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Fanzines – Als kreative Kommunikation noch analog war …

Ein nostalgischer Rückblick

 

Redakteurin: Christel Scheja

Das Wort Fanzine setzt sich zusammen aus den englischen Begriffen Fan und Magazine. Es beschreibt damit Zeitschrift die von Fans für andere Fans gemacht wurde und einen ganz unterschiedlichen Inhalt haben kann, je nach dem zentralen Thema oder dem persönlichen Hintergrund der Macher.

Aber allen Heften – egal ob semiprofessionell im Offset- oder Digitaldruck erstellt oder aus zusammengehefteten Kopien bestehend - ist gemeinsam, dass sie aus unkommerziellen Beweggründen erstellt wurden und nur zum Selbstkostenpreis verkauft werden.

 

Wie alles begann

Wann und wie die ersten Fanzines genau aufkamen, liegt heute im Dunklen und ist mir auch nicht bekannt. Aber man kann davon ausgehen, dass sie sich aus den Kirchengemeinden und regelmäßigen Informationsbriefen von Vereinen entwickelten, die die Mitglieder über wichtige Termine und Jubiläen informieren sollten. Warum, müssen sich einige überlegt haben, machen wir das nicht auch für unsere Gemeinschaft?


Infobriefe, auf Neudeutsch Newsletter wurden immens wichtig, wenn Clubs ihre Aktivitäten überregional ausweiteten und die Nachrichten oder Neuigkeiten nicht mehr durch Mundpropaganda von einem Mitglied zum anderen weitergegeben werden konnten. Sie boten neben den oft nur jährlich anberaumten Treffen die einzige Plattform zur gemeinsamen Kommunikation, die in Artikeln und Berichten, aber auch in Leserbriefen zum Ausdruck kam.

 

Fanzines entwickelten sich bis in die 1980er Jahre hinein in allen Bereichen des Freizeitvergnügens. Fanclubs von Sportvereinen oder Popstars und Musikgruppen boten neben vielen News auch Klatsch, Tratsch und natürlich (Konzert-/spiel-/Freizeit-)Fotos der umjubelten Persönlichkeiten und Teams. In anderen Heften fachsimpelte man gerne schon einmal über Oldtimer, Motorräder, Sammelleidenschaften, übersinnliche Phänomene oder Ufos.

 

Auch in der phantastischen Szene gehörten Fanzines schon früh dazu, da es nicht immer leicht war, Gleichgesinnte in der selben Stadt oder Region zu finden. Gerade in den überregionalen Clubs dienten sie dazu, die über die ganze Republik verstreuten Fans mit News auf dem Laufenden zu halten, Kontakte zu schaffen, Empfehlungen auszusprechen und schließlich auch die kreativen Werke der Mitglieder zu präsentieren.


Nur die großen Clubs konnten sich damals den teuren Druck ihrer Printwerke leisten. Wer kostengünstiger arbeiten wollte hatte nur wenige Möglichkeiten, da die ersten Kopien noch sehr teuer und von minderer Qualität waren.

Einige organisierten sich eine ausrangierte Maschine um Matrizen zu vervielfältigen (die vielleicht über 35-jährige noch aus ihrer Schulzeit kennen, inklusive des unvergesslichen Geruchs) und riskierten es bei den Drucksessions, sich mit den beim Fertigungsprozess austretenden Alkoholdünsten zu vergiften oder zumindest dadurch regelrecht betrunken zu werden. Werner Kurt Giesa, Autor von Professor Zamorra und seine Freunde erstellten so ihre ganz persönlichen Heftromanserien.

 

Die Texte wurden mittels mechanischer Schreibmaschine auf die Blätter getippt, Bilder per Klebelayout hinzugefügt, oder manchmal auch gleich dazu gezeichnet. Korrekturen waren schwierig, denn gerade der Matrizendruck verzieh keinen Tippfehler und auch das später aufkommende Tipp-Ex konnte nicht alles kaschieren. Wollte man eine Überschrift etwas anders gestalten, benutzte man Rubbelbuchstaben, die es in allen möglichen Schriftarten gab – ebenso wie für die Seitenzahlen.


Die Blütezeit

In den 1980er Jahren wurden Kopien durch die fortschreitende Technik billiger und qualitativ hochwertiger. Copyshops schossen wie Pilze gerade in den Universitätsstädten aus dem Boden und ermöglichten es durch Rabatte, auch große Mengen von Heften zu erstellen und preisgünstig zu verkaufen.

 

Auch als der Computer Einzug in die Szene hielt, blieb das Klebelayout noch erhalten, da die ersten Textprogramme nicht viel mehr konnten als Speicherschreibmaschinen mit einer oder mehreren Zeile Speichervorlauf und die Neun- oder Vierundzwanzig-Nadel-Drucker das Abbilden von Graphiken unmöglich machten.

Erst Anfang bis Mitte der 1990er Jahre stiegen viele Fans darauf um, ihre Hefte vollkommen digital zu erstellen und mittels Pagemaker die entsprechenden Druckvorlagen für den Copyshop auszudrucken.

 

Letztendlich kann man die die Zeit zwischen 1985 und 1995 als Hochzeit der Fanzines in der phantastischen Szene betrachten. Clubs beschränkten sich nicht nur auf ihre regelmäßigen Newsletter, sie gaben vermehrt auch Hefte heraus, in denen die kreativen Werke der Mitglieder das Hauptaugenmerk waren.

Viele heute erfolgreiche Autoren wie zum Beispiel Kai Meyer präsentierten ihre ersten Werke vor der Öffentlichkeit in solchen Heften und ernteten dafür Lob und/oder Kritik, lernten herauszufinden, wie sie ihre Leser am Besten erreichen konnten und sich weiter zu verbessern. Denn wer sich äußerte, der tat es ausführlich.


Das Science Fiction Fandom setzte schon sehr früh auf Klasse statt Masse und präsentierte lieber weniger, dafür aber optisch hochwertige Hefte mit einem Inhalt, der in ihren Augen formal semiprofessionell war und somit auch höheren literarischen und künstlerischen Ansprüchen genügte, was nicht immer bedeutete, dass die Texte und Zeichnungen wirklich professionellen, das heißt marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten genügten.

Die meist nur viertel- oder halbjährlich oder jährlich erscheinenden Hefte wie Taurus, Fantares Nachrichten oder Andromeda (gibt es im Rahmen des SFCD e.V. auch heute noch) hatten dann aber auch oft auch Auflagen von über fünfhundert Exemplaren, gerade wenn man sich mit einem Club zusammen tat.

 

Die Rollenspielszene hielt es genau anders herum. Viele Kreative tummelten sich mit ihren Abenteuern, Geschichten, Bildern und Artikeln in den unzähligen Heften, ein lebendiges Netzwerk entspann sich, bei dem die Herausgeber – meist Schüler und Studenten zwischen 15 und 25 das Herz der Szene waren. Jeden Monat erschienen um die zehn Hefte, die oft auch zwischen den einzelnen Machern munter ausgetauscht wurden. Sie trugen solche Titel wie Warrior Express, Myth Adventures, Thorwal Standard oder Die Schriftrolle.


Die meisten Auflagen rangierten zwischen dreißig und zweihundert Heften. Die Gestaltung war oft genug noch sehr abenteuerlich. Auch wenn man schon den Computer benutzte, dominierte das Klebelayout und manch eine Überschrift war noch handschriftlich.

 

Allerdings nutzten die ersten Verlagsangehörigen genau diese Hefte auch, um ihre Kreativen zu rekrutieren. Von Ulrich Kiesow, dem Schöpfer von DSA ist bekannt, dass er die Hefte, die man ihm sandte sehr interessiert las und sich die Leute herauspickte, die ihm als Künstler oder Autoren besonders ins Auge fielen und in denen er Potential witterte. Viele der späteren Redaktionsmitglieder und Mitarbeiter von Das Schwarze Auge und Co. veröffentlichten damals genau in diesen Fanzines ihre ersten Texte und Zeichnungen. Ich muss zugeben, dass ich genau das auch erlebt habe und erinnere mich noch gut an Ullis Anruf im Jahr 1988.


Die meisten Fanzinemacher dieser Zeit waren junge Männer. Nur selten hatten Frauen das Heft in der Hand und machten sich die Arbeit Hefte zusammenzustellen, auch wenn Mädchen sonst gerne dazu heran gezogen wurden, die Texte ihrer Freunde zu illustrieren und gelegentlich auch einmal eine nette kleine Geschichte beizusteuern. Wirklich aktiv als Herausgeberinnen traten aber die wenigsten Frauen auf, was wohl auch daran liegt, dass die Interessen der meisten weiblichen Fans eher im kreativen Gestalten als im formalen Zusammenstellen lagen. Im Zuge der Emanzipationswelle gab es auch zwei rein weibliche Fanzines wie Schwerlilie und Luna.

 

Ähnlich lebendig wie die Rollenspiel- war auch die Horror-Szene. Durch die damals noch zahlreich erscheinenden Heftromane und deren Leserbriefseiten gab es eine zusätzliche Möglichkeit, auf die Fanzines aufmerksam zu machen und so neue Leser- und/oder Mitarbeiter zu werben, die auch fleißig genutzt wurde und so zusätzlich zu der Kommunikation zwischen den Leuten beitrug.

 

Eine Fantasy-Fanzine-Szene entwickelte sich erst gar nicht, da die Rollenspieler diesen Part übernahmen. Wenn es Fanzines zu diesem Bereich der phantastischen Genres gab, dann hatten sie meist etwas mit den Pen-und-Paper-Rollenspielen zu tun, oder die Macher der Hefte waren offen genug, auch freie Arbeiten zu verwenden.


Die Media-Fans und andere Randgruppen blieben eher unter sich. Sie waren meistens in Clubs organisiert, die entsprechende Fanzines für die Mitglieder produzierten, diese aber nur selten an außenstehende verkauften.

Das lag auch daran, dass es gelegentlich Ärger mit den Produktionsfirmen diverser Serien wie z. B. Star Trek und The X-Files gab, die Fanfiction und Fanart nicht unbedingt gerne sahen und in den 1990er Jahren sogar zu verbieten versuchten. Auch die Slash-Fans blieben meist unter sich, man begegnete ihnen mehr oder weniger nur in den Media-Clubs und konnte so Zugang zu deren Texten finden.

 

Der Niedergang und die heutige Situation

Den ersten großen Schlag erlitt die Fanzine-Szene durch die Verdopplung des Portos für Büchersendungen und die Verschärfung der Versandbedingungen. Nur mit einer ISSN-Nummer war man noch auf der sicheren Seite, da gerade am Anfang Kontrollen der unverschlossenen Sendungen an der Tagesordnung waren.

Schlimmer als dieser Umstand wogen jedoch die Portokosten, weil sie teilweise sogar die Kopierkosten des Heftes übertrafen, gerade wenn die Herausgeber auf die Uni-Kopierer oder die in den Firmen in denen ihre Eltern arbeiteten, zurückgreifen konnten.

 

Die Fanzinemacher, die nicht gleich kapitulierten, entschieden sich zwar dazu, ihre Ausgaben dicker zu machen, stellten aber auch auf eine seltenere Erscheinungsweise um, was dafür sorgte, dass die Kommunikation einzuschlafen oder sich zu verlagern begann.


Auch wuchsen die Ansprüche der Leser an die Präsentation der Texte und Bilder. Ein Layoutprogramm zu verwenden wurde unabdingbar, ein Farbcover war vorteilhaft, wenn man sein Heft überhaupt noch verkaufen wollte. Aber genau das fraß auch Zeit und Geld, Dinge, die viele irgendwann nicht mehr bereit waren, aufzuwenden.

 

Viele von den wirklich aktiven Fanzinemachern beendeten zu dieser Zeit auch ihre Schullaufbahn, ihr Studium oder ihre Ausbildung und wandten sich dann dem realen Leben zu, so dass sie das Hobby ebenfalls an den Nagel hängten.

 

Damit setzte nun das große Fanzine-Sterben ein.

 

Eine neue Generation wuchs wie in früheren Jahren jedoch nicht nach, da das Internet gegen Mitte/Ende der 1990ger Jahre seinen Siegeszug begann und es damit durch die drahtlose Kommunikation, in Foren, Chats und auf vielen Webseiten unnötig wurde, Informationen noch auf Papier auszutauschen.

 

Zeichnungen wurden nun zeitnah und ohne großen Aufwand im Netz präsentiert, ebenso Geschichten. Künstler konnten die ganze Bandbreite ihrer Fähigkeiten vorführen, da farbige Bilder nicht mehr den Einschränkungen beim Druck unterlagen und man sie sich kostenfrei herunterlud und ggf. mit seinem Drucker ausdruckte.


Letztendlich blieben nur noch die Hefte bestehen, die auf die Finanzkraft von Clubs und ihren Mitgliedern setzen konnten. Ganz wenige Fanzinemacher setzten ihren Weg fort, mussten aber schließlich auch kapitulieren, da nicht nur die Leser, sondern auch die Mitarbeiter nach Höherem strebten und sich nicht mehr unter Wert verkaufen wollten.

 

Wer weiterhin Werke publizieren wollte, wurde zum Kleinverleger und produzierte von nun an mittels Digitaldruck und Book-on-Demand Anthologien zu allen möglichen Themen, die mit einer ISBN-Nummer und damit zumindest mit einem Hauch von Professionalität punkten konnten, auch wenn nicht alle ganz wie ein Taschenbuch aussahen.

 

So sieht es auch heute, gut fünfzehn Jahre nach dem großen Massensterben aus. Fanzines dienen nur noch den Clubs als Kommunikationsmittel zwischen ihren Mitgliedern, da sich nicht alle in die Internetforen einklinken wollen.


Einige der Macher von früher betreiben ihr Hobby im Schutz eines Clubs fort, nur ganz wenige investieren auch weiterhin Geld, um ein semiprofessionell wirkendes Heft herauszugeben, aber es ist eine Frage der Zeit, wie lange das noch Bestand hat.

Denn auch in der Kleinverlagsszene setzen immer mehr Herausgeber auf E-Books, da das Interesse an papiergebundenen Werken schwindet, seitdem das Internet die Möglichkeit bietet, kostenlos an Lesestoff zu kommen und sehr bilderreich geworden ist.

 

 

Ein persönliches Fazit

Ich hoffe, ich konnte gerade den jüngeren Lesern, die die große Zeit der Fanzines nicht mehr miterlebt haben, einen kleinen Einblick in das Thema geben. Für jemanden, der damals selbst aktiv war und über 17 Jahre eine Fanzinereihe herausgegeben hat, bleiben die schönen Erinnerungen an diese Zeit.

 

Nicht nur das Schreiben von Geschichten oder Zeichnen von Bildern war ein kreativer Akt, auch das Zusammenstellen der Hefte und das entsprechend dazu passende Layout, das nicht immer schlicht sein musste, sondern auch sehr verspielt sein durfte – dank Programmen wie Pagemaker.

Weniger Spaß machte natürlich das Kopieren, Zusammenheften und Verschicken – aber der Lohn der Mühe war dann die Zufriedenheit der Leser, die sich oft genug im Feedback zeigte. Zu allem kam der Spaß und der Austausch mit Gleichgesinnten im ganzen Land.

 

Fanzinemacher waren nicht in erster Linie Konkurrenten – man traf sich immer wieder auch einmal, arbeitete zusammen um gemeinsame Aktionen ins Leben zu rufen oder half sich untereinander, wenn Not am Mann war mit Kopiermöglichkeiten und Material.

 

Ohne die Fanzines hätten niemals so viele Autoren, die Ende der 1990ger Jahre den Sprung zu Verlagen machten, ihre ersten Gehversuche gewagt und wäre auch die Szene nicht so lebendig geworden, wie sie heute noch ist. Gleichermaßen sieht es mit den Illustratoren und Künstlern aus.

 

Im Grunde waren die Hefte – egal wie einfach sie gestaltet waren – eine noch analoge Form des Internets, da gerade im Rollenspiel- und Horror-Fandom eine lebendige Vernetzung der Leute entstand. Sie sind durch ihre physische Präsenz weniger flüchtig als die mit einem Mausklick löschbaren Internet-Seiten, und so kann man sie vielleicht auch noch in zehn Jahren jederzeit in die Hand nehmen, wenn man sich die Hefte behalten hat.

 

Zwar weiß ich, dass sich diese schöne Zeit nicht mehr wiederholen wird, da das Internet an die Stelle der Hefte getreten ist, aber ich bewahre viele Fanzines noch auf, weil ich damit kleine Schätze besitze – die ersten wagemutigen Gehversuche heute bekannter Autoren und Künstler – die schon von deren Brillanz kündeten, aber auch weit davon entfernt waren, perfekt zu sein. Auch sind sie eine schöne Erinnerung an alte Freundschaften und die lebendig verspielte Kreativität, die man in so mancher Ausgabe noch heute wiederfinden kann.

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Ältere Kommentare:

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240418101741e2e9d47f
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Erstellt: 26.06.2012, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13, 12609