Druckversion: Die Weltenbaumler (Autor: Gerd Scherm)

Die Weltenbaumler von Gerd Scherm

Rezension von Diane Hegmann

 

Wieder einmal schickt GON – der kleine ‚Gott ohne Namen’- seinen Propheten Seshmosis in ein Abenteuer, das im weit entfernten Eisland stattfinden soll. Nur verständlich, dass Seshmosis, der gerade seine große Liebe Tani gefunden hat und in die Gilde der Schreiber aufgenommen werden will, mit diesem Vorschlag nicht besonders einverstanden ist. Aber es steht viel auf dem Spiel, denn das Leben von Seshmosis’ letzten Nachfahren ist in Gefahr. So landet der Schreiber mit seinen Tajarim, darunter der diebische Barsil, der sich den Zorn des Gottes Mot eingehandelt hat und von diesem verfolgt wird, auf Eisland, dem Land der Wikinger und nordischen Götter. Mehr ungewollt als beabsichtigt wird Seshmosis, der GON in einen Rucksack bei sich trägt, in die Konflikte der Asen und Wanen einbezogen und muss sich mit erfinderischen, aber gewissenlosen Zwergen, achtbeinigen Pferden, linkischen Göttern und kriegerischen Walküren herumschlagen, die alle ihr Augenmerk auf eines gerichtet haben; Ragnarök, das Schicksal der Götter. Nun, nicht alle: Während die Burgundern Siegfried, König Gunther und Hagen von Tronje nach der Suche der vermeintlichen Königin Eislands sind, boykottieren die mystischen Tiere Wallhalls ihre Arbeit und flüchten auf einen kleinen Bauernhof auf Eisland. Vor allem stellt sich die Frage, was die anderen Götter dazu sagen, wenn das Weltende einberufen wird, da laut Jahwe die Apokalypse noch gar nicht auf den Plan steht. Es herrscht ein heilloses Durcheinander in der Götterwelt, in Midgard, sowie außerhalb jener Orte irgendwo in der Galaxie, wo Odin und Jahwe miteinander streiten, wer nun das Weltende einberufen darf – und wann.

 

„Die Weltenbaumler“ ist der dritte Band der Nomadengott-Saga, aber ein Quereinstieg ist möglich, auch wenn einem dadurch eine bessere Vorstellung einzelner Charaktere fehlt. Der plötzliche Handlungsbeginn macht beim Nichtlesen der beiden vorigern Bänder den Einstieg nicht leichter – wie ich selbst feststellen musste. Das gesamte Buch ist nicht nur mit mythologischen Geschichten, Anspielungen und Charakteren geschmückt, sondern quillt davon geradezu über. Für vollkommen Unkundige der nordischen Mythologie gehen viele Dinge einfach unter – seien es Charakterzüge von einigen Göttern oder aber satirische Anspielungen. Von Letzterem findet man Haufenweise, darunter zum Beispiel die Sache, dass die beiden Wölfe Skali und Hati bemerken, dass sie nicht die Sonne über den Himmel jagen, sondern das diese von dem ägyptischen Käfer Chepre geschoben wird, was natürlich dazu führt, dass die beiden Wölfe arbeitslos sind, denn der Käfer ist laut der Weltgeschichte der Ältere von ihnen und hat damit das Vorrecht auf jene Arbeit.

Was passiert vor allem, wenn Odin und Jahwe, durch die Stimme Metatrons vertreten, miteinander verhandeln, wer denn nun das Ende der Welt bestimmen darf? Apokalypse oder Ragnarök?

Und da gibt es ja noch GON, dessen Macht soweit ist, wie er sehen kann – nur leider ist er kurzsichtig. Deshalb kümmert er sich auch mehr um seinen Propheten und seine Handvoll Gläubigen, um diese aber tüchtig.

 

Leser, die um die nordische Mythologie Bescheid wissen, sind bei dieser Lektüre klar im Vorteil. Ob das Buch selbst dann noch so urkomisch ist, wie es angepriesen wird, ist eine andere Sache, denn es finden einfach zu viele Handlungen parallel statt, als dass man sich auf Eine ernsthaft konzentrieren könnte. Das Fehlen genauerer Charakterbeschreibungen und die ständigen Ortswechsel machen die gesamte Geschichte eher zu einem Schnelldurchlauf denn zu einem lang anhaltenden Lesegenuss – und das hat nichts mit der Seitenzahl des Buches zu tun. Dem Leser wird nicht die Möglichkeit geboten nähere Hintergründe über die Charaktere zu erfahren. Vielleicht werden sie geboten, wenn man die Geschichte als dritten Band gelesen hat und nicht als Quereinstieg.

Der Anhang mit der alphabetischen Auflistung der Götter und Menschen ist sehr hilfreich, ich möchte beinahe behaupten, unerlässlich. Wenn die Ortswechsel, die häufig schon nach einer Seite wieder stattfinden, nicht mit so elendig vielen neuen Figuren geschmückt wären, wäre ein Nachschlagen sicherlich nicht so erforderlich, aber dennoch hilfreich. Man kommt nämlich nicht nur bei der Anzahl der Figuren durcheinander, sondern natürlich auch bei den unaussprechbaren Namen, die sich zum Teil nur durch ein oder zwei Buchstaben unterscheiden – eine Tatsache, die sich nicht ändern lässt, da nun mal die Namen der Gottheiten so sind.

 

Die Dialoge sind ein hilfreicher Hinweis darauf, wie genau die Figuren denn nun gestrickt sind, wenn es schon an einleitenden Worten fehlt. Sie geben Rückschluss auf die Beweggründe und Ziele der Personen, sind leider aber häufig zu kurz gehalten. Unglaubliche Dinge werden hingenommen, als seien sie das Normalste der Welt, was manches einfach unglaubwürdig macht. Verquere und skurrile Beziehungen und Machenschaften von Gottheiten sind ja bekannt, aber wenn die ‚einfachen’ Menschen nichts hinterfragen und solche Unglaublichkeiten gewohnt sind, wirkt das gesamte Geschehen wie ein schlecht durchdachtes Märchen.

 

Der Schreibstil ist flüssig und beruht auf einfachen Wortschatz. Wäre dem nicht so, ergäbe der Roman ein noch viel schleierhafterer Zusammenhang, als er beim Lesen schon erweckt wird. Handlungsstränge werden aufgegriffen, fallen gelassen, andere wiederum dafür aufgenommen usw. Dieser Eindruck wird noch dadurch gestärkt, dass der Spannungsaufbau mit abschließendem Höhepunkt fehlt. Zwar werden die Irrwege, durch die der Autor seinen Leser führt, zu einem mehr und mehr geraderen Pfad, aber dieser ist eben und ohne jedem Auf und Ab. Es erschwert den Umstand, das Buch überhaupt wieder in die Hände zu nehmen um es weiter zu lesen. Am Ende ist alles so, wie man es sich schon gedacht hat. Keine unerwarteten Ereignisse. Keine Kehrtwende. Einfach ein Abschluss eines Buches, dass zwar amüsanter als ein trockenes Sachbuch ist, letztendlich aber auch nicht mehr.

 

Fazit:

Ich habe die beiden vorigern Bücher nicht gelesen und kann daher nicht sagen, ob die mangelnde Charaktertiefe der Figuren nur in jener Geschichte vorkommt, oder ob sich der Autor in den anderen Bändern schon ausführlich dazu geäußert hat. Unkundigen der nordischen Mythologie kann ich das Buch nicht empfehlen, aber auch jenen nicht, die ein Buch wegen ihrer Spannung und Figurenkonstellation bzw. Charaktereigenschaften der Figuren wählen. An einigen Stellen ist es durchaus lustig und ich persönlich finde den Gedanken sehr amüsant, dass alle Götter existieren und um den Glauben der Menschen wetteifern oder miteinander diskutieren. Man lernt durchaus einiges über die Götterwelt und deren Namen bleiben sicherlich im Gedächtnis, wer aber nach einer spannenden, fließenden und facettenreichen Geschichte sucht, wird sie zwischen diesen Seiten nicht finden.

 

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024042512052776202d54

Die Weltenbaumler

Autor: Gerd Scherm

Broschierte Ausgabe, Format 18,6 x 11,8 x 3,2 cm

Seitenzahl: 395

Verlag: Wilhelm Heyne Verlag München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, 06/2008

Umschlaggestaltung: Animagic, Bielefeld

Umschlagillustration: Dirk Schulz

ISBN-10: 3453523997

ISBN-13: 978-3453523999

Erhältlich bei: Amazon

, zuletzt aktualisiert: 25.03.2024 16:30