Artikel: Die Hörspiel 2009 - Ein Messebericht
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Die Hörspiel 2009

Die Rückkehr der Kassettenkinder


Ein Bericht von Oliver Kotowski und Ralf Steinberg


Nachdem Oliver letztes Jahr so von der Hörspiel 2008 schwärmte, packte ich diesmal die hörspielbegeisterte Familie ins Auto und fuhr nach Hamburg, denn dort im Hühnerposten fand am Samstag, dem 13.06. 2009 die Hörspiel 2009 statt. Thema: Die Rückkehr der Kassettenkinder




Trotz heftiger Eintrittspreise war die Messe von Beginn an sehr gut gefüllt, deutlich mehr Fans als etwa beim BuCon. (Eigentlich ist es ja unstatthaft, dass ich mich jetzt schon melde, da Ralf mich, also Oliver, ja erst später treffen wird, aber darüber ignoriere ich mal hinweg. Ich hatte den Eindruck, dass dieses Mal deutlich mehr Besucher da waren als letztes Mal: Es werden (nicht von mir) zwischen 2.500 – 3.500 geschätzt, was etwa zwei bis dreimal so viele Besucher wie letztes Jahr wären. Außerdem war ich einmal mehr überrascht, wie gemischt das Publikum war: Vom Punker-Mädchen, über sportlich-leger oder freizeitlich Gekleidete bis hin zum eleganten Chic war alles dabei. Allerdings schienen mir – im Verhältnis – weniger Kinder da gewesen zu sein. Dann wiederum habe ich mich auch nicht bei den "Kids" aufgehalten.) Dabei war der eigentliche Messebereich überschaubar. Es gab neben einem Verkaufsstand von Pop.de hauptsächlich Ministände diverser Kleinverlage, lediglich Europa war von den Majors anzutreffen.


Weder Universal Music, noch Lübbe oder Random House traute sich nach Hamburg. Aber auch den dhv und Hörbuch Hambuch vermisste ich. Nur Argon vertrat den reinen Hörbuchverlagsbereich, soweit ich das an den Ständen erkennen konnte. (Es waren allerdings noch einige der Vermissten "Inkognito", also privat, da – nun kenne ich die aber nicht persönlich und kann daher auch nicht sagen, wer wirklich fehlte und wer nicht.)



Dafür aber boten die Anwesenden ihre Produkte meist mit viel Enthusiasmus und Begeisterung dar.

Im Zentrum des Geschehens aber standen die Programme auf drei Bühnen. So gab es im Kidsbereich diverse Vorstellungen für Kinder, die Größeren hatten eine eigene live-Bühne und nicht minder gut besucht zeigte sich die Talkbühne.

 

Interessant war ein kurzes Gespräch mit den Jungs vom SF Radio, die meiner Frau erzählten, was sie so umtreibt und warum man ihre Seite unbedingt besuchen sollte: Etliche Eigenproduktionen harren dort ihrer Hörer.


Die Programmpunkte wurden allesamt kurz gehalten, so dass man jede halbe Stunde etwas Neues entdecken oder zwischendurch an den Ständen nach spannendem Hörstoff fahnden konnte. So etwa die Karl May Hörspiele von Meike Anders, würdig präsentiert im Indianer-Look.


Viele deckten sich auch mit den Schnäppchen von Pop.de ein.


 

Nach einem Besuch der Kinder-Bühne mit Andi Meisfeld

zogen wir zu Larry Brent, dessen Abenteuer vor der Rekrutierung zum X-Ray-3 der Sprecher Rainer Schmidt souverän und mit Humor inszenierte. Eine lose Blatt Sammlung ist für jeden Sprecher eine Herausforderung, wenn sie durcheinander gerät.


Obwohl Larry Brent eine der erfolgreichsten Erwachsenen-Serien der 80er ist, fanden auch meine Jungs die Serie cool, tatsächlich sogar spannender als Geschichten über Ameisen.

(Ich habe mir unterdessen Independent-Label im Gespräch angehört; wie letztes Jahr hatte Günter Merlau die Tonangebenden Menschen einiger der kleinen Labels interviewt. Dieses Mal waren Mario Cuneo (Delicious Media Production), Sven Schreivogel (nocturna entertainment), Maraike Möller (Hörfabrik), Joachim Otto (Romantruhe) und Sven Matthias (Hörspielprojekt) da.)


Im Talkbereich konnte ich noch kurz in ein Gespräch zwischen Günter Merlau und Echo-Gewinner Martin Bentz zum Hamburger Hörspiel-Orchester reinhören, bevor ich mich mit Kaffee ankurbeln musste. (Merlau und Bentz haben beide einen Hintergrund mit klassischer Musik; die beiden wollen ein Hörspiel-Orchester aufbauen, das dann für alle Labels zur Verfügung stehen soll. Mir gefällt die Idee, häufiger auf das jeweilige Hörspiel zugeschnittene Musik zu hören als immer dieselben Konserven aus der Tonbibliothek.

Während die Familie zum Lego-Laden und Mittagessen in die Innenstadt zog, ließ ich mich von Cungerlan, der Hörspielserie von Frank-Michael Rost basierend auf Figuren und Geschichten von Jerry Marcs einfangen. Die witzige und sehr gut performte Lesung von Josef Tratnik als Erzähler, Heiko Obermöller als Russel Lighthunter und Tom Jacobs als Tarwilder machte mich zum Fan und Folge 0 wanderte wenige Zeit später in meinen Einkaufsbeutel.

(Etwa zu dieser Zeit habe ich mir Outtakes – die lustigsten Hörproben Deutschlands angehört. Die wurden dieses Mal von Anne Künstler statt von René Wagner präsentiert, da dieser entweder selbst krank war oder sich um seine kranke Frau kümmern musste, da habe ich Widersprüchliches gehört. Gleichwie. Neben einigen Klassikern – John Sinclair et. al. – gab es einiges von der Tagesschau und als abschließenden Höhepunkt ein sehr bizarres Gespräch zwischen einer NDR-Moderatorin und Günter Thiel anlässlich des Investitionsstopps für die PIN Group. Der Interviewte war erstaunlich gelassen und uninformiert, während die Moderatorin zunehmend irritierter wurde – "Ist es ihnen denn völlig gleich, dass 9.000 Angestellte auf der Straße landen?" – "Ich kenn' die doch gar nicht!" Die Auflösung war dann wirklich großartig: Die Redaktion hatte die Nummer eines anderen Günter Thiel herausgesucht – man soll halt die Arbeit von Redakteuren nicht den Praktikanten überlassen. Eine urkomische Veranstaltung!)

 

Neben Lars Peter Lüg

entdeckte ich auch Oliver im Gewühl (Na, Ralf, wenn du mich entdeckt hast, hast du das aber gut überspielen können ;-) ), zu dem ich dann auch später in die Talk-Lounge zog, um eine unterhaltsame Gesprächsrunde zum Thema Lieblingshörspiele zu erleben, die der sympathische Wolfgang Bahro charmant moderierte.

Es zeigte sich erneut, wie stark verankert bestimmte Hörspielserien in den Kindheitserinnerungen ganzer Generationen sind. (Nova Meierhenrich war dabei. Die Schauspielerin ist ein großer Fan der Drei Fragezeichen – sie berichtete vom Riesenvergnügen, das ihr die Mitarbeit an der Folge Feuermond bereitete. Ich hatte sie zuvor noch nicht gesehen – die Frau sieht aus als hätte sie dieses Jahr Abitur gemacht. Als sie dann davon sprach, ein typisches Kassettenkind der 70er zu sein, war ich überaus überrascht.)

Ob es die Drei Fragezeichen, Hui Buh oder Pumuckel sind, die Liebe zu den alten Reihen bestimmen auch heute nach die Hörgewohnheiten der Fans, auch von Prominenten, egal, ob sie beruflich mit Hörspielen zu tun haben oder nicht. Als DDR-Kind hab ich da wirklich was verpasst. Außer Märchen und dem Traumzauberbaum gab es bei uns nichts vergleichbares, von dem ich wüsste. (Und ihr hattet nicht Mopsy Mops – frag mal Kalkofe, welche Schäden das bei unreifen Geistern hinterlassen kann.) Umso schöner, dass meine Kinder diese ganze Welt nun entdecken können, egal ob es Star Wars Hörspiele, die Drei Fragezeichen oder Point Whitmark sind.

 

Auf der Live-Bühne gab es danach eine Vorstellung von TINO.15, einem Fanprojekt zu den Drei Fragezeichen, die meine Familie bis zum Ende verfolgte,

während ich wieder zur Talk-Bühne hetzte, da dort eine weitere illustre Runde zusammentrat, diesmal unter der fordernden Moderation von Günter Merlau. So erfuhr man im sehr überfüllten Raum diverse Hörabenteuer von Oliver Kalkofe, Hennes Bender, Tetje Mierendorf und Wolfgang Bahro. (Es war zu hören, dass Kalkofe ein verhinderter Regisseur ist und in seiner Zeit als Radio-Moderator allerlei Mini-Hörspiele auf den Weg brachte, die in dieser Form – nicht-kommerziell ausgerichtet und dennoch mit den (großzügigen) Mitteln der öffentlich-rechtlichen Radio-Sender produziert – nicht mehr möglich sind. Ach, wie schade, dass es Onkel Hottes Märchenstunde nicht mehr gibt!)




Danach bestürmten meine Jungs noch Hennes Bender, da er in den Star Wars Hörspielen die Kampfdroiden spricht, was sie mächtig beeindruckte, auch wenn er nicht R2D2 imitieren konnte.

Für uns leider schon der Abschluss des Abends, da der Heimweg rief und die Familie auch schon Ermüdungserscheinungen zeigte (der Lego-Laden wurde mir aber noch begeistert gezeigt).

Auf dem Weg nach draußen allerdings entdeckte ich noch Michael Koser, dem Star meiner Jugend, dessen Serien VanDusen und Jonas ich im Rias verfolgte, so oft es ging.

 

Oliver berichtet, wie toll es danach noch wurde.

 

Also, Ralf & Familie mussten leider los und ich verzichte von jetzt an auf Klammer und Kursive (natürlich nur soweit es mir möglich ist …).

Jetzt kamen die Höhepunkte auf die Bühne – je später der, hm, Tag, desto höher die Punkte, könnte man sagen: Vormittags waren die Veranstaltungen eher nett, aber belanglos, nachmittags wurde es dann schon spaßiger – sieht man von oben erwähnten Outtakes ab, die sehr komisch waren, doch ab den Vorabend (mit 16:30 von mir eher früh angesetzt) ging es dann richtig los.

 

Es begann mit dem WDR mediagroup-Talk: Esther-Maria Roos interviewte Sven Stricker, den Regisseur des gerade mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichneten Hörspiels Herr Lehmann. Ihre Fragen waren klug und auf den Punkt – da kamen wirklich Informationen rüber. Wir erfuhren einiges über Strickers Handhaben der verschiedenen Handlungsebenen – normale Rede der Figur, innerer Monolog und Erzähler – die nach ihm besonders im Hörspiel sehr natürlich zu verwenden seien. Auch die ausgewählten Auszüge aus dem Hörspiel haben mich überzeugt – sie sind sehr komisch, pointiert und wirken sehr authentisch, was an den Geräuschen und Musiken liegen mag, die nicht aus der Tonbibliothek stammen, sondern eigens für das Hörspiel produziert wurden.

Leider waren sehr wenige Zuhörer anwesend – ich gewann den Eindruck, als wenn diese Veranstaltung nicht ganz zu den anderen passte, was ich sehr bedauerlich finde, denn es war meines Erachtens die informativste Veranstaltung und keineswegs langweilig. Ohne das eine gegen das andere ausspielen zu wollen, wünschte ich mir mehr davon.

 

Dann wurde es richtig LAUT: Hellboy liveTilo Schmitz, Helmut Krauss, Simona Pahl, Robert Schlunze, Robert Missler und Kurt Glockzin haben eine gekürztes Mini-Fassung von Ghost, der sechsten Hellboy-Folge, aufgeführt. Hat mir gut gefallen: Wenn ich wieder zu Geld komme, werde ich mir nicht nur Herr Lehmann kaufen, sondern auch nach Hellboy Ausschau halten.

 

 

Darauf folgte langes Warten, weil hoch komplizierte Technik aufgebaut werden musste – Papierplakate zum Abreißen (ähnlich wie die Kalendarium als Abrissblock) etc. Da ich aber einen Sitzplatz hatte – einen schlechten, aber immerhin – blieb ich einfach sitzen; vielleicht nicht die klügste Idee, wie sich später zeigen sollte. Mit einiger Verspätung trat dann das Vollplaybacktheater (SupaKnut, Sven Blievernicht und Christoph Landwehr) mit drei Stücken auf, deren bestes jedoch ganz absolut und völlig total die Montagsmaler from Hell waren. Knut und Sven gaben die zombifizierten technischen Hilfskräfte und Christoph den Geisterjäger: John Sinclair himself. Bei dem Spiel sind drei prominente Gäste - Oliver Kalkofe, Hennes Bender und Janet Sunjic –

gegen drei Gäste aus dem Publikum angetreten (deren Namen ich mir peinlicherweise nicht gemerkt habe; wenn einer der mir begegnen sollte, darf er mir vor's Schienbein treten). Zunächst war es einfach, da waren nach den Regel der Montagsmaler Begriffe aus dem Umfeld der Geisterjagd zu erraten, doch in der zweiten Runde kam eine Schikane hinzu: Die Rater mussten aus einem Helium-John-Sinclair-Luftballon (nun, was) Helium atmen und durften erst dann ihren Tipp abgeben. Hier entspann sich ein packendes Duell zwischen Oliver Kalkofe und dem (vielleicht zehnjährigen) Publikumsgast im Verbrauch von Helium-Ballons und richtig abgegebenen Tipps. Doch dekadenlanges Training setzte sich gegen das junge Talent durch – die Promis haben gewonnen. Nebenbei haben wir Benders Helium-Navigationsgerät-Imitation zu hören bekommen und es wurde geklärt, was der Sohn des Lichts drunter trägt – hier ein Lovecraft-Zitat: "Es gibt Dinge, die der Menschheit verborgen bleiben sollten!"

 

Dann ging's zur Preisverleihung des Hörspielers, einem neuen Preis, der an, nun ja, Menschen verliehen wird, die sich um das Medium Hörspiel verdient gemacht haben. Dieses Mal wurden fünf Hörspieler verliehen. Ausgezeichnet wurden: Das Vollplaybacktheater, Sven Stricker, Hella Fitzen, Hennes Bender und H. G. Francis – vor allem Hennes Bender schien wirklich gerührt zu sein.

Zum Abschluss folgte noch das Life-Hörspiel Jason Lutz – Die Rückkehr der Rache des Dr. Schnitzel, auf das ich mich sehr gefreut hatte. Da ich aber vom bekloppten Sitzen & Warten auf das Vollplaybacktheater mittlerweile ziemliche Hüftschmerzen bekommen hatte (ist halt nix, wenn man alt wird, nä), habe ich mich auf dem Weg nach Hause gemacht. Mir hat es jedenfalls wieder Riesenspaß gebracht. Ich will versuchen auch nächstes Jahr wieder dabei zu sein, auch wenn ich dann alles anders improvisieren will.

 

 

Nachtrag vom 02.07.2009

 

Zur Anwesenheit verschiedener Verlage und Vertreiber gab es einige Rückläufe.

So wies Eva Koelle darauf hin:

"...sowohl Universal, als auch Eichborn, Jumbo, Oetinger mit Ständen vertreten

waren. DHV und Hörbuch HH waren mit Einzeltitelanmeldungen vertreten."

 

Vielleicht sollten die Übersehenen im nächsten Jahr ihre Logos auffälliger platzieren oder mehr für ihre Produkte tun, als sie in Pappaufstellern einzuräumen.

 

Ralf Steinberg

Nach oben

Ältere Kommentare:

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240420022727d05c0111
Platzhalter

Weitere Infos:


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 17.06.2009, zuletzt aktualisiert: 07.02.2022 19:14, 8881