Bewahrer des Chaos von Wladimir Wassiljew

Hörbuch

Reihe: Wächter-Zyklus

 

Rezension von Ingo Gatzer

 

Rezension:

In Russland werden die ewigen Bestsellerlisten der Phantastik-Literatur nicht wie in vielen anderen Ländern von Büchern angeführt, die von dem Zauberlehrling Harry Potter handeln. Statt dessen dominieren hier die Werke des Wächter-Zyklus von Sergej Lukianenko, der damit zum erfolgreichsten russischen Fantasy- und Science-Fiction-Schriftsteller der Gegenwart avancierte. Bei Wächter des Tages, dem zweiten Band dieser Reihe fungierte Wladimir Wassiljew als Co-Autor. Bewahrer des Chaos ist sein erster Alleingang im Wächteruniversum, den nun OSTERWORLDaudio und Hörbuch Hamburg auf 5 CDs in einer gekürzten Lesung herausgebracht haben. Seit 1991 hat der leidenschaftliche Science-Fiction-Fan aber schon mehr als 20 Bücher verfasst.

 

Die sogenannten "Anderen" leben unerkannt in der Mitte der Menschen. Sie haben übernatürliche Kräfte und sind beispielsweise Vampire, Tiermenschen, Hexen oder Magier. Doch der Kampf zwischen den Dunklen und den Lichten Anderen wird durch den sogenannten "Großen Vertrag" streng reglementiert. Den "Wächtern der Nacht" obliegt es die Dunklen Anderen zu kontrollieren, während die "Wächter des Tages" selbiges bei den Lichten Anderen tun. Neutral zwischen beiden Machtblöcken befindet sich außerdem die unparteiische "Inquisition".

Sebulon, seines Zeichens Chef der Moskauer Tagwache beauftragt seinen Kollegen Laik, welcher den Kiewern Wächtern des Tages vorsteht, mit einer auf den ersten Blick einfachen Mission. In Sankt Petersburg treiben wilde Dunkle Andere, die sich selbst "Schwarze" nennen, ihr Unwesen und schrecken dabei auch vor Menschenopfern nicht zurück. Also stellt Laik unter dreifacher Schirmherrschaft von Nachtwache, Tagwache und Inquisition eine kleine Truppe von Dunklen zusammen um der Bedrohung Herr zu werden. Doch das Problem ist erheblich größer als angenommen.

 

Alle, die sich noch nicht im Wächteruniversum auskennen, werden zunächst erhebliche Probleme haben, sich bei der Rezeption von "Bewahrer des Chaos" zurechtzufinden. Denn die Hörer erhalten keinerlei Informationen darüber, was genau Andere, die Inquisition, Tag- oder Nachtwache sind. Auch komplexere Konzepte wie etwa das Zwielicht werden nicht erklärt, sondern als bekannt vorausgesetzt.

Kenner der Wächter-Serie dürfen sich dafür auf kleinere oder größere Auftritte von einigen bekannten Charakteren wie Sebulon, Geser, Edgar und anderen freuen. Wassiljew schafft es aber im Gegensatz zu Lukianenko nicht seine Charaktere so ansprechend auszuarbeiten und ihnen so etwas wie Tiefe zu verleihen. Das mag im Fall eines Nebencharakters - wie bei dem hier recht farblos wirkenden Geser - noch akzeptabel sein. Leider bleiben aber auch Hauptfiguren wie Laik oder Arik ziemlich blass. Angesichts der Tatsache, dass Wassiljew selbst in Petersburg und Odessa gelebt hat, hätte man sich zudem mehr Lokalkolorit gewünscht.

 

Interessant ist immerhin die Grundidee, welche den Aktionen der "Schwarzen" zugrunde liegt, aber hier nicht verraten werden soll. Packend und spannend ist zudem die Konfrontation auf dem Marsfeld geschildert. Leider wird die in diesen Kapiteln herrschende Intensität später kaum wieder erreicht. Schade ist auch, dass Hörbuch Hamburg nicht additiv oder substitutiv zu dieser Fassung eine ungekürzte Version von "Bewahrer des Chaos" herausgebracht hat.

Der deutsche Schauspieler, Sprecher und Autor Stefan Kaminski, der bereits 2006 den Preis der Deutschen Schallplattenkritik für das Hörbuch Wir pfeifen auf den Gurkenkönig erhielt, liefert bei der Lesung eine gewohnt gute Leistung ab. An einigen wenigen Stellen hätte man sich aber gewünscht, dass er einzelne Charaktere stimmlich noch unterschiedlicher anlegt.

 

Fazit:

Mit "Bewahrer des Chaos" ist Wladimir Wassiljew zwar im Gegensatz zu den ersten Bänden des Wächterzyklus kein Meilenstein des Genres gelungen. Trotz einiger Schwächen - etwa bei der Charakterzeichnung - stellt das Werk aber auch in der Hörbuchversion für Fans der Serie eine interessante Bereicherung dar und glänzt durch die Erweiterung des Konzeptes der "Anderen" sowie einem ansprechenden Höhepunkt.

 

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