Astro City - Der Gefallene Engel
 
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Astro City - Der Gefallene Engel

Rezension von Frank Drehmel

 

Als Tradepaperback fasst “Der gefallene Engel” die Bände 14 bis 20 der 22-teiligen, zweiten Astro City-Reihe aus den Jahren 1996 bis 2000 erstmals in deutscher Sprache zusammen.

Der Hintergrund von Busieks und Andersons Serie unterscheidet sich insofern stark von dem genreüblicher Comics, als Helden wie auch Schurken in das gesellschaftliche Miteinander nahezu vollkommen integriert sind. Egal wie absonderlich ihre Kräfte, ihr Auftreten oder ihr Anblick ist, kaum ein “normaler” Bewohner Astro Citys wird vor Ehrfurcht erstarren, wenn ihm beim morgendlichen Bäckerbesuch ein dünnes Kerlchen im Spinnenkostüm auf die Füße tritt, oder die Hand gen Wolken recken, wenn irgendetwas Blaurotes den Himmel unsicher macht.

 

Astro City ist die Stadt der ganz gewöhnlichen Superwesen. Einer von ihnen Carl Donewicz alias Steeljack, der nach 20 Jahren Knast, die er verbüßen musste, weil wer -wie er es ausdrückt- in seiner Jugend kein guter Mensch war, nach Hause zurückkehrt. Und dieses “Zu Hause” ist Kiefer Square, der Stadtteil der Underdogs, der Hoffnungslosen, der zerbrochenen Träume, die Heimat von Kleinkriminellen, Pennern und Jugendbanden. Für die Polizei und die strahlenden Superhelden ist dieser Ort nicht nur eine No-Go-Area, er existiert in ihrer Welt nicht einmal. Und so dürfen die Menschen Kiefer Squares auch keine Hilfe von den Hütern der Gesetze erwarten, als ein Unbekannter nach und nach die alten, unbedeutenden, ausgemusterten Helden, die hier ihre Heimat gefunden hatten, umbringt.

Für Carl jedoch, dem seine Bewährungsauflagen das Leben schwer machen und der keinen normalen Job findet, kommt es gerade recht, als ihn die Bewohner des Ghettos und ihr Wortführer, der zwielichtige Hehler Donelly Ferguson um Hilfe bitten.

Obgleich Steeljack weder sehr clever, noch sehr mutig ist, macht er sich daran, die Hintergründe der Morde zu ermitteln. Immer wieder ist er versucht, die Sache hinzuschmeißen, da er nicht weiterkommt, keine zündenden Ideen hat, Mal um Mal rafft er sich mit Fergusons Hilfe wieder auf. Langsam, Schritt für Schritt, enthüllt er so eine Verschwörung, die weit in die Vergangenheit Astro Citys reicht und muss sich schließlich die entscheidende Frage stellen: will er denen helfen, die so sind wie er, auch wenn das bedeutet, sich mit den wahren und mächtigen Helden der Honor Guard anzulegen?

 

 

Busiek, von dem aktuell bei Panini seine Conan-Comics in deutsch aufgelegt werden, beweist mit seiner Arbeit an Astro City im Allgemeinen und an “Der gefallene Engel” im Besonderen, dass für das Superhelden-Genre noch Hoffnung besteht. Die Hoffnung nämlich, dass dümmliche Storys mit nicht nur optisch karikaturhaft verzerrten Figuren der Vergangenheit angehören und dass stattdessen der Mensch mit seinen Bedürfnissen, Hoffnungen und Ängsten in den Mittelpunkt einer Dramaturgie rückt, die eine erfreuliche Distanz zu auf Dauer langweiligem galaktischen Größenwahn an den Tag legt und für die die Frage, ob Lobo oder Wolverine größere “Cojones” hat, bedeutungslos ist.

Steeljack ist eine durch und durch authentische Figur in einer klassischen Detektiv-Geschichte, in der zwar noch Wunder existieren, diese jedoch im Gegensatz zu den herkömmlichen Comics einen eher surrealen Charakter besitzen. Bei dem Versuch, seinem “zweiten” Leben einen neuen Sinn zu geben, droht Carl immer wieder an der Realität, den äußeren Umständen zu scheitern, sei es, weil die Bewährungsauflagen soziale Kontakte in seinem Milieu erschweren, weil ihm beim Tellerwäscherjob regelmäßig das Geschirr aus den nassen, metallenen Händen rutscht oder ihn Bekannte als Loser beschimpfen. Dass er zusätzlich ein geringes Selbstwertgefühl an den Tag legt und ihn die Dämonen seiner Vergangenheit jagen, macht das Leben für ihn nicht einfacher. Dennoch obsiegt er schließlich, weil er (s)einen geraden Weg geht und für ihn Loyalität bzw. Integrität mehr als nur ein Wort sind.

 

Anderson als Zeichner und Blyberg als Tuscher legen eine hervorragende Arbeit ab. Die eher klassisch orientierte Panelaufteilung und Grafik, klare, scharf umrissene Figuren, mit gekonnt gesetzten Schattierungen, sowie satte, kräftige -auch bunte- Farben schaffen Raum für das Wesentliche: die ausdrucksstarken, einen hohen Realismus aufweisenden Physiognomien der Charaktere, in deren einmaligen Gesichtern sich die ganze Bandbreite menschlicher Gefühle mitreißend widerspiegelt. Unverkennbar folgt das Artwork Busieks Ansatz, den Menschen -und nicht tumbe Action- zum Mittelpunkt der Geschichte zu machen.

Wenn es in diesem Kontext so etwas wie ein künstlerisches Highlight gibt, dann ist es die Figur des Steeljack: auf der einen Seite wird die metallene Textur seiner Haut durchgängig grandios eingefangen, auf der anderen gehen zwischen all den Reflexionen und Glanzlichtern die Mimiken nicht verloren; im Gegenteil, die Strichführung und Farbverläufe heben bzw. verstärken sogar regelmäßig die Ausdruckskraft.

 

 

Fazit: Authentische Charaktere in einer grandios gezeichneten und mitreißend geschriebenen Geschichte voller Wärme. Ambitionierte amerikanische Mainstream-Comic-Kunst.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404191348268f906322
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Comic:

Astro City - Der Gefallene Engel

0/2007 SC

S. 192 19,95 €

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K. Busiek, B. Eric

978-3-86607-422-4

EVT: 16.05.2007

Erhältlich bei Panini Comics


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Erstellt: 01.06.2007, zuletzt aktualisiert: 07.04.2024 09:00, 3949