Das Königsprojekt (Autor: Carl Amery)
 
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Das Königsprojekt von Carl Amery

Rezension von Ralf Steinberg

 

Rezension:

Zeitreisegeschichten müssen sich immer auch dem Problem stellen, wie man mit nachträglichen Manipulationen der Geschichte umgeht. Ein Zeitreiseparadoxon könnte das Universum erschüttern!

Carl Amery geht damit in Das Königsprojekt ganz locker um. Nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!, trickst er das Universum einfach aus.

So etwas kann natürlich nur die katholische Kirche. Mit einer geheimen Zeitmaschine von Leonardo da Vinci, der MYST, versucht die CSAPF (Congregatio secreta ad purificandos fontes) den Einfluss der Protestanten einzuschränken. Man nutzt dafür Manipulationen an Geschehnissen und Personen, soweit es den historischen Quellen nicht zu wieder spricht. Alles, was sich nicht in den Quellen finden lässt, ist quasi erlaubt oder verboten, je nachdem, wie man die Quellenlage interpretiert. Der fehlende Hinweis auf einen natürlich Tod eröffnet die Möglichkeit eines Mordes, so er nur geheim genug bleibt, um nicht irgendwo erwähnt zu werden.

Diese korrigierenden Zeitreisen werden seit Jahrhunderten von Experten der Schweitzer Garde durchgeführt, im Jahr 1954 ist Arnold Füßli jener Schlüsselsoldat. Er soll nun das neueste Projekt zu einem glorreichen Abschluss führen. Es geht um nichts geringeres, als einen Bayern auf den schottischen Thron zu bringen. Eine dynastische Verbindung zu den Stuarts konnte hergestellt werden, Knackpunkt ist die Legimitation. Hier kommt Füßli ins Spiel. Er soll ins Jahr 1927 reisen und aus der Westminster Abbey den schottischen Krönungsstein stibitzen, den einst ein englischer König stahl, damit fortan alle englischen Königinnen und Könige auch gleich die von Schottland würden. Wäre der Stein nun nicht echt, sondern heimlich durch eine Kopie ersetzt worden, wäre die Krönung ungültig und Raum für eine eigene. So der Plan.

Füßli soll aber auch noch einen alten Jakobinerschatz heben, der dann 1954 die Grundlage eines Unabhängigkeitskampfes bilden soll. Für den wird in bayrischen Dörfern alsbald kräftig geworben, indem man ihnen die Möglichkeit eröffnet, sich in einen schottischen Highland-Clan einzukaufen.

Schon bald ertönen gälische und bayrische Kampfschreie aus dunklen Mooren …

Carl Amery schlägt in seiner Zeitreiseposse die ganz große Humorpauke und man sollte diese Art von Humor mögen, sonst schält sich aus den diversen Handlungssträngen ein eher sprach- und stilverliebtes Experiment heraus, dessen Unterhaltungswert stark schwankt.

Die Zeitreiseproblematik bleibt nur Aufhänger. Wichtiger sind dem Autor die kirchlichen Intrigen und Gegenintrigen. Seine Charakterisierung der Vatikanfunktionäre wirkt parodistisch und etwas weniger liebevoll als die der bayrischen Neuschotten. Konturen gewinnen sie nur selten, meist versteckt Amery sie hinter aufgeplusterten Szenen, die eher einer Nummernrevue gleichen. Verbindungen zum Alkoholschmuggel sorgen für eine weitere Handlungsebene, in denen uns Amery in diversen Insider-Dialogen einiges an geschichtlichem Verständnis abverlangt. Oder einfach nur verwirren möchte.

Dem großen Finale verweigert sich der Autor dann auch konsequent und verdeutlicht so einmal mehr den großen und allumfassenden Schabernack in seinem »Königsprojekt«. Vielleicht handelt es sich dabei aber auch um eine dem Zeitgeist geschuldete Verschleierungstaktik, die seine bitterbösen Studien über Kirche, Dorfgemeinschaften und Monarchismus nicht allzu deutlich ins Licht stellen soll. Der Roman erschien 1974, nicht unbedingt die liberalste Zeit in der BRD.

Vielleicht stimmt aber auch die Vermutung, das mystische Ende sei Teil eines postmodernen Konzeptes, oder aber Amery hatte einfache keine Lust auf ein durchdachtes Hard-SF Finale. Die Idee gab dann eventuell auch einfach nicht mehr her.

Die Geister und Gemüter der Leserschaft werden sich daran scheiden: Meisterwerk oder große Enttäuschung, das muss man für sich selbst entscheiden.

 

Fazit:

»Das Königsprojekt« von Carl Amery ist nur vordergründig ein schräges Zeitreiseabenteuer. Hinter der amüsanten Idee eines bayrischen Stuartabkömmlings auf dem schottischen Thron, verbirgt sich ein zynischer Blick auf die Machenschaften der katholischen Kirche. Kein leicht zu konsumierendes oder leicht zu mögendes Buch, aber ein für Diskussionen sorgendes.

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Buch:

Das Königsprojekt

Autor: Carl Amery

Piper, 1974

gebundene Ausgabe, 357 Seiten

Collagen: Ise Biling

Cover: Gerhard M. Hotop

 

ISBN-10: 3492020747

ISBN-13: 978-3492020749

 

Erhältlich bei: Amazon

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Erstellt: 28.12.2017, zuletzt aktualisiert: 10.03.2024 18:58, 16344