Artikel: »Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, wandeln die Toten auf der Erde!« - Zweiter Teil
 
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»Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, dann wandeln die Toten auf der Erde!«, Zweiter Teil

Oder: Eine kleine Geschichte des Zombiefilms

 

von Oliver Kotowski

 

Wer wissen will, wie alles anfing, der möge den ersten Teil lesen.

 

Eigentlich sind es keine richtigen Zombies, denn Zombies sind ja Tote: Die Infizierten

Damit zu eine Art Film, die immer wieder zu den Zombiefilmen gerechnet wird, obwohl sie streng genommen nicht dazugehört: Es geht um Filme, in denen erkrankte Menschen Amok laufen und damit die Krankheit weiterverbreiten. Oftmals ist die Krankheit ein biologischer oder chemischer Kampfstoff, der vom militärisch-industriellen Komplex entwickelt wurde und dann versehentlich freigesetzt wurde. Der Unterschied zu Filmen wie Outbreak (1995) oder Carriers (2009) sind die zombiehaften Infizierten: Zumeist sehen sie schon etwas dämonisch aus, Fratzen der Raserei oder eitrige Geschwüre, und dazu kommt noch die gewaltige Mordlust, die sie geistlos die Gesunden hetzen lässt; gewaltige Mengen an Adrenalin sorgen dafür, dass sie Riesenkräfte entwickeln können und nur schwer zu stoppen sind.

Einen der ersten dieser Infiziertenfilme lieferte wiederum Romero: Crazies (1973, 2010 erschien das Remake von Timothy Olyphant). Sein zweiter Streich hat noch relativ wenig Ähnlichkeit mit dem üblichen Zombiefilm – die Infizierten werden zwar triebhafter und damit vielfach gewalttätig, aber sie werden nicht zu rasenden Tieren. Das Vorgehen der Soldaten in den weißen Schutzanzügen ist seltsam zweischneidig: Einerseits erschießen und verbrennen sie schonungslos die gewalttätigen Infizierten, andererseits gehen sie mit den Nicht-Gewalttätigen einigermaßen sorgsam um. Mit Zombies wird wesentlich ruppiger umgegangen. Auch kommen die Soldaten als Figuren besser weg – unmenschlich ist das System, sie befolgen nur Befehle (die letztlich sogar vielfach notwendig sind). Der Film etabliert aber das System als Schurken und Kontrollfreak mit Soldaten und Wissenschaftlern als mehr oder minder willige Vollstrecker – später werden sie in vielen Zombie- und Infiziertenfilmen als "Zombiemeister" auftreten.

Während bei Crazies der Bezug zum Zombiefilm oftmals nicht gezogen wurde, wird der fünf Jahre später entstandene Foltermühle der gefangenen Frauen üblicherweise bedingungslos zu den Zombiefilmen gezählt. Vom Plot her ist der Film wiederum eine Zombieapokalypse, allerdings mit Infizierten: Claudine wird während der Fahrt zum Weingut ihres Freundes von einem Infizierten überfallen; von da an beginnt eine gefahrenvolle Reise zum Weingut. Wie Crazies schildert es den Beginn und reicht die Vorgeschichte als Binnenerzählung für die Figuren nach. Außerdem sind in beiden Filmen die Infizierten zu mindest anfangs noch recht menschlich – einer der Infizierten in der Foltermühle bittet die Protagonistin, ihn zu töten, weil er seine Familie ermordete, ein anderer bittet, zum Arzt gefahren zu werden. Anders als in Crazies verändern sich die Infizierten aber zunehmend: Sie werden totenbleich, es bilden sich große, schwärende, eitrige Wunden, sie wanken stöhnend und mit ausgestreckten Armen ihren Opfern nach. Auch verändert sich die Psyche sehr eindimensional; während in Crazies das zivilisierende Ich zerbröckelte, werden die Infizierten in der Foltermühle zu brutalen Mördern, die ihre Opfer zunehmend verstümmeln. In der Darstellung ähneln die Infizierten den Italo-Zombies schon sehr. Die Infizierten können allerdings wie gesunde Menschen getötet werden. Ähnlich wie in Das Leichenhaus der Lebenden Toten liegt auch hier der Ursprung in einem leichtfertigen Umgang mit Toxinen im landwirtschaftlichen Bereich: Im Leichenhaus war es radioaktive Strahlung, die Insekten (und Leichen) dazu animierte, ihre Artgenossen zu fressen, in der Foltermühle ist es ein neues Pestizid, das via Weingenuss die Menschen verändert. Damit sind die Infizierten korrekterweise Vergiftete; in dieser Hinsicht stehen sie allerdings ziemlich alleine da, darum sollen sie zusammen mit den Infizierten behandelt werden.

2002 lief dann der Film, der das Bild vom Zombie nachhaltig verändern sollte und auch den Zombiefilm wieder neues Leben einflößte: 28 Days Later. Hier ist es ein Virus, dass sie zu extremer Aggression und Gewalt anstachelt. Daher können die Infizierten verhungern oder durch simplen Blutverlust sterben, ja sogar k.o.-geschlagen werden. In ihrem Verhalten ähneln sie aber regulären Zombies ungemein: Sie rotten sich zusammen und attackieren die Überlebenden, um sie zu verwandeln. Die Infizierten sind quasi realistische Zombies. Wichtiger noch ist der Handlungsverlauf: Eine zusammengewürfelte Gruppe kämpft in den Überresten der Konsumgesellschaft um das Überleben. Akzeptiert man, dass die Zombies hier keine Untoten sind, dann ist es ein guter Zombiefilm. Doch egal, ob man die Infizierten als Zombies akzeptiert oder nicht, er hatte erheblichen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Zombiefilms. Zum einen wurden Viren als Ursache für die Zombieseuche wieder beliebt, zum anderen sind seither die Zombies nicht automatisch weitgehend emotionslose, schlurfende Tollpatsche, sondern verstärkt rasende, hochaggressive Berserker. Der sprintende Zombie wurde zwar nicht von Boyle erfunden – dieses Verdienst geht an die flüchtigen Sträflingszombies aus Garden of Death von 1974 – aber 28 Days Later machte diesen Zombie, hmm, salonfähig.

Der fünf Jahre später gezeigte Planet Terror bildet den Abschluss dieser Entwicklung – das Zombiemotiv ist hier mit dem des Infizierten bis zur Untrennbarkeit verschmolzen. Die Infizierten (denn das sind sie nominell) wanken wie Zombies, sind mit schwärenden Wunden und eitrigen Pusteln übersät, fressen anscheinend Leichen – auf den Verzehr von Gehirnen wird besonders hingewiesen – doch es ist unklar, wie sie zu töten sind: Mal scheint ein einfacher Körpertreffer zu reichen, mal scheinen sie zombiehaft robust zu sein. Auslöser ist hier der biochemische Kampfstoff "Terror", dem eine US-Militäreinheit fälschlicherweise ausgesetzt wurde. Das ist natürlich eine Anspielung auf das 2-4-5 Trioxin aus Return of the Living Dead. Einige der humoristischen Splatter-Szenen stehen in der Tradition von Braindead; Planet Terror ist nicht nur die am sorgfältigsten inszenierte Splatter-Komödie, es ist auch die erste mit Infizierten. Damit steht der Film auch in der Folge von 28 Days Later.

Pontypool – Radio Zombie (2008) macht zwar einige Anspielungen, steht aber nicht wirklich in irgendeiner Tradition – abgeschnitten von der Außenwelt sitzen die Protagonisten im Sender und machen Radio. Mal berichten sie von einem rasenden Mob, der die schrecklichsten Dinge macht, und dann gibt es wieder ein Lied von Amateuren gesungen oder einen Bericht über eine entlaufene Katze. Bis die Ereignisse so schrecklich werden, dass eine Rückkehr zur Normalität unmöglich wird. Hier wird ein wenig auf Romeros Night of the Living Dead Bezug genommen. Die 'Zombies' sind wieder 'Virusopfer'. Ihr Auftreten erinnert ein wenig an die Infizierten aus 28 Days Later, auch wenn sie viel langsamer und eher verwirrt-frustriert als aggressiv sind. Die Berichte über den Kannibalismus erinnern dann wieder an Romeros Zombies. Der Film hebt sich aber auch ganz bewusst von anderen Zombiefilmen ab – nachdem die Protagonisten den ersten Infizierten getötet haben, streiten sie kraftlos darüber, wer ihn getötet hat und wer den nächsten töten muss; sie wollen nicht für den Tod ihrer kranken Mitbürger verantwortlich sein. Wirklich originell ist das Virus: Es stammt aus der "Fünften Dimension" und hat die englische Sprache infiziert. (Wird jedenfalls vermutet.) Wer ein infiziertes Wort versteht, verwandelt sich in einen 'Zombie', der immer wieder das infizierte Wort sagt. (Und Nicht-Infizierte fressen will.) Die Idee, dass die Sprache ein Virus ist, ist nicht neu – William S. Burroughs griff die Vorstellung in seinem 1964 erschienen Roman Nova Express auf. Der Film (der übrigens auf Tony Burgess' Roman Pontypool Changes Every Thing beruht) ist allerdings etwas komplizierter – es sind nur einige Worte infektiös. Das erinnert an Trigger, Gehirnwäsche und Werbebotschaften. Ich halte es für ein Chiffre für Meme. Meme sind einfache Sinninhalte, die über Sprache getragen werden können. Die Infizierten wurden schlechten Memen ausgesetzt, sie handeln nun entsprechend bösartig. Sie sind allerdings keine Monster, sie sind krank. Man sollte sie nicht erschießen, man sollte sie heilen. Der Film impliziert, dass islamistische Terroristen Opfer schlechter Meme sind. Die Heilung ist (theoretisch) leicht: Man muss den schlechten Memen einen neuen Sinninhalt geben – kill is kiss.

 

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Die Renaissance der Toten: Zombie-Horror

2002 machte 28 Days Later einige Furore und sorgte so für ein gesteigertes Interesse am Zombiefilm. Hier konnte der im selben Jahr aufgeführte Resident Evil anschließen. Der Film orientiert sich bei der Zeichnung der Zombies an Romeros Zombies: Sie sind langsam, ungeschickt und leicht zerfleddert. Sie haben ein minimales Erinnerungsvermögen und wollen nur fressen. Man vernichtet sie am besten mit einem massiven Schädeltrauma – Kopfschüsse und dergleichen sind gut geeignet. Wie bei Romero ist das größte Problem an der Zombiekatastrophe die menschliche Gier: Ohne Sabotage und den Versuch, den Zombievirus militärisch nutzen zu wollen, wäre das Problem nur halb so groß. Seltsamerweise gibt es keinen Zombiemeister – da die Zombies von Wissenschaftlern geschaffen werden, wäre ein Wissenschaftler als kontrollierender Zombiemeister naheliegend. Anders als bei Romero sind die Zombies keinerlei Allegorie – sie sind einfach Opfer einer Biowaffe. Ein paar Neuerungen führt der Film allerdings doch ein. Da Zombies durch ein Virus entstehen, können infizierte Menschen – theoretisch – gerettet werden, wenn sie noch kein Zombie geworden sind. Außerdem gibt es Zombiehunde, die anders als die menschlichen Zombies laufen können. Der Wert des Filmes liegt sicherlich im kommerziellen Erfolg: So wurde gezeigt, dass sich echte Zombiefilme auch für große Studios lohnen können. Damit gehörte er ebenfalls zu den Auslösern der aktuellen Zombiefilmwelle.

In dieselbe Kerbe schlug dann auch Zack Snyders zwei Jahre später gezeigtes Dawn of the Dead-Remake von Romeros gleichnamigen Klassiker. Der Film ist tatsächlich ein Mix aus vielen Zombiefilmen. Von Romeros Dawn stammt die Grundstruktur und das Setting. Die Streitereinen zwischen den Überlebenden stammen von Night of the Living Dead und Day of the Dead. Die laufenden Zombies stammen eindeutig von Boyles 28 Days Later. Das ganze Gebaren der Zombies erinnert mehr an diese als an Romeros Zombies. Dazu gehört auch, dass nicht alle Toten wiederkommen, sondern nur die Zombieopfer – Snyder greift ganz klar die Seuchenängste der Gegenwart auf. Voodoo-Hexerei ist damit endgültig passé – Zombies sind völlig von der Wissenschaft (Virologie) vereinnahmt worden. Passend zu den rennenden, aggressiven Zombies ist die Veränderung der Spannungsquellen: Statt auf Ekel-Szenen wird mehr auf Action-Szenen gesetzt. Gesplattert werden nur noch Zombies. Das Zombiebaby verweist deutlich auf Braindead, auch wenn der Hintergrund hier weniger Richtung Humor als Horror zielt. Eigenwilligerweise nutzt Snyder eine Krankenschwester zwar als Protagonistin, die den Umschwung aber nicht im Krankenhaus miterlebt, was ja naheliegend wäre, sondern bei sich zu Hause und auf der Flucht.

Mit [•Rec] (2007) haben Balagueró/Plaza eine Mischung aus 28 Days Later und Blair Witch Project (1999) gedreht. Formal knüpfen sie mit der wackeligen Handkamera, den Sprüngen und Längen, die Authentizität erzeugen sollen, an letzteren an. Inhaltlich eher an den ersteren Film. So wird weitgehend auf die gleichen Spannungsquellen gesetzt – Action, blutige Kämpfe, allerdings weniger Ekel oder Splatter. Deutlicher noch wird es bei den Zombies. Diese sind ebenfalls schnell und aggressiv. Sie scheinen ebenfalls nur zu beißen, um die Seuche zu übertragen, und nicht um zu fressen. Sieht man von zwei Hinweisen am Ende ab, scheint es sich um eine natürlich Krankheit zu handeln. Allerdings wird zum einen von einem schwierigen Ritual zur Versieglung gesprochen und zum anderen scheinen die Zombies sehr lange ohne Nahrung auszukommen. Letztlich ist unklar, ob es sich wirklich nur um Infizierte handelt, wie bei 28 Days Later oder um echte Zombies, die für kurze Zeit tot waren. Die gruppeninternen Streitereien greifen die von Romeros Nacht der lebenden Toten begonnene Tradition auf. Der Vergleich mit Romeros Diary of the Dead aus demselben Jahr ist zwar naheliegend, letztlich aber kaum gerechtfertigt: Während Diary in Romeros Tradition steht, steht [•Rec] 28 Days Later nahe, während Diary einen kritischen Anspruch hat – auch wenn der keineswegs eingelöst wird – hat [•Rec] diesen nicht, während Diary explizit zwischen unmittelbar Erlebtem und bearbeiteten Film stehen bleibt, will [•Rec] völlig unmittelbar sein.

Ein Jahr später folgte dann mit Deadgirl ein kleiner, böser Film, der nur wenig rezipiert wird. Es ist eine echte coming-of-age-Geschichte mit ungewöhnlichem Plot (für einen Zombiefilm); hier gibt es meines Wissens keine Tradition. Die Zombies sind an Snyders Zombies angelehnt. Zwar sieht das Zombiemädchen ein bisschen verwest aus und sie beginnt mit der Zeit auch zu stinken, aber der Verwesungsprozess scheint langsamer abzulaufen; tendenziell sieht sie aber gut erhalten aus. Sie kann sich recht schnell bewegen und ist extrem bissig – wer von einem Zombie gebissen wird, wird selber einer. Der Ursprung ist völlig unklar. Über die geistigen Fähigkeiten ist nicht viel zu erfahren; sie scheint völlig tierhaft zu sein, hat sich aber möglicherweise daran erinnert, dass Rickie sie retten wollte – sie stößt ihn nur brutal zu Boden, um zu entkommen. Neu ist allerdings, dass das Zombiemädchen häufig "schläft". Warum sie einschläft oder wieder aufwacht, bleibt unklar. Wie in Land of the Dead basiert die Zombiemeisterschaft auf purer Gewalt: Das Zombiemädchen wird gefesselt und vergewaltigt. Wie immer gilt: Homo homines lupus est. Zombies sind wiederum ein Symbol, dieses Mal ganz offenkundig für sexuell ausgebeutete Frauen, für die entmenschlichten menschlichen Projektionsflächen für sexuelle Gewalt.

Im selben Jahr wurde ein weiterer ungewöhnlicher Zombiefilm uraufgeführt: Colin – Der Weg des Zombie. Es ist ein Zombiedrama im Gewand einer Odyssee. Gezeigt wird der Film weitgehend aus der Perspektive des Zombies Colin; hier folgt er Filmen wie I, Zombie: A Chronicle of Pain (1998) und Wasting Away – Zombies sind auch nur Menschen (2007), die beide in Deutschland aber kaum Resonanz erhielten (weil der eine nur fremdsprachlich importierbar und der andere nicht komisch genug ist). Die Zombies richten sich weitgehend nach Romeros Zombies; es sind ungeschickte Schlurfer, die die Lebenden fressen wollen. Die Zerstörung des Gehirns vernichtet den Zombie. Wie Bub aus Day of the Dead oder Big Daddy aus Land of the Dead können Zombies sich rudimentär an ihr früheres Leben erinnern – Colin ist auf den Weg nach Hause. Darüber hinaus werden Erinnerungen Colins angedeutet. Ein lebender Sadist hat einige verstümmelte Frauenzombies im Keller – sie fürchten ihn. Neu ist eine leichte Konkurrenz zwischen den Zombies; nie zuvor haben sich Zombies wegen Fleisch angeknurrt. Zombiemeister gibt es einige – zumeist herrschen sie mit purer Gewalt, wie die Lebenden in Land, doch vereinzelt auch durch Konditionierung wie der Sadist. Die Ursache ist unklar. Eine feste Rolle scheint es für die Zombies nicht zu geben; sie fressen junge Leute, sie werden verspottet und bestohlen, Sadisten treiben ihre Spielchen mit ihnen, Familienangehörige versuchen sie zu retten – am Ende geht es immer tragisch aus: Es gibt keine gute Lösung. So gesehen ist der Film ein Rückschritt hinter Filmen wie Shaun of the Dead, Land of the Dead oder Fido.

 

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Die Renaissance der Toten: Zombie-Humor

Neben den Zombiefilmen mit starkem Horrorelement entstanden in den letzten Jahren natürlich auch wieder einige mit starkem Humorelement. Anders als bei den früheren Zombiekomödien wendete man sich hier verstärkt dem Kerngeschäft des Zombiefilms auf satirische Art zu: Der Gesellschaftskritik. Es gibt allerdings auch Filme, die ganz auf die Tugenden klassischer Zombiekomödien setzen: Splatter, Ekel, Slapstick. Ein Streifen dieser Art gehörte zu den Vorreitern der aktuellen Welle: Undead (2003). Diese Splatter-Komödie zitiert eine Vielzahl von Filmen. Darunter natürlich besonders die Romero-Filme. Das beginnt mit dem Meteorschauer, der die Zombieplage auslöst, dem generellen Erscheinungsbild der Zombies, zur Verschanzung in einem Farmhaus (Night). Es geht über einer Einkaufsszene (Dawn) hin zum Streit im Bunker (Day). Die völlig überzogene Gewalt verweist auf Braindead, die in einer Szene "Join us" rufenden Zombies auf Tanz der Teufel. Insgesamt ist wenig an diesem Film neu. Vielleicht kann man den Angriff der Zombiefische und die starke Verknüpfung mit dem SF-Film dazu rechnen – die Toten werden aufgrund der Meteoriten und eines Virus zu Zombies. Aliens à la Unheimliche Begegnung der Dritten Art markieren Zombies und Verseuchte mit einem Regen und ziehen sie dann mit einem Lichtstrahl in den Himmel, wo der Schaden behoben wird. Wie bei Resident Evil liegt der Wert des Filmes eher im kommerziellen Erfolg, doch es gibt auch einige Zuschauer, für die der Film kultverdächtig ist.

Der folgende Film ist nur ein Jahr später entstanden und gehört zu den Gesellschaftssatiren – es geht in Shaun of the Dead um den Verfall der britischen Kultur in der Gegenwart. Wrights Film steht in vielerlei Belang in der Tradition der Romero-Filme, entwickelt diese aber stimmig und konsequent weiter. So sehen die Zombies zumeist nicht besonders schlimm, sondern nur Toten-grau aus, sie wanken umher, sind zwar unglaublich hartnäckig, aber leicht auszutricksen: Man muss nur umherschlurfen und stöhnen und schon wird man von den Zombies für ihresgleichen gehalten. Premiere dürfte ein Zombie im Rollstuhl sein. Vernichtet werden sie wie üblich durch eine Zerstörung des Gehirns. Die Ursache der Zombiefizierung ist unklar, aber alle Toten werden zombiefiziert. Damit geht ein netter Gag einher – sehr häufig werden die Nachrichten weggeschaltet; als man sie endlich hören will, sind alle Sender tot. Wie bei Romero können sich Zombies vage an ihr früheres Leben erinnern – während Dr. Logan aus Day of the Dead von einer 'Resozialisierung' träumt, wird sie hier gewissermaßen möglich. Wie bei Romero sind die Zombies eine Allegorie auf die Entrechteten – hier sind es die von Arbeit entfremdeten und dem Fernsehen verdummten Konsumenten, die zombiehaft werden. Einzelne Szenen sind wiederum Anspielungen: Während man sich in Romeros Dawn zum Einkaufszentrum verbarrikadiert, verschanzt man sich hier im Pup, auch die klassische Gedärmefressen-Szene ist dabei. Kleinere Anspielungen gibt es an Raimis Tanz der Teufel – Shauns Kollege Ash hat keine Zeit – oder durch Musiken an Boyles 28 Days Later usw.

Auch Fido – Gute Tote sind schwer zu finden (2006) gehört zu den Gesellschaftssatiren. Der Film steht klar in der Tradition der Romero-Filme. Wie in Night of the Living Dead vermutet, ist die Ursache der Zombieplage Weltraumstaub. Die Zombies sind mehr oder minder verweste Leichen. Sie sind langsam und ungeschickt. Sie wollen anscheinend die Lebenden fressen, um selbst wieder lebendig zu werden. Wie in Land of the Dead verfügen sie über Gefühle – Fidos Ablehnung klingt ganz ähnlich wie Big Daddys Ablehnung. Doch anders als Big Daddy wird Fido von Freundschaft und Liebe motiviert; Fido gibt viel häufiger Zeichen der Zustimmung und der Freude. Was in Land nur angedeutet wurde, wird hier ausgeführt: Fido gelingt es, seine Fressgier zu kontrollieren. Damit wird eine echte Integration von Zombies in die Gesellschaft möglich. Während in den meisten Zombiefilmen es nur ein Wir-oder-Die gibt, macht Fido deutlich, dass es ein Wir-und-Die gibt, wenn wir den politischen Willen dazu aufbringen. Dazu muss natürlich zunächst die Macht von ZomCom gebrochen werden, das doppelt von den Zombies profitiert: Es beutet sie aus und kontrolliert die Gesellschaft, da diese sich vor den Zombies fürchtet. Auch hier gibt es Ähnlichkeiten zu Land: Beide Filme sind post-Zombiewar-Filme. Doch in Land hatten die Lebenden eher verloren, in Fido haben sie eher gewonnen. In Land war die Gesellschaft offenkundig ungerecht und menschenverachtend; in Fido scheint sie eine Art Idylle zu sein. In Land werden Zombies mit Gewalt für primitive Späße verwendet, in Fido werden sie mittels wissenschaftlicher Kotrolle zu billigen Arbeitskräften. In Land sind Menschen tendenziell nicht kompromissfähig, in Fido sehr wohl. Fido weist auch einige interessante Charaktere auf: Einen Mann, der eine Zombiephobie hat und besessen vom endgültigen Tod ist – für ihn kommt nur eine Kopfbeerdigung infrage. Es gibt eine (Ehe-)Frau, die ein semi-Liebesverhältnis mit einem Zombie eingeht, einen Jungen, der sich mit einem Zombie anfreundet und den schrägen Geek Theopolis und seine Zombiefreundin Tammy, die eine gruselige Affäre haben. Und natürlich Fido selbst, den charmantesten Zombie der Filmgeschichte.

Zur Sorte der eher klassischen Zombiekomödien gehört dann ein Blockbuster des letzten Jahres (2009): Zombieland. Der Film will die US-Antwort auf Shaun of the Dead sein – die Amis haben offenkundig Nachholbedarf in Sachen Humor, insbesondere Schwarzem. Die Zombies sind eine Mischung aus Boyles Infizierte und Snyders Zombies: Sie sehen ein bisschen tot aus, sind dumm, aber ultra-aggressiv, rennen hinter den Lebenden her, fressen sie und stecken sie mit dem Zombievirus an. Dafür braucht es keinen Kopfschuss, um sie zu töten – sie scheinen also noch zu leben. Zombieherren gibt es keine, der wahre Ursprung ist unklar (aber mit dem BSE-Vergleich wird eine natürliche Ursache impliziert). Die Zombie-Infizierten sind nur hässliche Moving Targets. Die Protagonisten sind wie bei Romeros Night/Dawn/Day zunächst zerstritten, sind aber nicht wirklich aggressiv gegeneinander. Die wollen nur spielen. Damit ist der Zombiefilm wieder in den Mainstream angekommen, aus dem Romero sie einst herausgeführt hatte. Zahlen mussten sie es mit ihrer Subversivität – es gibt keinerlei Subtext oder Tabu-kritische Gewalt mehr. Doch ich bin mir sicher, dass die Zombies als Vehikel für Gesellschaftskritik für den Film nicht endgültig verloren gegangen sind.

 

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Zombiefilme ohne Zombies: Die Strahlkraft des Motivs

Damit sind wir schon fast ans Ende der Geschichte gelangt. Wie üblich bei jeder Art von Grenze gibt es Grenzgänger. Ich will den Blick auf drei Filme lenken, die das Zombiemotiv bzw. Strukturen des Zombiefilms auf interessante Weise verwenden. Hierzu eignet sich das Vampirmotiv besonders gut, da die beiden – weit über die Fähigkeit hinaus, sich zu vermehren – die zwei Seiten derselben Münze sind. Das ist übrigens keineswegs neu – Dead of Night wurde sechs Jahre nach Night of the Living Dead aufgeführt, klar vor der ersten post-Romero-Welle. In dem Film geht es um den toten Vietnamveteran und Kriegsheimkehrer Andy. Er ist ein Leichnam, der verwest, wenn er sich nicht regelmäßig das Blut seiner Mordopfer fixt. Hier ist eigentlich die Nähe zum Vampir größer als zum Zombie. Doch in der weiteren Inszenierung rückt er weiter Richtung Zombie. Zwar spricht Andy, was wieder an Vampire erinnert, doch sein ganzes Auftreten ist emotionslos und apathisch, was eher an Zombies erinnert. Sein Morden ist völlig asexual, was weiter vom Vampir fortweist, sondern ganz von der Notwendigkeit, den Verfall zu stoppen, motiviert. Auch hierin erinnert er mehr an Zombies. Im Endstadium verweist sein schwankender Gang und sein verwesendes Äußeres dann noch deutlicher auf die Zombies. Erschaffen wird er übrigens durch das Flehen der Mutter, die den Sohn aus dem Grab zurückruft. Damit erinnert er an klassische Geister bzw. den französischen Revenant. Letztlich ist Andy eine eigenwillige Mischung aus Revenant, Vampir und Zombie. Dass der Zombiezustand generell für die Kriegsheimkehrer steht, ist so offensichtlich, dass es kaum noch Allegorie zu nennen ist. Das neue Vietnam heißt Afghanistan – wen wundert es, dass es Zombiefilme gibt, die die Thematik des als Zombie heimkehrenden gefallenen Soldaten neu aufgreifen? Ein Beispiel ist der in der Serie Masters of Horror erschienene Film Homecoming von Joe Dante.

Der bekannteste dieser Mischfilme, die nur selten als solche erkannt werden, dürfte dann From Dusk Till Dawn (1996) sein. Dieser Mix aus Roadmovie und Vampirfilm erinnert aufgrund der Struktur an den Zombiefilm: Die extreme Gewalt, der Splatter und das rüpelhafte und brutale Gebaren der Vampire selbst weisen von dem Snob unter den Untoten auf das abgehängte Prekariat unter den Untoten. Hinzukommt, dass mehr Zombiefilme als Vampirfilme zitiert werden.

Und schließlich: I Am Legend (2007). Lawrences Film ist aufgrund der Romanvorlage eigentlich ein Vampirfilm – die Verseuchten jagen dem Blut der Gesunden nach und reagieren heftig auf UV-Licht. Damit hören die Ähnlichkeiten aber schon auf. Die extrem blasse Haut mit den blauen Adern und die generelle Verfallenheit der haarlosen Kranken erinnern an die Zombies aus Romeros jüngere Filme. Vom Gebaren her stehen sie in der Tradition der 28 Days Later-Infizierten: Voller Wut, mit böse klingenden Gekreisch hetzen sie Neville nach und schnappen ständig mit den Zähnen. Dass sie Opfer eines Labor-Virus' sind, passt verstärkend hinzu. Es gibt noch mehr Ähnlichkeiten: Das leere New York erinnert an das leere London. Die Plünderungen sind natürlich ein weitverbreiteter Topos in Zombiefilmen. Eine Szenenkombination erinnert übrigens deutlich an Romeros Dawn of the Dead: Dort hatten die Überlebenden die vernichteten Zombies in den Gefrierraum gebracht, aber den zombifizierten Freund nach seinem Tod im 'Park' beerdigt. Hier verbrennt Neville die bei seinen Versuchen getöteten Verseuchten, seinen verseuchten Hund beerdigt er nach dessen Tod aber wiederum in einem Park. Der Film ist allerdings aus einem weiteren Grund sehr interessant: Mit ihm schließt sich eine Art Kreis. Romero wurde einerseits vom Hammer-Film Nächte des Grauens, andererseits von Richard Mathesons Roman I Am Legend inspiriert – die Verfilmung eben dieses Romans weißt dagegen vielmehr Ähnlichkeit mit den Topoi des Zombiegenres auf, als mit dem Roman.

 

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Was bleibt?

Dem kundigen Leser wird aufgefallen sein, dass der Artikel eine Reihe von Phänomen und dazugehörige Filme aussparte: Es fehlen die seltsamen japanischen Zombiefilme wie Tokyo Zombie (2005) sowie die Zombie-Western-Hybriden wie Undead or Alive (2007). Nichts zu den Nazi-Zombies à la Dead Snow (2009) und keine reitenden Leichen. Das sind meines Erachtens eher Randerscheinungen. Ich vermute, der Zombie-Aficionado wird ohne zu zögern zwanzig Filme streichen können, um zweiundvierzig hinzuzufügen – wozu sonst gibt es die "Kommentar"-Funktion?

 

Zusammenfassend kann man sagen, dass Zombiefilme in der Regel auf drei Arten von Spannungsquellen setzen: Sie können unterhalten wollen. Entweder setzen sie dann auf Humor, wie Slapstick, Sitcom oder Satire, oder sie setzen auf Action. Unterhaltung ist stets mit der nächsten Art verknüpft: das Schockieren. Hier setzen sie entweder auf die Schauwerte Gewalt und Ekel oder sie setzen auf die etwas abstrahierte Abscheu, die sich einstellt, wenn der Rezipient sich der Dargestellten menschlichen Verrohung klar wird. Letzteres tritt häufig mit der dritten Art zusammen auf: die Anregung. Hier setzt der Film entweder auf eine mehr oder minder verhohlene Gesellschaftskritik oder auf ein Psychogramm von Menschen in extrem Situationen.

Schaut man auf den Zombie, dann gibt es zwei Funktionen, die er erfüllen kann. Zunächst kann er der Mensch sein, "den man kaputtmachen darf." Der Erfolg von Filmen wie Snyders Dawn of the Dead (2004) oder Fleischers Zombieland (2009) zeigt, dass dieses Bedürfnis relativ hoch sein muss. Dann können Zombies die ungewollten, entrechteten Menschen symbolisieren: die Strahlungsopfer, die Kranken, die Konsumverblödeten, das "abgehängte Prekariat".

Ausgelöst wird die Zombieseuche häufig durch die menschliche Hybris, vielleicht ganz direkt wie in Verdammt, die Zombies kommen (1985), vielleicht eher indirekt wie in Romeros Dawn of the Dead (1978). Interessant ist, dass Filme, in denen Zombies Menschen sind, die man kaputtmachen darf, zumeist auf das Hybris-Thema verzichten. Filme, in denen Zombies die gesellschaftlichen Loser sind, greifen dieses erheblich häufiger auf: Land of the Dead (2005) mit seinen sadistischen Spielen, Pontypool (2008) mit der Weigerung, die Kranken zu töten, oder Colin (2008) mit seinem ganzen Kaleidoskop menschlicher Bosheit.

 

Zombiefilme sind auch über den filmischen Diskurs hinaus interessant, denn in ihnen wird angedacht, wie in Zukunft mit Menschen umgegangen werden soll, die für die Gesellschaft gefährlich sind. Für Deutschland werden hier aktuell drei Menschengruppen diskutiert: Harz4-Empfänger, Migranten und Kranke – sie alle gefährden aufgrund der als zu hoch bewerteten Kosten für die staatliche Subventionswirtschaft. Der französische Philosoph Michel Foucault brachte es mit der Formel auf den Punkt: Die Macht des neuen Souveräns liegt darin, Lebensformen zu fördern oder verkümmern zu lassen. Eine verhohlene Rationierung im Gesundheitswesen gibt es schon heute – alte Menschen werden nicht immer voll therapiert, da sie nichts zu Bruttosozialprodukt beitragen. Vielleicht will der Souverän bald mehr; z. B. bei Menschen, die noch über physische Kraft verfügen. Vielleicht will der bald die alte Macht zurückhaben: die Macht, sterben zu machen, "Menschen kaputtzumachen". Stuttgart 21 weist den Weg.

 

Nichtsdestoweniger bin ich gespannt auf die Verfilmung von Stolz und Vorurteil und Zombies, die – gerüchteweise – nächstes Jahr ins Kino kommen soll. Ich bin gespannt, selbst wenn sie nur Menschen präsentiert, die man kaputtmachen darf.

 

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Erstellt: 30.10.2010, zuletzt aktualisiert: 31.05.2022 08:09, 11193