Rezension von Cronn
Wenn in Sommer 2021 das Wort »Balaton« fällt, fangen viele Deutsche an zu träumen: von einem Urlaub, der in der Vergangenheit liegt. Von Palatschinken, Rotwein und Campingplätzen am See. Doch nicht nur wegen der momentanen Pandemie ist der Balaton ein Ort der Sehnsucht und des Träumens, sondern auch wegen einer Rückbesinnung in die Zeit, als der See zu einem Treff von Deutschen aus Ost und West war. In die 80er Jahre zurück bringt der Band Balaton von Noémi Kiss, sehr gut übersetzt von Eva Zador. Entgegen der Ankündigung ist der Band kein Novellenband, sondern ein Kurzgeschichten-Band auf 168 Seiten mit 14 Kurzgeschichten. Doch wie gelungen sind diese Erzählungen? Das soll nachfolgenden in den Fokus genommen werden. Aber zunächst eine knappe Darlegung des Inhalts.
Verlagsinfo:
Ungarn in den 1980er-Jahren: Der Balaton, oder Plattensee, ist ein beliebtes deutsch-deutsches Urlaubsziel. Hier liegen Ost- und Westdeutsche einträchtig nebeneinander am Strand, durch den Mauerbau getrennte Familien machen gemeinsam Ferien. Es ist ein Ort der gelebten Wiedervereinigung, lange bevor die Mauer fällt. Aber das scheinbare Idyll hat auch Schattenseiten. Während »die Badewanne Ungarns« für die Besucher aus der BRD ein billiges Urlaubsvergnügen ist, müssen die DDR-Bürger jede Mark zweimal umdrehen und verpflegen sich überwiegend aus von zu Hause mitgebrachten Lebensmittelvorräten. Dennoch ist der Balaton für viele von ihnen ein Sehnsuchtsziel, ein erster Schritt in Richtung Freiheit – von der ihre ungarischen Gastgeber gleichermaßen träumen.
Soviel die Darstellung des Verlages. Eine genauere Darstellung zu einzelnen Inhalten wird in der nachfolgenden Kritik vorgenommen.
Kritik:
Noémi Kiss beschreibt in ihren Texten kurze Eindrücke vom Leben in Ungarn, die überwiegend gut gelungen sind. Manche Kurzgeschichten sind etwas zu knapp geraten und reißen Charakterentwicklungen nur an, aber andere zeigen sehr gute Beschreibungen der Umstände der Menschen am Balaton.
Hervorzuheben sind besonders die Texte Und Tante Klara lag auf ihrer Matratze, Segel im Wind, Das Mädchen aus dem Kanal und Honeckerlatschen. Hier kann Frau Kiss durch knappe, aber eindringliche Prosa punkten. Diese Geschichten erreichen gerade durch die Verdichtung eine hohe Intensität, die beispielsweise Angelhaken und Dämonen nicht aufweist.
Gerade »Und Tante Klara lag auf ihrer Matratze« kann durch ihre einfühlsame und dennoch knappe Charakterzeichnung gefallen.
»Segel im Wind« lässt den harmlosen Segelausflug junger Leute ins Gefährliche umkippen, genauso wie die Beziehungen der Beteiligten.
»Honeckerlatschen« hingegen beschreibt in eindringlich und dennoch nüchterner Prosa vom Gefühl des Sommers 1989, als der Balaton zum Aufbruchsort für viele DDR-Bürger in den Westen wurde.
Fazit:
Mit »Balaton« ist Noémi Kiss ein beachtenswertes Werk gelungen, das mit den Mitteln der Kurzgeschichte durchaus gelungen ein zumeist sommerliches Bild vom Leben am See in Ungarn und eine umrisshafte Zeichnung der Zeitumstände liefert.
Ein Buch, das stimmungsvoll und auch mit klarer Sprache zu gefallen weiß. Gerne mehr Kurzgeschichten!
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