Basar der bösen Träume von Stephen King
Rezension von Cronn
Was soll man über einen Mann schreiben, über den schon so viel geschrieben wurde. Ein Mann, der so fleißig ist, dass pro Jahr mindestens ein Buch von ihm erscheint und mehrere gleichzeitig in den Bestsellerlisten stehen?
Nun, ich denke, dass man ihn zumindest namentlich vorstellen sollte: Stephen King. Ein Name wie eine Legende. Aus bescheidenen Anfängen im Wohntrailer, wo seine Frau Tabitha das Skript seines ersten Welterfolgs Carrie aus dem Papiermüll rettete, über seine Hollywood-Erfolge (z. T. recht zweifelhafter Qualität) mit »Carrie«, Shining (die Kubrick-Version mochte der Autor gar nicht, sodass er selbst sich auf den Regiestuhl setzte) bis hin zu Internet-Romanen (Riding the Bullet) und anderen Experimenten. Es gibt kein Gebiet der Phantastik, das Stephen King nicht mit Erfolg beackert hat: Ob Zombies, Vampire, Gespenster – King kennt sie alle.
Seinen Romanen wird von einigen Kritikern zu Recht eine Form von Geschwätzigkeit nachgesagt, die deren Seitenumfang unnötig aufblasen. Man könnte die gleiche Aussage in weniger Worten zu Papier bringen, wird oft gemunkelt. Dennoch ist der Erfolg der Romane vorhanden und der Schreibstil steht hintenan.
Was King hervorragend beherrscht, ist die kurze Form. Das hat er in vielen Storysammlungen immer wieder bewiesen. Ob in Morgengrauen oder Frühjahr, Sommer, Herbst und Tod oder anderen. Stets zeigt sich King hier stilbewusst und seine Könnerschaft, auch wenn es mal nicht zuvorderst um den Grusel sondern um subtile Erwachsenwerden-Literatur handelt, wie bei Stand By Me (The Body).
Daher ist es umso erfreulicher, dass Stephen King sich wieder die Zeit genommen hat, nach seinen Romanen Mr. Mercedes und Doctor Sleep, wieder eine Storysammlung vorzulegen. Sie trägt den Titel Basar der bösen Träume und wird vom Heyne-Verlag aufgelegt.
Inhalt und Kritik:
Im »Basar der bösen Träume« geht es bunt zu. Die Storysammlung hat einen Umfang von über 700 Seiten und birgt ein wahres Panoptikum an Stories und Novellen, unterschiedlichster Natur und abwechslungsreichsten Motivstrukturen. Dies reicht von Gedichten über Kurzgeschichten bis hin zu ausgewachsenen Novellen.
Jede Story zu besprechen würde den Rahmen dieser Rezension sprengen und den Leseaufwand nicht rechtfertigen. Daher sollen einige besonders interessante Kurzformen beispielhaft herausgegriffen, vorgestellt und kritisiert werden.
Den Anfang macht Raststätte Mile 81, eine King-Story älterer Couleur. Mit dem verehrten Objekt, das Auto, welches für Probleme sorgt, ist dies eine für King typische Story und scheint direkt aus den 80er Jahren zu stammen. Das macht sie aber nicht automatisch besser. Der Plot ist reichlich fade und wird auch zäh erzählt. Das einzige, was die Geschichte rettet, ist Kings meisterhafter Stil.
Besser ist das schon Batman und Robin haben einen Disput, in welchem der Autor mit behutsamer Sprache eine Story rund um einen demenzkranken Vater und seinen Sohn erzählt, die in Probleme geraten, aus der es einen ungewöhnlichen Ausweg gibt. Superb geschildert, mit viel Raum für Zwischenmenschliches.
Böser kleiner Junge erinnert an EC-Comics der 50er Jahre, die für Stephen King u. a. immer wieder eine Inspiration in seiner Jugend waren. Gleich einem Phantom taucht ein bestimmter Junge immer wieder im Leben des Protagonisten auf und verursacht Katastrophen. Böse, zynisch und in der Struktur klar.
Mit Blockade Billy gibt es eine Story, welche sich ausschließlich um den Baseball-Sport dreht. Das macht ihn für deutsche Leser im Allgemeinen schwierig. Die hier vorkommenden Spezialbegriffe und Manöver sind kaum entschlüsselbar. Auch der Plot ist lediglich durchschnittlich, daher ist »Blockade Billy« in der Sammlung ein Abschwung in der Qualität.
Ganz anders sieht es bei Der kleine grüne Gott der Qual aus. Stephen Kings Fähigkeit menschliche Gefühle in metaphorische und gegenständliche Dinge zu wandeln ist hier in Brillanz zu sehen: Ein reicher Magnat leidet an Schmerzen, welche von einem Wunderheiler weggenommen werden sollen. Doch dessen Krankenschwester glaubt nicht an den vermeintlichen Humbug und will die Heilung auf anerkannt medizinischem Weg erreichen. Die Geschichte ist dramatisch und mit zielgerichtetem, spannenden Aufbau bis hin zu einem spektakulären Höhepunkt. Sehr gelungen.
Feuerwerksrausch zeigt typische degenerierte »Rednecks« im Wettbewerb um das schönste Feuerwerk mit reichen Upperclass-Menschen auf der anderen Seeseite. Ironie und Gesellschaftskritik wurden hier in Harmonie zusammengebracht.
Den Abschluss bildet Sommerdonner, eine Story, die in einer apokalyptischen Szenerie angesiedelt ist. Mit ihrer bewusst Betonung von menschlichen Beziehungen und der Beziehung des Überlebenden zu seinem Hund ist »Sommerdonner« abseits von den derzeit üblichen Zombie-Horror-Spektakeln und erstaunlich leise für eine Kingsche Endzeit-Story. Beeindruckend.
Fazit:
Bis auf wenige Ausnahmen ist »Basar der bösen Träume« eine gelungene Sammlung von kurzen Werken des Horror-Meisters aus Amerika. Dazu trägt auch bei, dass jeder Story eine knappe Erläuterung des Autoren vorgeschaltet wurde, der interessante Einblicke gibt und so auf die jeweilige Geschichte einstimmt.
Wenn Stephen King weiterhin diesen qualitativ hohen Output hat, dürfen gerne jedes Jahr neue Storybände aus seiner Feder erscheinen. Das wäre sicherlich von der Literatur her gelungener als die ausufernden Romane voller Längen.
King zeigt mit »Basar der bösen Träume« seine Meisterschaft in der kurzen Form.
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