Kolumne: Parallel-Welten
 
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Kolumne: Parallel-Welten

Autor: Holger M. Pohl

 

Sagte ich schon mal, dass ich es liebe, durch die Foren zu geistern? Ich glaube ja. Besonders haben es mir jene Foren angetan, in denen so herrliche Diskussionsthreads existieren, die dermaßen seltsam verlaufen, dass am Ende keiner mehr weiß, worum es überhaupt ging. Manchmal kommt es mir so vor, als ob da die Phantastik wieder zugeschlagen hat und Bewohner von Parallel-Welten miteinander diskutieren, die im Grunde gar nicht verstehen, was der der Bewohner der jeweils anderen Welt überhaupt will oder meint.

 

Wenn zum Beispiel B. (oder X oder Y oder F.) was schreibt und S. (oder T oder U oder S.) was antwortet, reden sie aneinander vorbei. Was an und für sich ja normal ist und durchaus der realen Welt entspricht. Vielleicht hätte man sich vorher mal darüber verständigen sollen, ob man überhaupt über das gleiche Thema spricht. In der Realität würde dann die Diskutanten versuchen, die Sache aus der Welt zu räumen. In der Foren-Parallel-Welt hingegen passiert folgendes: man wird beleidigend und ausfällig. Es lebe die Anonymität! Auch wenn man weiß, wer sich hinter den Postern verbirgt, anonym bleibt es trotzdem, denn es ist ja nur elektronisches Papier, auf das man schreibt. Einer (von mehreren Gründen) warum ich in offenen Foren nicht mitdiskutiere. Weil ich eben keinen Bock darauf habe, mich dumm anmachen zu lassen.

 

Darüber hinaus gehen mir alle jene Möchtegern-Philosophen auf den Wecker, die eine Frage stellen und dann die Antworten nicht haben wollen. Entweder weil sie sie nicht hören wollen oder weil sie sie nicht verstehen. Der einfachste Weg ist dann zu behaupten: „Ihr habt die Frage nicht verstanden!“ Man könnte darauf dann erwidern: „Und Du die Antworten nicht!“ Dann werden noch ein paar richtig anständige Leviten-Lesungen hinterher geworfen, damit sich die anderen Diskutanten auch wirklich ganz klein und richtig dumm vorkommen … sollen. Und schließt eben mit Rundumschlägen in alle Richtungen. Aber Vorsicht: manche Schläge erweisen sich als Bumerang … oder führen zu einer Kolumne.

 

Nun könnte ein Schelm ja sagen, ich verschließe mich den Modernen Zeiten, wenn ich mich aus solchen Diskussionen heraus halte. Internet-Foren sind nun mal die Diskussionsforen der Gegenwart oder der Zukunft (die wir wollen oder auch nicht). Das ist richtig und damit habe ich kein Problem. Womit ich aber ein Problem habe, dass ist eben die Art, wie geantwortet wird, wenn man nicht weiter weiß. Oder gerade einfach mal Lust hat auszuteilen und irgendjemand zu beleidigen oder für klein und dumm zu erklären. Das fällt im WWW eben leichter als im realen Leben. Im realen Leben würden sich die Streithähne – manchmal vor laufender Kamera – an die Gurgel gehen und den Streit austragen. Im realen Leben würde man sich erst einmal darüber verständigen, worüber man sich überhaupt unterhalten will. In Foren spielt man dann lieber beleidigte Leberwurst oder geht in die Ausfälligkeits-Offensive oder reitet die Oberlehrer-Attacke: Krieg der Parallel-Welten! Nieder mit all jenen, die unter meinem Niveau sind!

 

Diese Parallel-Welten sind realer und uns näher, als mache denken. Sie sind nicht nur Ausgeburten von naiven SF-People. Im Gegenteil! SF-People (was immer das auch sein mag) wissen, dass SF wenig bis nichts mit der Realität zu tun hat. Philosophen halten sich in aller Regel für den Nabel einer realen Welt … einer in ihren Augen realen Welt. Doch diese Welt ist von der Realität soweit entfernt wie der Delphin davon ein Fisch zu sein.

 

Diskussions-Foren (und insbesondere jene, die sich mit phantastischen Fragen beschäftigen) sind oft genug „Phantastik live“. Ich genieße sie! Sie sind so herrlich inspirierend! Phantastisch philosophisch eben! Es lebe die Philotastik!

 

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Erstellt: 20.01.2009, zuletzt aktualisiert: 26.06.2022 18:51, 8148