Auslöschung von Jeff VanderMeer
Reihe: Southern-Reach Band 1
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Eine geheimnisvolle Flora und Fauna, ebenso makellos wie verstörend, hat ein Gebiet irgendwo an der amerikanischen Küste übernommen, seit vor 30 Jahren ein mysteriöses Ereignis stattgefunden hat. Und die entfesselte Natur dehnt sich unaufhaltsam aus. Doch was geschieht dort? Elf Expeditionen haben vergeblich versucht, Antworten zu finden, Karten zu zeichnen, das Fremde zu verstehen. Ihre Teilnehmer kehrten entweder gar nicht zurück oder auf eine unheimliche Weise verändert. Jetzt wird eine zwölfte Expedition entsandt. An ihrer Seite betritt der Leser Area X. Und kann sich weder der Faszination noch dem Grauen entziehen.
Rezension:
Jeff VanderMeer gelang mit der Southern-Reach-Trilogie ein großer Erfolg, der es sogar zu einer Verfilmung brachte. Und auch wenn es der Film bei uns nicht ins Kino schaffte, erregte er doch als Stream einige Aufmerksamkeit.
Doch unterscheiden sich Buch und Verfilmung deutlich.
Auslöschung gibt den Bericht einer Biologin wieder, die zusammen mit einer Anthropologin, einer Vermesserin und einer Psychologin in ein seltsames Gebiet entsandt werden, dass man Area X nannte. Um über die Grenze zu gelangen, hypnotisiert man die Frauen. Schon bald entdecken sie eine nicht natürlich entstandene Öffnung in den Boden. Eine Treppe windet sich in den Boden. Während die Biologin von einem Turm in die Tiefe spricht, ist es für die anderen Frauen ein Tunnel. An den Wänden entdeckt die Biologin ein Schriftband. Es scheint gewachsen zu sein. Als sie sich näher heran beugt, platzt einer der winzigen Fruchtkörper und Sporen entweichen. Die Biologin weiß sofort, dass sie sich kontaminiert hat, doch sie verschweigt es den anderen. Wie auch das, was sich in und mit ihr verändert …
Die Geschichte ist stark verschränkt. Da wir den Bericht der Biologin lesen, den sie nach der Expedition verfasste, erfahren wir etliche der Lügen und Geheimnisse nicht sofort. Zwar betont sie, dass ihr Bericht versucht, die Dinge in der richtigen Ereigniskette niederzuschreiben, jedoch legt sie sich selbst damit Beschränkungen auf, denen sie nicht immer treu bleibt. Dadurch weckt sie Erwartungen für die kommende Handlung und führt die Leserinnen und Leser in eine bestimmte Interpretationsrichtung.
VanderMeer erzählt sehr verdichtet. Nicht nur die Handlung eilt mit großer Geschwindigkeit voran, auch die Sprache erscheint sehr konzentriert, was auch an der Übertragung von Michael Kellner liegen kann. Auf jeden Fall entsteht dadurch ein Sog, der das Buch zu einem Pageturner werden lässt. Dabei ist die Sprache keineswegs einfach. Vielmehr schillert sie in prächtigen Farben und bildet meisterlich die wuchernde und sich verändernde Landschaft der Area X ab.
SF-Fans werden nicht umhin kommen, Parallelen zu Picknick am Wegesrand und der Tarkowski-Verfilmung Stalker zu ziehen.
VanderMeers Schwerpunkt liegt aber woanders. Seine Biologin hat keinen Anker in der alten Welt. Sie zieht in die Zone um ihr Leben umzukrempeln. In der Vergangenheit verlor sie sich immer wieder in der Beobachtung von Biotopen. Dieses Verlieren wird nun fast grenzenlos. Die Zone erfüllt ihr den einen, tief in ihr verborgenen Wunsch. Der Abstieg in den Turm und die Begegnung mit dem Crawler, der das Schriftband beständig fortschreibt und dabei den Lebenszyklus der Zone vorgibt, liest sich wie eine Metapher auf die schmerzhafte Reise in ihr eigenes Inneres. Die Biologin selbst erscheint als Verkörperung dieser fremdartigen Sphäre.
Das führt dazu, dass die anderen Frauen nur sehr wenig Raum erhalten. Sie sind eher Aspekte. Etwa die regelbasierende Beschränkung durch die Psychologin oder die paranoide Skepsis der Vermesserin. Sie alle umrahmen die Wahrnehmung der Biologin, die sich in ihrem Bericht manifestiert.
Das Ende steht dann auch für das Ungewisse hinter der subjektiven Sicht und Jeff VanderMeer entlässt uns mit genau der richtigen Menge dräunder Fragen, um sofort zum zweiten Band, Autorität zu greifen.
Fazit:
Mit der faszinierenden Perspektive um die Geschehnisse der Area X eröffnet Jeff VanderMeer mit »Auslöschung« seine »Southern-Reach-Trilogie« kraftvoll und bunt, zugleich aber auch distanziert-kühl. Ein völlig zu Recht hochgelobter Science-Fiction-Roman.
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