FSK, Indiziert, Beschlagnahmt, SPIO/JK – was heißt das?
 
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FSK, Indiziert, Beschlagnahmt, SPIO/JK – was heißt das?

von Oliver Kotowski

 

"Indiziert" ist so ein Wort, auf das viele reagieren, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Für manche kommt es dem Verbot einer schlimmen Sache gleich, für andere ist es Zensur. Aber mal der Reihe nach.

 

In Deutschland ist weder die Meinungsfreiheit noch die Kunst unantastbar. Wenn gewisse Kriterien erfüllt sind, dann kann der Zugang zu gewissen Werken eingeschränkt werden. Ich will mich im Folgenden explizit auf Filme beziehen, aber tendenziell ist es bei der Literatur, der Bildenden Kunst, Musik, Theater, Performanzkunst usw. ganz ähnlich.

 

Also angenommen jemand dreht einen Film. Bevor er in die Kinos kommt, muss geprüft werden, ob der Film jugendgefährdend oder jugendbeeinträchtigend ist. Hier wird vor allem geprüft, wie sich die dargestellte Gewalt und Sexualität auf Zuschauer auswirken. Es wird davon ausgegangen, dass z. B. krasse Gewaltdarstellungen die Psyche jüngerer Zuschauer (mit gewissen Einschränkungen) stärker belasten als die älterer Zuschauer. Diese Prüfung unternimmt die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, kurz: FSK. Je nach Einschätzung gibt sie den Film ohne Altersbeschränkung, ab 6 Jahren, ab 12 Jahren, ab 16 Jahren oder ab 18 Jahren (neuerdings heißt das: Keine Jugendfreigabe) frei. Aber das ist nicht alles.

Ist die FSK der Ansicht, dass der betreffende Film strafrechtlich relevante Darstellungen enthält, kann sie eine Bewertung verweigern. Strafrechtlich relevant heißt für Deutschland einiges. Es reicht vom Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) über Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90a StGB) und Volksverhetzung (§ 130 StGB) hin zu Beleidigung (§ 185 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB). Üblicherweise verstoßen Filme jedoch entweder gegen § 131 StGB (Gewaltdarstellung) oder § 184 StGB (verschiedene Formen strafbarer Pornografie). Für die diesbezügliche Überprüfung ist Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) verantwortlich.

Jetzt gibt es einen kleinen Dreh: Während man gewöhnlich von Filmen spricht, wird von der BPjM ein Medium geprüft, d. h. eine bestimmte Ausgabe eines Filmes auf einer bestimmten DVD (etc.). Es ist also durchaus möglich, dass ein Film auf einem Medium beschlagnahmt wurde und auf einem anderen nicht – normalerweise handelt es sich dann um verschiedene Schnittfassungen.

Wenn ein Medium nach § 131 StGB beschlagnahmt wurde, dann ist es nicht im vollen Sinne verboten. Es ist für Händler verboten, es in Deutschland zu verkaufen oder Zwecks Verkauf einzuführen. Der Privatbesitz ist keineswegs verboten. Es ist für Besitzer verboten, den Film öffentlich aufzuführen. Es ist dem Besitzer keineswegs verboten, sich den Film selbst anzuschauen. Die Bewerbung des Mediums ist verboten, die Besprechung eines Filmes ist es nicht. Das gilt, um es noch einmal explizit zu sagen, für den § 131 StGB. Für z. B. § 184 StGB gilt im Detail anderes. Zwischen FSK-Freigabe und Beschlagnahmung gibt es noch zwei Mittelstücke.

Da ist zunächst die Indizierung. Zuständig ist wiederum die BPjM, geprüft werden wieder Medien. Indizierung bedeutet, dass ein indiziertes Medium nicht beworben werden darf, vom Händler nicht ausgestellt werden darf, nicht im Fernsehen gezeigt werden darf und der Versandhandel sicherstellen muss, dass das Medium nicht an Minderjährige abgegeben wird. Indiziert sind automatisch alle beschlagnahmten Medien. Darüber hinaus werden auch Medien indiziert, die zwar nicht strafrechtlich relevant, dennoch als jugendgefährdend eingeschätzt werden, d. h. für die Gewaltdarstellung, dass sie irgendwie krasser als die eines FSK 18-Filmes, aber nicht so krass wie die eines beschlagnahmten Mediums ist. Üblicherweise wird die Indizierung als Verschärfung der FSK 18-Einstufung betrachtet, allerdings wird ein von der FSK freigegebenes Medium nicht indiziert.

Außerdem gibt es noch die Prüfung durch die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO), wenn die FSK eine Prüfung ablehnt, z. B. weil eine strafrechtliche Relevanz vermutet wird. In diesem Fall prüft eine Juristen-Kommission (JK) das Medium und kann zwei verschiedene Siegel verleihen. Zunächst "SPIO/JK geprüft: keine schwere Jugendgefährdung". Dies entspricht einer FSK 18-Freigabe, allerdings kann das Medium später noch indiziert werden. Dann gibt es noch "SPIO/JK geprüft: strafrechtlich unbedenklich"; dies entspricht weitgehend einer Indizierung.

 

Gelegentlich wird dieses System mit Zensur gleichgesetzt und es ist in der Tat nicht leicht, stets zwischen Jugendschutz und Zensur zu unterscheiden. Es kann schon verwundern, dass George A. Romeros Horrorklassiker Dawn of the Dead (1978) in den vom Regisseur autorisierten Schnittfassungen beschlagnahmt wird, während Zack Snyders Dawn of the Dead-Remake (2004) von der FSK freigegeben wurde. Die Beschlagnahmung wird üblicherweise damit begründet, dass der Klassiker Gewalt gegen Schwächere nicht nur entschuldige, sondern sogar verlange, wenn eine Gesellschaft gesund bleiben wolle – auf das Remake würde diese Kritik voll aufzureffen, der Klassiker wirft der kapitalistischen Konsumgesellschaft eben diese Haltung vor, statt sie zu rechtfertigen. Anscheinend wurde – und wird noch immer – die künstlerische Qualität des Filmes unterschätzt: Das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) hat immerhin ein Exemplar für seine Sammlung angeschafft.

Außerdem kommt es bisweilen zu ganz simplen Fehlern, die dann nicht unbedingt revidiert werden: Am 9. Mai 2000 ließ das Amtsgericht Tiergarten ein Medium mit einer Neuauflage von Romeros Night of the Living Dead beschlagnahmen. Skurril daran ist, dass der Film sonst ungeschnitten erhältlich ist – FSK 16. Wie es scheint, hatte man das beschlagnahmte Medium mit einer Neuauflage des Night of the Living Dead-Remakes von Tom Savini verwechselt.

 

Insgesamt halte ich dieses System für gut und richtig. Es sind Einzelentscheidungen, die zu kritisieren sind. Man wünschte sich, es würde mehr Sorgfalt bei der Begutachtung walten und ein modernes Kunstverständnis sich bei allen Gutachtern einstellen.

 

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Erstellt: 31.10.2010, zuletzt aktualisiert: 19.02.2016 13:39, 11196