Phase X - Magazin für Phantastik Nr. 1: Helden
 
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Phase X - Magazin für Phantastik Nr. 1: Helden

Rezension von Andre Vieregge

 

Der technisch futuristische Namensklang des neuen Crossover- Magazins Phase X, bekundet bereits assoziativ die Verbundenheit zur Science Fiction. Doch die junge Zeitschrift hat mehr zu bieten. Die erste Ausgabe hat ihren Schwerpunkt vor allem im Genre der Fantasy oder Sword and Sorcery gesetzt. Dabei beschäftigen sich 14 thematische Artikel mit dem Überbegriff des Helden in der entsprechenden Literatur-, Comic- und Entertainmentwelt. Drei Interviews, vier Rezensionen und eine Kurzgeschichte runden das Erscheinungsbild der Anfangs- Phase ab.

 

Schon die erste Ausgabe besticht durch einen qualitativ hochwertigen Eindruck, auch wenn sich über das Design des Titelbildes durchaus streiten ließe. Ein Blick ins Innere entlarvt das Softcover nicht als arglistige Illusion. Das Layout ist übersichtlich und professionell. Die seitliche Einfassung der Artikel durch kurze bio-/ bibliographische Anmerkungen, Abbildungen oder Zusammenfassungen verhindert die triste Optik einer wissenschaftlichen Publikation. Dennoch muss hier die Frage gestattet sein, ob ein Insiderblatt wie ein „Magazin für Phantastik“ tatsächlich Begriffe wie „Rollenspiel“ und „Superheld“ noch einmal lexikalisch erklären muss.

 

Ohnehin hat Phase X ein definitorisches Problem mit seiner eigenen Ausrichtung. Schon seit vielen Jahren ist der Begriff der Phantastik in der Literaturwissenschaft kein Überbegriff für Science-Fiction, Märchen, Spukgeschichten, und klassischer Sword and Sorcery mehr, sondern bildet ein eigenes Genre. Todorov, Caillois und Uwe Durst, um nur einige zu nennen, schufen für die Phantastik engere Grenzen, die sich durch den Einbruch des Extra- Empirischen in eine als real angenommene Diegese konstituieren. Phase X ist also ein Magazin für Sci- Fi und Fantasy, nicht für Phantastik.

 

Leider bliebt das Defizit literaturwissenschaftlicher Präzision auch in einigen der Artikel bestehen. Christel Schejas Beitrag über „Das Heldenbild der Fantasy im Wandel“ bleibt eine rein deskriptive Ansammlung von Heldenfiguren aus einem recht willkürlich anmutenden Literaturkanon. Natürlich will man als wahrer Fan nicht auf einer Hollywood- Kommerz- Welle mitschwimmen, doch wenn unter einem solchen Titel weder J.R.R. Tolkien als Schöpfer der ersten Heldengruppe noch C.S. Lewis’ Kinderhelden genannt werden, dann erinnert das an einen Aufsatz über die Weimarer Klassik, in dem Goethe und Schiller vergessen wurden. Unbelegte Aussagen über zum Teil zweifelhafte gesellschaftspolitische Ursachen im Wandel der Fantasyliteratur beschließen den enttäuschenden ersten Artikel. Ähnliches erwartet den Rezipienten auch bei den Betrachtungen des mittlerweile so omnipräsenten Typus des Antihelden, die sich sogar in einem späteren Beitrag überraschenderweise noch einmal wiederholen. Solche Themen, die hinreichend Stoff für eine Dissertation abgeben, eignen sich nun mal nicht für einen kurzen Artikel.

 

Doch zu früh muss nun niemand Laserpistole oder Zauberstab ins Korn werfen. Die übrigen Beiträge entschädigen für vieles. Sie widmen sich überschaubareren Themengebieten, in denen die Autoren nicht nur mit umfassendem Insiderwissen glänzen, sondern auch ihre eigene Begeisterung für die Stoffe zu vermitteln wissen. Das literarische Schaffen ausgewählter Autoren wird umfassend aber dennoch nicht ermüdend dargelegt und zum Teil durch professionell wirkende Interviews ergänzt, auch wenn die Befragung Cam Kennedys doch sehr übersichtlich ausfällt. Rezensionen von Büchern als auch von Spielen machen ebenfalls einen guten Eindruck. Einziger Wermutstropfen sind einige stilistische Unbeholfenheiten, mit denen beispielsweise einer der Redakteure überflüssigerweise seine persönliche Genese zum Superheldenrollenspieler dem Leser aufdrängt.

Viele der bisher genannten Kritikpunkte lassen sich bei der Erstausgabe eines jungen Magazins mit einem Augenzwinkern abtun, die enthaltene Kurzgeschichte von Christoph Marzi jedoch nicht. Irgendwelche Newcomerpreise hin oder her, Wolfsgesang liest sich wie eine schlechte Angela Carter Kopie, jedoch ohne deren inhaltlichen Anspruch. Von unzähligen Fehlgriffen der Interpunktion abgesehen, lässt der unbeholfene Stil wahrlich kein gutes Licht auf den Autor fallen. Bitte nicht wieder!

 

Für die kommenden Ausgaben muss sich die Redaktion der Phase X die Frage stellen, welches Publikum sie mit ihrem Magazin erreichen wollen. Das umfassende Wissen der Redakteure in ihren eigenen Interessengebieten steht außer Frage, ebenso ihre Begeisterung und vorhandenen journalistischen Talenten, doch noch mangelt es an einem klaren Konzept. „Helden“ geben zudem ein recht diffuses Thema ab. Sind es nicht immer die Protagonisten, die zunächst im Mittelpunkt einer Textbetrachtung stehen? Analysiert man mit den handelnden Charakteren nicht immer bereits den Großteil des gesamten Werkes? Mit dem Helden hat man eigentlich alle Themen und keines ausgewählt.

 

Für wahre Fans der Science Fiction und Fantasy gehen die literaturwissenschaftlichen Artikel zweifellos nicht weit genug, für interessierte Laien mögen sie zu speziell sein. Abseits von Tolkien und Asimov ist augenscheinlich ein Magazin geplant, das die kommerzialisierten Größen des Genres zu Gunsten der Fanlieblinge auslässt. So ein Konzept beinhaltet Risiken, trägt aber auch den Samen eines Kultmagazins in sich. Das Potenzial schlummert ohne Zweifel unter dem eigenwilligen Coverdesign. Es gilt nur noch, dieses bis zur zweiten Ausgabe aus den Tiefen der Redaktion heraufzubeschwören. Auf in die nächste PHASE!

 

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Phase X - Magazin für Phantastik Nr. 1: Helden

Broschiert - 105 Seiten - Atlantis Verlag Guido Latz

Erscheinungsdatum: Februar 2006

ISBN: 3936742359

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 28.03.2006, zuletzt aktualisiert: 23.01.2021 18:54, 2037