Druckversion: Torpedo (Gesamtausgabe, Bd. 2)

Torpedo Gesamtausgabe Bd. 2

Rezension von Christian Endres

 

Enrique Sánches Abulís Torpedo ist einer der wenigen spanischen Comics aus den späten 1980ern, der sich auch außerhalb seines Entstehungslandes großer Beliebtheit und Popularität erfreut – was mit Sicherheit auch an seinem ebenso harten wie hartnäckigem Titelhelden Luca Torelli alias Torpedo liegt, der auch in im zweiten Band der fünfteiligen Gesamtausgabe bei Szenepublisher Cross Cult kein Blatt vor den Mund nimmt, keiner schönen Frau widerstehen kann und sich alles in allem immer wieder nur allzu bereitwillig als hausgemachter Schweinehund ohne Skrupel oder Moral entpuppt.

 

Es ist – im Großen wie im Kleinen – ganz schön harter Tobak, was Abulí seinen Lesern da vorsetzt: Ein fettiges, höllisch heißes Schnellimbiss-Menü aus einem von der Mafia beherrschten und dem Geld regierten New York der 1930er Jahre, das einem richtig schwer im Magen liegt. Dieses ab und an recht pulpige Gericht wird ohne Serviette, ohne Salat und ohne Diät-Cola serviert, sein kompromissloser Inhalt ohne Moral, sein Schwarzweiß-Artwork ohne Schnörkel. Amoralist Luca Torelli alias Torpedo bewegt sich in Abulís Konzept mit der Härte eines Mannes, der auf der Straße Tag für Tag ums Überleben kämpft und sich mit seinem Revolver zwischen Korruption und Prohibition zu behaupten versucht, während er ebenfalls alles daran setzt, hier und da ein Stück vom fetten Kuchen abzubekommen und seiner ureigenen Gier dafür notfalls auch durch ein Meer aus Blut und Blei folgt.

 

Die im zweiten Band versammelten Storys sind knallhart, zum Teil auch schonungslos brutal, ihre wenigen luftigen Ritzen irrsinnigerweise aber immer wieder gefüllt mit Zynismus und einem ganz eigenen, rabenschwarzen Humor. Es ist trotzdem nur allzu selten ein Zuckerschlecken, Torpedo durch seinen Alltag als bleischwerem Gangster und ruchlosem Auftragsmörder zu folgen – etwas vergnüglicher wird es dagegen, wenn der großmäulige Killer im Knast landet, trotz aller Schläue anderweitig von den Bullen einkassiert wird oder die »Praline« seines Auftraggebers flach legt. Ebenfalls recht schwer ist es, Torelli als sympathischen oder wenigstens noch raubeinigen Antihelden zu sehen – letztlich ist er nämlich nur ein mitleidloser, unbarmherziger, geldgieriger Drecksack, der weder vor Mord, noch vor Vergewaltigung zurück schreckt und sich, wann immer sich die passende Gelegenheit ergibt, nimmt, was das Leben ihm seiner Meinung nach auch freiwillig geben könnte. Einzig die Tatsache, dass er bei seinen Versuchen auch oft genug auf die Nase fällt – oder eins auf die Nase kriegt – machen die Lektüre von moralischer, von menschlicher Seite aus halbwegs erträglich.

 

Lässt man den zeigefingerschwenkenden Moralapostel aber Zuhause, kriegt man hier feinste, manchmal auch etwas trashige Mafia-Unterhaltung mit einem ausgeprägten Spritzer noir serviert – unverfälscht, hart und vor allem frei von einer wie auch immer gearteten Etikette, die den Comic vielleicht weichgespült haben könnte. Abulís Torpedo klebt auf jeder Seite der Schmutz von der Straße, der Dreck aus den Kneipen, das Blut der Kämpfe und Morde und der Pulvergeruch der Schießereien am Papier. Natürlich ist dieser Comic stellenweise arg überzeichnet und zuweilen gar verherrlichend gewalttätig – aber dennoch wirkt er immer wieder erschreckend authentisch. Sobald der Leser sich dies eingesteht, erklärt sich die Faszination hinter Torpedo fast von selbst: Luca Torelli ist kein Held – aber er wirkt durch und durch real, wie er so mit seinem Hut und seinem Schießeisen unter dem Hemd durch das New York aus dem Jahre 1936 zieht, betrügt, bestielt, mordet, flucht und beleidigt. Die Popkultur hat uns einfach gelehrt, solche plastischen Helden aus der Zeit der Syndikate und Al Capone als gegeben hinzunehmen und uns ihre Abenteuer in Film oder Literatur mit Staunen und einem grimmigen Funkeln in den Augen zu verfolgen ...

 

Nicht jede der unterschiedlich langen Episoden weiß vom Inhalt her vollauf zu überzeugen, doch hat der Band vor allem in den hinteren beiden Dritteln einige wirklich starke Geschichten auf Lager, die seine kleinen Startschwierigkeiten mehr als wett machen. Jordi Bernets Artwork weiß außerdem auf jeder Seite zu überzeugen und fängt auch eine etwas schwächere Story noch vor dem Aufprall am schmutzigen Boden der Gosse ab. Abulí und Bernet ergänzen sich die ganze Zeit über nahezu perfekt und liefern in diesem zweiten Band der Werkausgabe erneut ein Musterbeispiel für die kongeniale Zusammenarbeit zwischen Autor und Zeichner.

 

Fazit: Der zweite Band der Torpedo-Werkausgabe macht im Grunde genau dort weiter, wo der erste aufgehört hat – im Guten wie im Schlechten. Ein harter, schonungsloser comic noir, um das derzeit so beliebte Wörtchen in der Comicbranche auch an dieser Stelle noch einmal zu gebrauchen, angereichert mit stimmigen Schwarzweiß-Zeichnungen von einem Jordi Bernet in Höchstform, manchmal dann aber eben auch etwas zu viel Sex und Gewalt. Trotzdem ist dieser Torpedo wieder recht kurzweilig und vor allem ab dem zweiten Drittel des Bandes auch richtig unterhaltsam, ebenso wie er einmal mehr vom Papier bis zum Cover wunderschön aufgemacht und mit einigen netten redaktionellen Extras gespickt worden ist. Wer den ersten Band mochte, wird den zweiten lieben: noch eine Spur härter, noch eine Spur gemeiner, noch eine Spur zynischer – noch eine Spur mehr Torpedo.

 

 

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404250716107d5574a9

Comic:

Torpedo Bd. 2

Text: E. S. Abulí

Zeichnungen: Jordi Bernet

Verlag: Cross Cult

Hardcover, A5

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 3936480451,

Anzahl Seiten: 151

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, zuletzt aktualisiert: 28.12.2022 16:07