Kolumne: Verbrecherische Deppen!
 
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Kolumne: Verbrecherische Deppen!

Autor: Holger M. Pohl

 

Bin ich nun ein hinterletzter Volldepp oder nicht? Oder anders gesagt: Was denkt sich ein Depp, wenn ein anderer Depp ihn als Depp bezeichnet? Der Depp denkt sich: "Dös is a bisserl deppert!" Zu dieser Erkenntnis kam ich durch einen Post eines Verlegers, der da lautet: "...aber auch für den hinterletzten Volldeppen aus Sonstwofries- oder- ostland ist "Fantasy" im Sinne Tolkiens, Rowlings und anderer Literaturverbrecher keine Fantastik. Weder mit F noch mit Ph." Geschrieben und der Öffentlichkeit übergeben am 8. Oktober im Jahres des Herrn 2015 im Scifinet-Forum: Das Zitat

 

Lassen wir uns diesen Satz einmal auf der Zunge zergehen ... respektive in die Tasten fließen. Tolkien oder Rowlings sind Literaturverbrecher. Oder jene, die Fantasy als Phantastik bezeichnen sind Literaturverbrecher. Wie auch immer: Das ist schon mal eine Aussage, die mir weiterhilft. Gut das zu wissen! Ich muss mich also entweder vor solchen Autorinnen und Autoren oder jenen, die das so sehen, in Acht nehmen. Kleine Anmerkung: Vor manchen Verlegerverbrechern sollte ich das allerdings auch.

 

Aber weiter: Fantasy in deren Sinne ist keine Phantastik. Oder Fantastik, wer das lieber mag. Gut, dann lese ich eben keine Phantastik, wenn ich Fantasy lese.

 

Und Drittens: Hinterletzte Volldeppen leben in "Sonstwofries- oder- ostland". Schauen wir einmal auf die Karte: Leingarten (wo ich wohne) liegt nordwestlich vom Sitz des Verlages. Oder anders gesagt: Der Verlagssitz liegt südöstlich meines Wohnsitzes. OK, damit wäre das zumindest mal geklärt und abgehakt. Alles klar soweit?

 

Ich muss jetzt nicht sagen, was ich von solchen Aussprüchen gerade aus dem Mund eines Verlegers halte. Essentieller wären da sogar noch - aber auch nicht wirklich - Neuigkeiten über Justin Bieber, Beyoncé oder Taylor Swift oder irgendwelche Nacktfotos von Selena Gomez. Anders formuliert: Ich halte den berühmten umfallenden Reissack in China für die Existenz der Erde, des Sonnensystems oder gar des Universums für erheblich - genau gesagt sogar für unendlich - wichtiger als solche Dinge oder solche Aussagen. Selbst Raumschiffe in Verbindung mit Aliens, Titten und Sex haben mehr Relevanz.

 

Beschränken wir uns aber auf die beiden Kernaussagen:

Erstens: Tolkien und Rowlings und andere, die Fantasy in deren Sinne schreiben, oder die Fantasy als Phantastik betrachten, sind Literaturverbrecher.

Zweitens: Fantasy ist keine Phantastik. Nicht einmal dann, wenn man sie mit F schreibt.

 

Beginnen wir mit dem Zweiten, denn wir wollen uns ja steigern. Also, die gern gelesene Fantasy ist keine Phantastik. Sagt ein Verleger! Und der muss es ja wissen, oder? Nun ist es so, dass Verleger (in der Regel) auch Menschen sind. Und bekanntermaßen können Menschen irren. Das ist schon seit Adam und Eva so. Oder wenn man es wissenschaftlich will: seit dem Ur-Knall. Daran hat sich seit einer Ewigkeit nichts geändert.

 

Es gibt nämlich genügend Meinungen, die relevanter sind, und die die Fantasy zu Phantastik zählen. Wikipedia etwa. Und wer die Online-Enzyklopädie für nicht relevant genug hält, den verweise ich zum Beispiel darauf: PH Ludwigsburg. Oder darauf: Phantastik. Oder noch auf etliches mehr. Wer sucht, der wird finden. Aber da in unserem schönen Land Meinungsfreiheit herrscht, darf also jeder seine eigene Meinung haben. Lassen wir also diesem Verleger seine Meinung. Sie muss ja nicht richtig sein. Und mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

 

Aber kommen wir zum zweiten Kernsatz seiner Aussage. Tolkien, Rowlings und andere Literaturverbrecher. Nun, ich schreibe einerseits (nicht nur aber auch) Fantasy im Sinne Tolkiens und sehe andererseits Fantasy auch als der Phantastik zugehörig an. Bin ich also in doppeltem Sinne ein Literaturverbrecher? Sozusagen ein Literaturschwerverbrecher? Vielleicht sollte ich mich, wenn ich zukünftig auf die Straße gehe, umschauen, wer mich beobachtet, wer mich verfolgt. Vielleicht gibt es ja die FSA (oder PhSA), die Fantastik Security Agency, die mich bereits beobachtet. Der Sitz dieser Institution könnte beispielsweise südöstlich von mir liegen. Jetzt sollte bei mir das große Zittern einsetzen …

 

… tut es aber nicht, denn ich muss gestehen, dass ich mich trotz dieses kriminellen Schattens auf meinem Lebenslauf ganz gut fühle und ich mich, auch wenn ich nur ein gaaaaanz kleines Licht in diesem Kreis des organisierten Literaturverbrechens bin, in dieser Gesellschaft außerordentlich gut aufgehoben fühle.

 

Natürlich kann man auch diesen Teil der Aussage als Meinungsfreiheit auslegen. Warum auch nicht? Doch anders als bei der Sache mit der Phantastik (Ich verwende im Übrigen immer das „Ph“ und wenn man es von mir anders liest, dann ist die Veränderung unerlaubterweise nicht durch mich geschehen!) sehe ich so eine … Behauptung doch etwas mit gemischten Gefühlen. Anders formuliert: Werden dadurch Tolkien, Rowlings und andere nicht verunglimpft, regelrecht beleidigt?

 

Wie gesagt, man kann es als Meinungsfreiheit auslegen. Manche Leute, ob aus dem Norden, Süden, Osten oder Westen, sehen eben Beleidigungen anderer als „Äußerung der freien Meinung“ an. Ich nicht. Und ich weiß von anderen, dass sie das ebenfalls nicht so sehen. Stellt sich die Frage, wer durch solche Aussagen ins Abseits gestellt wird: Der, der die Aussage macht, oder jene, die von einer solchen Aussage betroffen sind? Die Antwort auf diese Frage mag jeder für sich selbst finden.

 

Andere, die nicht meiner Meinung sind, in einem öffentlichen Post als „Verbrecher“ – ob Literatur- oder Sonstwasverbrecher – hinzustellen, geht meines Erachtens nach über die Meinungsfreiheit ein Stück weit hinaus. Wenn ich das unter vier, sechs oder meinetwegen auch mehr Augen im stillen Kämmerlein, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, mache, dann ist das eine Sache. So eine Behauptung aber in den freien und öffentlichen Raum zu stellen – und ja, auch ein Forum ist so ein freier und öffentlich zugänglicher Raum! – ist eine andere Sache. Selbst wenn es ironisch gemeint wäre. Ein relevanter Diskussionsbeitrag ist es sowieso nicht. Andere zu beleidigen oder zu verunglimpfen ist nie ein relevanter Diskussionsbeitrag.

 

Daher bin ich lieber ein Depp – ob ein hinterletzter, allerletzter oder vorletzter ist völlig egal – und ein Literaturverbrecher, ehe ich mich mit solchen Behauptungen eines Verlegers auf eine Stufe stelle. Oder sie respektiere. Muss ich ja auch nicht. Und tue ich selbstverständlich auch nicht. Das wäre mir einfach zu deppert! Und ein Verbrechen an meiner Überzeugung sowieso …

 

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Erstellt: 11.10.2015, zuletzt aktualisiert: 26.06.2022 18:51, 14127