe bringt ebenfalls zwei Sprecher mit: Frank Glaubrecht natürlich als John Sinclair – den muss man wohl auch Hunter-Hörern nicht weiter vorstellen – und Evelyn Gressmann als Horror-Oma Lady Sarah Goldwyn. Gressmann ist mir sonst eher wenig bekannt, sie sprach in Die Fünf Freunde und die Schwarze Maske sowie Die Elfen – Der Fluch des Schicksalswebers ein. Glaubrecht macht seine Sache erwartungsgemäß gut, bei Gressmanns Interpretation fehlt mir dagegen ein wenig der Duktus der Figur.

Doch es sind auch ein paar neue Sprecher dabei: Als erstes ist fraglos Jürgen Prochnow als Doc Rawson zu nennen. Prochnow ist als Schauspieler eine Legende und braucht keine weitere Vorstellung. Als Hörspielsprecher kenne ich ihn ansonsten nicht, was seiner großartigen Performanz aber keinerlei Abbruch tut – die Eindringlichkeit seiner Stimme ist bemerkenswert. Peter Woy verleiht dem schäbigen Beerdigungsunternehmer Howard Little seine Stimme. Er hat unter anderen in diversen Lausch-Produktionen (Caine, Drizzt, Hellboy) Erfahrungen gesammelt; er spricht seine Figur eher unauffällig ein – so, wie es sich für einen Handlanger gehört. Als Dritte ist Gerlinde Dillge zu nennen, die die unangenehme Heimleiterin Blanche Everett spricht. Sie kann man aus verschiedenen Jugenddetektiv-Serien kennen (Die drei ???, Point Whitmark, TKKG), ist aber auch schon früher in der Sinclair-Reihe aufgetreten. In der Hunter-Folge macht sie ihre Sache ebenfalls unauffällig gut, in der Sinclair-Folge ist sie etwas mir zu bösartig – bei Hunter spielt dies keine Rolle, da sie mit ihrem (teuer) bezahlten Handlanger schroff umspringen darf, mit angehenden Heimbewohnern sollte man allerdings eine Zeit lang den Schein wahren.

Alles in allem eine gute bis hervorragende Performanz mit nur kleinen Schwächen.

 

Die Inszenierung ist konservativer als üblich: Zwar gibt es keinen Erzähler im eigentlichen Sinne, doch via Reflexion im Inneren Monolog Hunters wird dessen Funktion übernommen. Geräusche werden eher untermalend als dramatisch genutzt. Auch die begleitenden Musiken sind viel melodischer als üblich; neu sind die Jazz-Trompeten, die gelegentlich im Hintergrund zu hören sind. Auch hinsichtlich der Tonschichten ist nichts Außergewöhnliches zu vermerken: Beinahe beständig werden die drei Standards (Dialog, Geräuschkulisse, Musik) gleichzeitig verwendet. Absolut solide, da gibt es keinerlei Schwäche, aber auch nichts nach oben hin Herausragendes.

 

Fazit:

Seltsames ereignet sich im abgelegenen Altersheim Haus der Stille – Dorian Hunter soll herausfinden, warum der Bestatter plötzlich mit so seltsamer Stimme spricht. Die einundzwanzigste Folge steht ganz im Zeichen des Crossovers mit der John Sinclair-Reihe, auch wenn sie komplett für sich alleine stehen kann. Vom Crossover abgesehen eine eher konservative Folge, doch absolut solide inszeniert. Herbstwind ist für sich genommen schon eine gute Folge, zusammen mit Ein Leben unter Toten für Hörer, die der Sinclair-Reihe folgen, zudem ein interessantes Experiment, auch wenn man die Chance zur Verbesserung hat.

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Hörspiel:

Herbstwind

Reihe: Dorian Hunter 21

Produzent: Dennis Ehrhardt

Regie: Marco Göllner

Folgenreich, April 2013

Umfang: 1 CD

Laufzeit: ca. 72 Minuten

 

ASIN: B00B23Z02C

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Sprecher

Thomas Schmuckert

Jürgen Prochnow

Peter Woy

Gerlinde Dillge

Frank Glaubrecht

Evelyn Gressmann

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240418164632901586c8
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Erstellt: 22.05.2013, zuletzt aktualisiert: 28.12.2023 19:05, 13084