Druckversion: Der Friedenskrieg (Autor: Vernor Vinge)

Der Friedenskrieg von Vernor Vinge

Rezension von Ralf Steinberg

 

Rezension:

Mit brisanten Informationen kehrt die Aufklärungsexpertin der US Air Force, Captain Allison Parker, zu ihrem Stützpunkt zurück. Doch Unvermittelt befindet sie sich im Wrack des Flugzeuges.

Miguel Rosas ist Angestellter der Santa-Ynez-Polizeigesellschaft und verhaftet einen jungen Mann, der nach einem spektakulären Computerspielkampf zur Waffe greift. Da zeigt der Technikmagier Paul Naismith Interesse an dem abgemagerten Wili. Schon lange suchte er nach einem Lehrling, denn der Kampf der Bastler gegen das allmächtige Friedensamt nimmt Fahrt auf. In einer Welt, 50 Jahre nach dem Ende der alten Staaten, entscheidet das Friedensamt, wer mit Technik arbeiten darf und wer nicht. Alle die nicht mitspielen, verschwinden hinter gewaltigen silbernen Blasen …

 

Vernor Vinge erdachte für Der Friedenskrieg eine interessante Prämisse. Was geschieht, wenn es jemandem gelänge, alle Kriegstreiber, Regierungen und Armeen der Welt für immer wegzuschließen?

50 Jahre nach dem Einsatz dieser neuartigen Technologie ist die Welt in drei Einflussbereiche aufgeteilt, neben Zentren in Europa und Asien beherrscht das amerikanische Friedensamt Land und Leute. Die letzten Auswirkungen der damaligen Krise samt nachfolgender Anarchie und künstlichen Seuchen verklingen. Doch das Hochtechnologieverbot des Amtes treibt einen Teil der Bevölkerung in die Illegalität. Die Bastler entwickeln unbemerkt bessere Computertechnik, bessere Sonden, bessere Kommunikation.

Santa Ynez liegt im nördlichen Kalifornien und den Einwohnern des Marktfleckens geht es eigentlich ganz gut. Dass es auch Gegenden mit schlechteren Lebensbedingungen gibt, sehen wir an Wili, einem Jungen der sich ganz alleine durchschlagen musste und dessen Herkunft aus einer gewaltdominierten Stadt ihn tief prägte. Das Friedensamt mag vielleicht einen dritten Weltkrieg verhindert haben, aber eine bessere Welt ist nicht entstanden.

 

Geschickt präsentiert uns Vinge nach und nach die Schattenseiten des gewaltsam erzwungenen Friedens, sodass die Motivation der Hauptfiguren das Friedensamt zu stürzen, deutlich wird. Allerdings gibt es besonders in Bezug auf das Friedensamt eine satte Sammlung langweiliger Klischees bis hin zu einer persönlichen Rache und den damit notwendigerweise verbundenen dummen Fehlern.

Ein weiterer Schwachpunkt des Romans sind die nur rudimentär ausgearbeiteten Frauenfiguren. Zwar darf die Friedensamt-Agentin Della Lu klug, selbstbewusst und kampferfahren agieren, aber Vinge vermag es kaum, ihr Mehr Raum zu verschaffen als stets nur wichtige Handlungsumschwünge in Gang zu setzen. Noch schlechter ergeht es Allison Parker. Weder der mögliche innere Konflikt angesichts ihrer »Zeitreise«, oder der Missbrauch ihrer Persönlichkeit als Vorlage für Pauls Computeravatar werden sonderlich aufbereitet. Vielmehr dient sie als entscheidender taktischer Vorteil für die Bastler.

Auch ein mögliches Problem mit Wilis möglicher Computersucht kommt über vage Andeutungen nicht hinaus. An vielen Stellen im Roman ist zu spüren, dass Vinge das Konfliktpotential seiner Figuren und Handlungsstränge nicht ausreizt, sondern einem schnellen Vorantreiben des Plots opfert.

Ein für heutige Leser gewaltiges Problem scheint Vinge mit seinem Roman, geschrieben in der Vor-Tschernobyl-Zeit, völlig zu vernachlässigen: Die katastrophalen Folgen von Atomexplosionen. Ein grundlegender Teil der Friedensamtstrategie wirkt daher heute so falsch, dass hier nicht nur die Glaubwürdigkeit leidet, sondern der gesamte Roman aus der dramaturgischen Balance gerät.

 

Erstaunlicherweise gelingt es Vinge dann aber doch, durch dramatische Actioneinlagen Spannung aufzubauen und ein überzeugendes Finale zu kreieren, das nicht in einem zu erwartenden Sieg mündet, sondern Weichen für eine Zukunft stellt, die hochgradig interessant zu werden verspricht. Folgerichtig gibt es eine Fortsetzung – Gestrandet in der Realzeit.

 

Fazit:

»Der Friedenskrieg« von Vernor Vinge ist insgesamt ein thematisch interessanter, etwas gehetzt erzählter Roman, der schon ein wenig andeutet, womit sich Vinge in seinen späteren Werken beschäftigen wird.

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Buch:

Der Friedenskrieg

Original: The Peace War, 1984

Autor: Vernor Vinge

Übersetzerin: Rosemarie Hundertmarck

Cover: Tom Kidd

Taschenbuch, 379 Seiten

Heyne, 1989

 

ISBN-10: 3453031539

ISBN-13: 978-3453031531

 

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, zuletzt aktualisiert: 08.10.2024 19:05