Spider-Man (Klassiker der Comicliteratur Bd. 15)
 
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Spider-Man

Reihe: Klassiker der Comicliteratur Bd. 15

Rezension von Christian Endres

 

Er war der erste amerikanische Superheld, der noch zur Highschool ging, regelmäßig bei den Mädchen abblitzte und immer wieder von irgendwelchen Rowdys schikaniert wurde; der erste Superheld, der nach dem Erlangen seiner Superkräfte gleich zu Beginn einer blutjungen Superheldenkarriere eine bittere Lektion erlernen und verinnerlichen musste; der Held, der auf seinem Weg womöglich die meisten Schicksalsschläge erleiden musste und teilweise auch heute noch muss; der Held, dessen Kontinuität und Glaubwürdigkeit in den letzten Jahren bei Marvel von Redakteuren und Autoren mitunter am meisten mit Füßen getreten worden ist; der Held, der die Welle von Big-Budget-Comic-Verfilmungen für Hollywood erst interessant gemacht und mit seinem überwältigenden Erfolg endgültig ins Rollen gebracht hat; der Held, der mir von den klassischen Superhelden schon immer der liebste war. Der Held, dem der fünfzehnte Band der Klassiker der Comicliteratur gewidmet ist – meine Damen und Herren, liebe Kinder: Here comes the Spider-Man ...

 

Die bisherigen Bände dieser Reihe haben hinlänglich bewiesen, dass Andreas Platthaus und seine Mannen wissen, was sie tun, wenn sie die Geschichten für den jeweiligen Klassiker-Band zusammenstellen. Bei Spider-Man nun, so kann ich mir zumindest vorstellen, dürfte die Zusammenstellung besonders schwer gefallen sein, da mir spontan fünfzig Hefte einfallen, die man um jeden Preis in diesen Band hätte packen müssen. Letztendlich konnten es aber nur zwölf Stories sein, welche da heißen:

 

Spider-Man!

Spider-Man gegen das Chamäleon!

Tödliches Duell mit dem Geier!

Kobold, so grün, so grün ...!

Das Ende des grünen Kobold!

Die Arme des Doktor Octopus

Dock Ock lebt!

Es wartet ... der Tod!

Der Tag, an dem Gwen Stacy starb!

Des Kobolds letzter Kampf!

[ohne Titel]

Das lange Gespräch

 

Sicherlich ist es richtig, Amazing Fantasy #15 (mit dem ersten Auftritt des blauroten Wandkrabblers) sowie Amazing Spider-Man #1 (die erste Ausgabe seiner ersten eigenen Heftserie) im vorliegenden Band abzudrucken. Ob dann aber die Story aus ASM #2 mit dem Geier rein muss, das will einfach mal dahin gestellt sein. Meiner Meinung nach hätte man hier ebenso gut einen ersten Auftritt von Kraven, Mysterio, der Echse, des Beatles oder gar eine MacFarlane-Story reinpacken können, doch driftet das nun wohl stark ins Subjektive ab und hat an dieser Stelle nichts mehr verloren, zumal die folgenden Stories den etwas schwächeren Auftritt des Geiers mühelos kompensieren. Der Kern des Bandes ist dann – völlig zu Recht, übrigens – nämlich der Kampf zwischen Spider-Man und seinem Erzfeind und ewigen Rivalen, dem Grünen Kobold. Und während wir uns voller Spannung durch den Kern dieses klassischen Themas arbeiten und Spidey im Kampf gegen besagten grünen Superschurken sowie den genial-gefährlichen Doktor Oktopus beiwohnen, nähern wir uns dem eigentlichen Herzen dieses Bandes, das man sogar auf den Tag genau fest machen kann: Dem Tag nämlich, an dem Gwen Stacy starb – und damit dem Tag im Jahre 1973, an dem die Superheldencomics in den Nummern Amazing Spider-Man 121/122 ihre Unschuld verloren und nie wieder das sein sollten, was sie einmal waren. Nicht nur, dass der Held seine Geliebte nicht retten konnte, nein, zu allem Überfluss bekommt er am Ende auch noch seine Rache und sieht seinen Todfeind sterben. Das war damals schon ein Riesending, und auch heute noch ist es eine klasse Story, die trotz einiger naiver Stellen und der traurigen Tatsache, dass die Brückenszene bis zum heutigen Tage noch ein Dutzend Mal ausgeschlachtet worden ist, zu begeistern und den Leser mitzureißen weiß. Die beiden Geschichten, die danach folgen, sind ein Beispiel für eines der beliebtesten neuzeitlichen Künstler-Duos an Spider-Man, die für einige Zeit wieder frischen Wind gebracht hatten: J. Michael Straczynski und John Romita Jr., welche uns Spider-Mans Einsatz am 11. September 2001 sowie die definitive Aussprache mit Tante May, die hinter Peters Geheimnis gekommen ist, präsentieren. Ist das erste Abenteuer damals aus traurigem Anlass ein recht gefühlvoller, auf Dauer gesehen letztlich aber eher unwichtig Ausflug in das Marvel-Universum gewesen, ist zumindest letzteres auch heute noch ein wichtiger Schritt in der Entwicklung von Peter Parker alias Spider-Man und seinem Umfeld, denn nachdem man Tante May unsäglicherweise erst hat von den Toten auferstehen lassen, ohne dass es wirklich nötig gewesen wäre, bekam sie durch diese Geschichte von JMS zumindest wieder etwas mehr an Tiefe und Wichtigkeit.

 

Zeichnerisch ist der Band einmal mehr eine Zeitreise, die satte vierzig Jahre abdeckt: Steve Ditko, John Romita Sr. und Gil Kane als Vertreter der klassischen Jahre, und am Ende John Romita Jr. als Vertreter der Moderne. So oder so machen die Abenteuer des freundlichen Netzspinners aus der Nachbarschaft auch künstlerisch einen durchweg guten Eindruck, ohne dabei unter der Verkleinerung ins Taschenbuchformat allzu sehr gelitten zu haben. Wie bei den Fantastischen Vier oder Superman bewegt es sich hier erfreulicherweise im Rahmen und mindert den Lesegenuss dieses Bandes in keinster Weise.

 

Es sind die Details, die zeigen, ob eine solche Reihe ausschließlich aufgrund kommerzieller Überlegungen heraus unters Volk gebracht wird und nur dem Zweck dient, Geld zu machen, oder ob sie diesen Standpunkt überwunden und nebenbei auch ein höheres Niveau, ein erhabeneres Ziel angestrebt und womöglich auch erreicht hat. Nach den Fantastischen Vier registriere ich zum zweiten Mal mit einigem Wohlgefallen, dass man beim fünfzehnten Band der Klassiker-Bibliothek auf ein kleines, aber extrem feines Detail geachtet hat: Wie uns das Vorwort, das Inhaltsverzeichnis und die etwas magere Cover-Gallerie problemlos vermitteln, hatte Spider-Man seinen ersten Auftritt im August 1965 in Amazing Fantasy – genauer gesagt in der #15. Und welche Nummer hat nun der Spidey-Band der FAZ? Richtig. Die Fünfzehn. Das ist überlegt, das ist detailverliebt, das ist exakt und das ist vor allem eines – richtig klasse.

 

Nicht ganz so klasse ist diesmal hingegen das Vorwort, zu dem ich leider keinen rechten Draht gefunden habe, und auch die Papierqualität lässt leider wieder zu wünschen übrig. Zudem weiß ich diesmal auch mit dem ausgewählten Motiv für die Rückseite des Bandes nur wenig anzufangen, da die Illustration zwar Spider-Man und den Kobold zeigt, aber nicht gerade zu den gelungensten Darstellungen dieses Paars zählt. Vielleicht hätte man hier eher auf John Romita Jr., Gil Kane oder Sal Buscema zurückgreifen sollen, die da ganz andere Zeichnungen der beiden geliefert haben. Doch bevor ich mich nun in weiteren Haarspaltereien verliere, kommen wir lieber zum Ende ...

 

Fazit: Wie schon eingangs erwähnt, war der Spider-Man-Band, der sich aufgrund des netten Gimmicks mit der Fünfzehn kurioserweise übrigens zwischen den Schlümpfen und Micky Maus tummelt, mit Sicherheit eine Herausforderung, was die Auswahl seines Inhalts angeht, und man kann bis auf einige kleine Abstriche definitiv guten Gewissens behaupten, dass die Redaktion des FAZ-Feuilletons wieder einmal einen guten Job gemacht hat. Ich vermisse letztlich nur Spectacular Spider-Man #200, meine Lieblings-Geschichte mit Spider-Man, doch hat sich diese durch ihre Überlänge von annähernd 40 Seiten wohl leider selbst disqualifiziert. Nichtsdestotrotz wäre sie statt der beiden JMS/JRjr-Abenteuer vielleicht die bessere Ergänzung zur Story um Spider-Man und seinen ewigen Kampf gegen den Grünen Kobold gewesen, wenngleich sie dadurch natürlich auch die vierzig Jahre voller bemerkenswerter Geschichten von Spider-Mans abenteuerlicher Karriere etwas eindimensional dargestellt hätte und es eventuell auch »zuviel des Kobolds« gewesen wäre.

 

Durch die beiden recht gelungenen Verfilmungen der letzten Jahre ist Spider-Man der vielleicht populärste Superheld unserer Zeit geworden. Wer nach dem Filmen also schon immer einmal Lust hatte, in die Comicwelt dieses sympathischen, oftmals vom Schicksal gebeutelten Spinnenmanns einzutauchen, der kann bei diesem Band getrost zugreifen. Wer bereits viel Spider-Man-Material in seiner Sammlung besitzt, wird die Geschichten vermutlich bereits kennen oder vielleicht sogar in mehrfacher Ausführung zu Hause haben, so dass dieser Band sich dann nur für Komplettisten lohnen dürfte.

 

Abgesehen davon: Daumen hoch für den fünfzehnten Band der Klassiker-Bibliothek und absolute Kaufempfehlung.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024042318373537d8c8ff
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Comic:

Spider-Man

Reihe: Klassiker der Comicliteratur Bd. 15

Autor: Stan Lee u. a.

Zeichner: Steve Ditko u. a.

Verlag: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Format: Softcover

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 3899810961

Anzahl Seiten: 256

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 11.12.2005, zuletzt aktualisiert: 07.04.2024 09:00, 1623