Kalte Krieger von Thomas Plischke
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
In Portland verschwindet eine junge Frau spurlos, Menschen erfrieren im Hochsommer als die Psychologiestudentin Amy Marsden dort ihr Pflichtpraktikum absolvieren will, gerät sie in eine Verschwörung von unüberschaubarem Ausmaß...
Rezension:
Thomas Plischke versprach in seinem Blog bereits im Vorfeld eine ganze Menge Spannung für sein neues Buch, das zwar in den Gefilden der Phantastik bleibt, jedoch keine Fantasy darstellt, sondern eher eine Art Superhelden-Thriller sein will.
Aufgrund der Handlungsebene die in 1999 spielt musste sich der Autor nach eigenen Angaben tief in das Alltagsleben von Jugendlichen dazumal zurück erinnern. So begegnen wir einer Zeit, in der die Kids noch nicht per SMS und Facebook lebten - allein dafür schon mal herzlichen Dank an den Autor.
Gerade die Gegenüberstellung der sich abwechselnden Zeitebenen generiert immer wieder spontane Momente des Erfreuens oder auch Erschauderns.
Aber zum Inhalt.
Amy Marsden nutzt die Zeit eines Praktikums um einer Beziehungskrise zu entkommen. Doch die Praxis des Therapeuten Michael Beaumont ist alles andere als gewöhnlich. Amy wird Zeugin einer seltsamen Therapie an einer verzweifelten Mutter und darf anschließend ihren neuen Chef zu einer Leiche begleiten. Von da an nehmen die seltsamen Ereignisse einen schnellen Lauf, die sich Stück für Stück durch Rätsel und Geheimnisse zu einem doppelten Finale steigern.
Zunächst unabhängig davon, blendet die Handlung regelmäßig in die zehn Jahre entfernte Vergangenheit um. Wir begleiten ein junges Mädchen, dessen Eltern sich scheiden lassen wollen und Nina für diese Zeit in ein Sommercamp stecken, das nicht allein wegen der Stacheldrahtumzäumung beunruhigend wirkt. Erscheinen die Probleme des Mädchens zunächst recht Teenager typisch, beginnen auch hier die Figuren in einer dramatischen Verquickung einem Höhepunkt zuzustreben, dem eine gruselige Mischung aus Ferienlagerstimmung und Erziehungscamp anhaftet.
Das Superhelden-Thema kommt, wenn man von den Comic-Referenzen absieht, erst zum Ende des Buches hin zum Tragen. Davor reißt der Autor seinen Leser durch eine überzeugende Krimi-Landschaft, die ihr besonderes Flair dadurch entwickelt, dass der Leser durch die Flashbacks langsam aber sicher über mehr Informationen oder auch nur Ahnungen verfügt, als Amy. Die Bindung an zwei Figuren, deren Suche man miterlebt, gelingt Plischke großartig. Auch der Unterschied zwischen pubertierendem Girl und der jungen, emanzipierten Frau wird deutlich und überzeugend herausgearbeitet. Mit Genuss verfolgt man die stilsicheren Dialoge und staunt über die Leichtigkeit mit der Plischke seine Schauplätze sichtbar macht. Darüber hinaus erzählt er nicht ohne Witz und gewährt seinen Figuren immer wieder kleine private Momente, in denen sie sympathische Schwächen und Fehler offenbaren.
Das trifft so auf den Bösewicht leider nicht zu, der doch recht schnell zu identifizieren ist und sich auf Standardbösewichtekonzepte zurückführen lässt, wie auch der eigentliche Hintergrundplot. Das Buch endet quasi genau da, wo die Superheldenproblematik spannend wird. Was passiert mit den "netten" Leuten nach der Enthüllung?
Ein anderes Manko sollte Piper unbedingt für Nachdrucke beseitigen. Dreimal werden Amy und Nina im Text verwechselt, das ist ein bisschen zu oft.
Dennoch bietet der Roman mehr als anständige Unterhaltung, er fasziniert.
Gelungen ist die Covergestaltung, die nicht nur zum Inhalt passt, sondern auch das Phantastische des Thrillers betont und mit einer geisterhaften Traurigkeit mischt, die den Grundton des Romans bildet.
Fazit:
Rasante Story, fein ziselierte Hauptfiguren und eine scharfsinnige Darstellung von Gegenwart und naher Vergangenheit verbindet Thomas Plischke in diesem phantastischen Thriller. Amüsant und unterhaltsam jongliert er mit bekannten Verschwörungstheorien ebenso wie mit Pubertät, Superkräften und den großen Gefühlen.
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