Berge des Wahnsinns (Gruselkabinett 44 & 45)
 
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Berge des Wahnsinns

Reihe: Gruselkabinett 44 & 45

Hörspiel

Rezension von Oliver Kotowski

 

Rezension:

Larry Danforth erwacht schreiend aus einem Albtraum. Vor seiner Vorlesung spricht er noch einmal mit seinem Professor – soll man die Wahrheit nicht doch der Öffentlichkeit bekannt machen? Prof. Dyer wehrt ab: Die Fotos würde man zu Fälschungen, die Ereignisse zu Wahnsinn erklären; ihre akademische Karriere wäre ruiniert. Dennoch macht Dyer sich daran, einen vollständigen Bericht abzufassen, der in einem akuten Fall künftige Expeditionen warnen soll. Dyer hatte eine geologische Expedition in die Antarktis geführt. Mithilfe eines Spezialbohrers sollten Gesteinsproben von verschiedenen Stellen des Kontinents genommen werden. Die Nathaniel-Derby-Pickman-Stiftung hatte großzügig angekündigt, alle Kosten zu übernehmen. Lag hierin der Keim des Unglücks verborgen – oder Stand das Schicksal der Expedition schon vom ersten Augenblick an unter einem Unstern? Jedenfalls nötigte dieser Umstand Dyer dazu, Dr. Lake, eine Biologin, mitzunehmen. Eigentlich hat Dyer nichts gegen Frauen, nur an der Universität haben sie nichts verloren. Dr. Lake war allerdings die Tochter des Stifters, und so … Anfangs lief alles zauberhaft nach Plan: Der Bohrer holte zahllose faszinierende Proben an die Oberfläche, das Team arbeitete gut zusammen. Dann fand man ein seltsames Fossil. Anscheinend eine sehr große, dreieckige Fußspur. Aus einer Zeit, in der es solches Leben noch gar nicht gegeben haben konnte. Dr. Lake war sofort Feuer und Flamme und drängte darauf, der Spur weiter nachzugehen.

 

Berge des Wahnsinns ist die Hörspielumsetzung des gleichnamigen Romans von H. P. Lovecraft. Marc Gruppe, aus dessen Feder das Skript stammt, ist dabei einigermaßen freizügig mit der Vorlage umgegangen; der kundige Leser wird bemerkt haben, dass Lake eine Frau ist und Dyer ein sexistischer Rüpel – bei Lovecraft ist Lake (natürlich) ein Mann und Dyer beinahe komplett charakterlos; er ist in erster Linie ein objektiver Berichterstatter. Im Wesentlichen war der Roman ein sachlicher Expeditionsbericht, der allerdings mit langen Anspielungen bzw. Anbindungen an den Cthulhu-Mythos versehen war. Erst nach knapp der Hälfte des Textes wurden die Ereignisse dramatischer und phantastischer. Der Witz lag in der Verknüpfung der bizarren und unmöglichen Vorkommnisse mit dem sachlich-nüchternen Ton und entsprechenden Figuren. Gruppe geht einen anderen Weg. Er nimmt die eher zurückhaltend angedeutete Stimmung eines Pulp-Abenteuers heraus und verstärkt deren Elemente. Z. B. indem er aus Dr. Lake einen waschechten Flapper macht und mehr Zeit auf das Setting verwendet. So werden die Figuren griffiger und einerseits neue Spannungsquellen eingeführt – wie die humorigen Kabbeleien zwischen Dyer und Lake – und andererseits bestehende verstärkt – man bangt mehr um Figuren, die man mag, als um solche, die einem gleich sind. Die weitschweifigen Bezüge auf den Cthulhu-Mythos hat Gruppe herausgestrichen: kein Necronomicon, weder Mi-Go, noch Gnoph-Keh. Zurecht, wie ich meine. Auch wenn es gegen Ende ein paar kleine Längen und Sonderbarkeiten ob der Motivierung der Figuren gibt, ist das Skript im Großen und Ganzen doch als gut gelungen zu bezeichnen.

 

Die Anzahl der Sprecher ist für ein Hörspiel dieser Länge – zumal, wenn man bedenkt, dass zwei Sprecher nur wenig zu tun haben – recht gering: Es sind nur sechs. Zentral ist natürlich Prof. William Dyer, dessen Bericht der Hörer zu Ohren bekommt. Seine ruppige Figur wird von der kehligen Stimme Reiner Schönes gut eingefangen. Schöne werden die meisten Phantastik-Freunde eher aus dem Fernsehen kennen – er hatte sogar in einer Star Trek: The Next Generation-Episode ein Alien gespielt – doch ein paar Hörspiele hat er auch eingesprochen, darunter Offenbarung 23, John Sinclair und Don Harris, Psycho-Cop. Den leicht ironischen, letztlich aber lakonischen Ausgleich bietet Prof. Pabodie. Auch ihm wurde eine markante Stimme verliehen: die von Eckart Dux. Ob aus dem Medium Film (u. a. die deutsche Stimme von Anthony Perkins und Steve Martin) oder dem Hörspiel (Die drei ???, Sherlock Holmes, Dorian Hunter), seine Stimme wird man kennen – Lt. Guck vom Mutantenchor hätte ich allerdings nicht wiedererkannt. Die dritte im Trio ist die forsche Dr. Lake, die Dyer gerne etwas bespöttelt. Gesprochen wird sie von Bettina Weiß. Weiß ist mir im Medium Hörspiel kaum bekannt – außer Takimo wüsste ich von keinem Auftritt. Auch sie ist eher als Synchronstimme von Hollywoodgrößen wie Sandra Bullock, Cate Blanchett oder Juliette Lewis bekannt. Die Assistenten der beiden Streithammel bilden dann wieder einen Kontrapunkt: Larry Danforth (Jan Panczak) und Leslie Carroll (Annina Braunmiller) sind einander durchaus zugetan. Beide Rollen wurden jung besetzt. Panczak war vorher vor allem in Maritim-Hörspielen aufgetreten – Sherlock Holmes und NYPDead gehören dazu. – und Braunmiller, die mir schon auf der Hörspiel 2010 sympathisch aufgefallen war, hat bisher anscheinend nur am Hörspiel Dragonbound – Die Prophezeiung mitgewirkt; Vampirfreundinnen werden ihre Stimme jedoch dennoch wiedererkennen. Die letzte Rolle ist Prof. Atwood, die etwas blass bleibt, woran Alexander Turreks solide, aber unauffällige Interpretation nichts ändert. Turrek sprach für das Hörspiel Die letzten Helden ein, darüber hinaus ist mir nichts bekannt.

Insgesamt ist die Performanz recht gut geworden; herausheben will ich einen weiblichen Schrei – ich vermute er stammt von Braunmiller – der durch Mark und Bein geht. Braunmiller sollte man im Ohr behalten.

 

Die Inszenierung ist wiederum verhältnismäßig modern. So gibt es keinen Erzähler im engeren Sinne, auch wenn Dyer gelegentlich dessen Funktionen übernimmt. Zudem gibt es ein paar beschreibende Figurenreden, deren Informationen meines Erachtens z. T. etwas geschmeidiger hätten verarbeitet werden können. Die Geräusche stehen für sich selbst – niemand kommentiert das beinahe allgegenwärtige Heulen und Pfeifen des antarktischen Windes. Zumeist werden sie beiläufig bei jeder passenden Gelegenheit verwendet. Eine Ausnahme ist das Geräusch, das im Roman mit "Tekeli-li! Tekeli-li!" wiedergegeben wird. Hierfür wurde etwas verwendet, dass an Wallaute erinnert; hier hätte man für meinen Geschmack etwas experimentierfreudiger sein können. Die Musik wird vor allem für Überleitungen gebraucht. Dann spielt düstere, zuweilen wuchtige Orchestralmusik in der Art moderner Soundtracks. Jenseits davon werden nur vereinzelte schaurige Klänge nicht immer leicht zu identifizierender Instrumente zur Untermalung verwendet. Mit kleinen Abstrichen eine gute Leistung.

 

Fazit:

Prof. Dyer gibt einen Bericht über eine gescheiterte Expedition in die Antarktis ab; man hatte zunächst bizarre Spuren gefunden, dann Unglaubliches erlebt und letztlich viele Mitglieder verloren. Gruppe verstärkt bei seiner Umsetzung von Lovecrafts Berge des Wahnsinns die pulpigen Aspekte der Vorlage: Humor, Exotik – und krasses Grauen. Sieht man von kleinen Schwächen ab, so ist das Hörspiel gut gelungen.

 

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Hörspiel:

Berge des Wahnsinns

Reihe: Gruselkabinett 44 & 45

Vorlage: H. P. Lovecraft

Buch: Marc Gruppe

Produzent: Stephan Bosenius & Marc Gruppe

Label: Titania Medien

Erschienen: September 2010

Umfang: 2 CDs, ca. 120 min

ASIN: 3785743866

Erhältlich bei: Amazon

 

Sprecher (Auswahl):

Reiner Schöne

Jan Panczak

Bettina Weiß

Annina Braunmiller

Eckart Dux

Alexander Turrek


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Erstellt: 12.01.2011, zuletzt aktualisiert: 28.12.2023 19:05, 11441