Before Watchmen: Rorschach von Brian Azzarello und Lee Bermejo
Rezension von Ingo Gatzer
Rezension:
Vor einem guten Vierteljahrhundert kam mit "Watchmen" eines der besten - wenn nicht das beste - Comic des Superheldengenres heraus. Es bot vielschichtige Charaktere, eine komplexe Story und diverse (pop-)kulturelle Anspielungen. Nun hat sich DC vorgenommen, die Vorgeschichte der zentralen Charaktere zu erzählen. Das gefällt den ursprünglichen Schöpfern der Watchmen - euphemistisch ausgedrückt - überhaupt nicht. Brian Azzarello ist für die Geschichte von Rorschach verantwortlich, die Lee Bermejo bebildert.
Rorschach ist eigentlich eine Fehlbesetzung in jedem Superheldencomic. Er hat nämlich nicht nur überhaupt keine Superkräfte, sondern verhält sich zudem selten heldenhaft. In den Straßen von New York agiert er als Vigilant, der oft Prügel von Gesetzesbrechern einstecken muss und noch häufiger austeilt. Als Rorschach sich auf die Jagd nach einem Gangsterboss macht, kostet ihm das fast das Leben. Doch er ist natürlich viel zu stur und von Zorn zerfressen, um aufzugeben. Und dann ist da auch ein Serienmörder - genannt "Der Barde", der in New York sein Unwesen treibt.
Autor Brian Azzarello schreibt bereits seit vielen Jahren Geschichten für Comics. Für "100 Bullets" gewann er nicht nur den Harvey, sondern auch den renommierten Eisner Award. Betrachtet man seine Werke, zeigt sich eine Tendenz zu düsteren Stoffen, die sehr gut zu einer Figur wie Rorschach passt. Zwar kreiert der US-Amerikaner hier keine wirklich spektakuläre Story, doch das ist auch wohl kaum intendiert. Viel wichtiger ist es, dass es Azzarello gelingt, die dunkle Psyche des Vigilanten zu beleuchten. Er lässt den Leser in das Innere einer kaputten Figur blicken, die verzweifelt versucht eine Welt, die immer mehr vor die Hunde geht, durch exzessive Gewalt in den Griff zu bekommen. Wo viele Superhelden strahlend dem Bösen entgegentreten und es niederwerfen, kassiert Rorschach Prügel, spuckt Blut und schreckt auch vor Foltermethoden nicht zurück. Die Nähe zur Hauptfigur erzeugt der Autor, indem er die Geschichte geschickt als Tagebucheinträge seiner Hauptfigur arrangiert.
Zeichner Lee Bermejo ist für dieses Comic ein echter Glücksfall. Der Autodidakt arbeitete mit Brian Azzarello bereits an Graphic Nobels wie "Batman: Joker" oder "Batman/Deathblow" zusammen. Zuletzt erschien bei Panini sein Werk "Batman: Noël". Bermejo lässt das Comic mit einer Tat des "Barden" beginnen und schwenkt dann von intimster Nähe - der "Barde" ritzt einen Text in den Körper seines Opfers" - auf eine atemberaubende Totale, die das nächtliche, vielfach illuminierte New York aus der Vogelperspektive zeigt. Mit solchen Gegensätzen - wie etwa auch zwischen den hellen Leuchtreklamen und den dunklen Nebengassen - schafft er eine passende und packende Atmosphäre.Gleichzeitig schafft er es, die Mimik seiner Figuren, gerade bei den sehr ansprechenden Nahaufnahmen, bis ins Kleinste auszuarbeiten - etwa wenn er das zerschundene, bepflasterte Gesicht von der Person zeigt, die sich hinter der Maske von Rorschach verbirgt.
Fazit:
"Before Watchmen: Rorschach" ist zwar kein Meilenstein wie es "Watchmen" war, aber ein überaus gelungenes und absolut lesenswertes Comic, das vor allem visuell vollkommen überzeugen kann und es wahrlich nicht verdient hat, zum Zankapfel zwischen Verlag und Machern auf einen sowie den Watchmen-Schöpfern und deren Die-Hard-Fans auf der anderen Seite zu werden.
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