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Das letzte Einhorn von Peter S. Beagle

Eine Betrachtung von Julia

 

 

Die Werbeindustrie hat schon lange erkannt, dass sich fantasylastige Themen und Figuren besonders gut an Kinder und gelegentlich auch noch an Jugendliche verkaufen lassen. Offensichtlich ist das neuerdings wieder an dem Prinzessin Lillifee-Hype festzumachen. Die Kinderzimmer werden rosa, viele Eltern müssen mit ihren Sprösslingen in den gleichnamigen Kinofilm, der jetzt anläuft und zum Geburtstag landen die ganzen Merchandising-Produkte auf dem Gabentisch.

So neu ist das Thema jedoch gar nicht, wenn wir nur ein paar Jahre zurückgehen, stoßen wir auf die Pokémon, eine Art Mini-Monster, die man einfangen und mit denen man Kämpfe bestreiten kann. Noch früher brach ein regelrechter Sailor Moon-Hype aus. Die Reinkarnation einer Mondprinzessin, die für Gerechtigkeit und Liebe kämpfte löste unter den Mädchen zwischen 6 und 16 einen regelrechten Wahn aus, den ich persönlich bisher nicht wieder in diesem Ausmaß erlebt habe. Das sind die großen fantasylastigen Ereignisse meiner Jugend, doch meine Liebe zur Fantasy ging mit einem ganz besonderen Ereignis einher.

Für viele Menschen gibt es einen bestimmten Wendepunkt im Leben, im dem auch Weichen gestellt werden. Ich mache diese Wendepunkte an Büchern und Filmen fest. Bücher wie Märchenmond von Wolfgang Hohlbein oder Grimms gesammelte Märchen und Filme wie Disneys Die Schöne und das Biest oder Arielle. Diese Filme und Bücher haben mich nachhaltig auf den Weg der Fantasy gebracht und mich auch dort gehalten, gleichgültig wie viele Brigitte Blobel Bücher ich in meiner Jugend gelesen habe. Auslöser für meine Liebe zur Fantasy war jedoch ein anderer Film: Das letzte Einhorn.

Der Zeichentrickfilm wurde 1982 entworfen und war von Anfang an ein Erfolg, wenn auch viele kritische Stimmen laut wurden. Ein Einhorn, das schön, edel und zu sehr Einhorn ist, um die überschäumenden und lebendigen Gefühle der Menschen zu begreifen, muss erfahren, das es das letzte ist. König Haggard hat alle Einhörner der Welt mithilfe eines roten Stiers zusammen- und in das Meer getrieben. Sie trauen sich nicht mehr heraus, da der rote Stier wachsam ist und keines entkommen lässt. Nun erfreut sich Haggard täglich an dem Anblick der gehörnten Fabelwesen, die das einzige sind, was ihn glücklich macht. Das Einhorn des Waldes nun kann nicht daran glauben, das es das letzte sein soll und macht sich auf den Weg, um die anderen zu finden. Es wird mit Menschen konfrontiert, die nicht mehr an das Übernatürliche glauben, sondern viel zu sehr in ihrer Realität gefangen sind und schöpft daraus doch Hoffnung. „Ich habe vergessen, dass Menschen Einhörner nicht sehen können. Wenn die Menschen nicht mehr wissen, was sie sehen, dann gibt es vielleicht doch noch andere Einhörner auf dieser Welt. Unerkannt und froh darüber.“

Das Einhorn wird von einer alten Hexe gefangen genommen und in ihrem Zirkus ausgestellt. Sie zaubert ein künstliches Horn herbei, damit die Menschen das Einhorn als solches erkennen. Schmendrick braucht das zweite Horn nicht, um zu sehen. Er ist ein Zauberer, beziehungsweise wäre es gerne, kann mit seinen Kräften aber weder umgehen, noch sie herbeirufen, wann immer er es möchte. Er verhilft dem Einhorn zur Flucht, das jedoch lässt auch alle anderen Tiere frei, darunter eine Harpyie.

Wenig später wird Schmendrick von einer Räuberbande entdeckt, er zaubert für sie Robin Hood herbei und lenkt damit die Aufmerksamkeit von Molly Grue auf sich, der Frau des Anführers. Sie sieht auch das Einhorn und erkennt es. Zu tief ist der Wunsch in ihr verwurzelt, eines zu sehen, zu berühren und doch kann sie dem Geschöpf im ersten Moment nur Verbitterung entgegenbringen. „Wo bist du gewesen. (...)Warum kommst du erst jetzt, wo ich DAS bin“. Auch sie schließt sich der kleinen Gruppe an, nicht fähig, das Einhorn wieder zu verlassen.

Gemeinsam setzen sie ihren Weg fort und kurz vor dem Ziel, taucht der rote Stier auf und besiegt das Einhorn, treibt es fort. Schmendrick lässt seine Magie frei und verwandelt das Wesen in einen Menschen. Amalthea ist in einer menschlichen Gestalt vor dem Stier sicher und kann sich dem König nähern, hat jedoch Angst vor ihrem neuen Körper „Ich kann spüren, wie er um mich herum zerfällt und stirbt“. Auf dem Schloss selbst lebt nicht nur der einsame König, sondern auch dessen Adoptivsohn Lir. Im Film ist er ein großer und hagerer Bursche, im Buch klein und dick, weit entfernt von der Perfektion des Einhorns. Durch die Liebe, die er zu Amalthea entwickelt und die sie langsam aber sicher erwidert, wird er zu einem mutigen Mann, der ihr Drachenköpfe vor die Füße legt und letztendlich bereit ist ihr zu helfen, auch dann, als er erfährt, was sie ist. Er wird zu einem Helden. Im Buch heißt es sehr schön „Die Menschen brauchen Helden, die sie aus ihren Nöten befreien oder sie diese vergessen lassen. Um ein Korn von Wahrheit herum bildet sich eine Legende, wie bei einer Perle“.

Natürlich kann das Einhorn den Stier besiegen, jedoch nur in seiner ursprünglichen Gestalt. Lady Amalthea ist auf immer verloren. Die Momente wie „Ich bin kein Einhorn, kein magisches Geschöpf. Ich bin ein Mensch und ich liebe dich“ sind vorüber und Lir ebenso einsam wie das Fabelwesen, das sich jedoch noch immer an die Gefühle und an ihren Prinzen erinnern kann. Schmendrick meint dazu „Sie wird sich an dein Herz erinnern, wenn Menschen Märchen sind, in Büchern, geschrieben von Kaninchen“. Sie wird ihn weiter lieben, auch wenn das nicht mehr auf menschlicher Ebene geschehen kann.

Das Buch unterscheidet sich hauptsächlich durch seine recht philosophische Seite von dem Film, der dann doch kommerzialisiert wurde. Lir ist von Anfang an ein Held. Der große Perfektion und nicht Perfektionsgedanke kommt nicht auf und auch das kritische Bild der Menschen oder die ironischen Momente wurden nicht verarbeitet. Der Film ist und bleibt dennoch wunderschön und wird sicherlich noch viele Kinder und auch Erwachsene begeistern, aber das Buch ist noch ein klein wenig besser, weil mehr hinter der Geschichte steckt als ein Einhorn, das seine Gefährten retten möchte. Ich finde es noch immer schade, dass so wenige Menschen dieses Buch gelesen haben oder auch nur daran denken danach zu greifen. Es sollte aus seinem Schattendasein herauskommen, verdient hätte es das. Ich habe es als Kind, als Jugendliche und als Erwachsene gelesen und immer hat es mir mehr und etwas anderes gegeben, da man gemeinsam mit ihm wachsen und immer neue Kleinigkeiten entdecken kann.

Was ich zufälligerweise entdeckt habe: Es gibt seit diesem Monat eine Neuauflage des Buches im Klett-Cotta Verlag, in dem sogar die Fortsetzung der Geschichte abgedruckt wurde, von der ich selbst nichts wusste. Ich freue mich sehr auf das Buch und bin wirklich gespannt, wie der Autor die Geschichte fortführen möchte. Dabei sagte Schmendrick auf den letzten Seiten ja ausdrücklich „Es gibt kein glückliches Ende, denn es endet nichts“.

 

„Du und ich, wir befinden uns mitten in einem Märchen und müssen gehen, wohin es führt. Das Einhorn aber ist Wirklichkeit. Es ist Wirklichkeit“.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240417001239dc0af5c0
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Buch:

Das letzte Einhorn

Autor: Peter S. Beagle

Sprecher: Andreas Fröhlich Der Hörverlag, Februar 2009

Ungang: 7 CDs

Dauer: 503 Minuten

 

ISBN-10: 3867173508

ISBN-13: 978-3867173506

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 30.03.2009, zuletzt aktualisiert: 07.02.2022 19:14, 8491