Bisclavret von Marie de France
Hörspiel
Reihe: Gruselkabinett Folge 166
Rezension von Cronn
Der Mythos vom Werwolf ist derzeit nicht mehr allzu stark medial beachtet. Nach den Underground-Filmen und diversen Auftritten in den Werken von Stephenie Meyer ist es ruhig um den Werwolf geworden. Dabei ist es durchaus reizvoll den Ursprüngen dieser Gestalt auf die Spur zu kommen, wie dies Marc Gruppe mit seiner Hörspiel-Umsetzung von des Werks Bisclavret von Marie de France getan hat.
Marie de France war eine der ersten Poetinnen im mittelalterlichen Europa und lebte im 12. Jahrhundert. Ihr Werk »Bisclavret« wurde als Versdichtung geschrieben und ist eines der frühtesten Zeugnisse einer Werwolf-Dichtung in Europa.
Bereits in der Antike hat es Beschreibungen von Werwölfen gegeben, u. a. bei Ovid in seinen Metamorphosen und zuvor im Gilgamesch-Epos der Babylonier.
Marc Gruppe hat aus der Versdichtung ein Hörspiel geschmiedet, das durchaus ansprechend gelungen ist, wenngleich kleine Schiefheiten seinen Wert etwas schmälern. Doch zunächst zum Inhalt:
Verlagsinfo:
Bretagne, um 1170: Der ehrbare Ritter Eric de Bisclavret verschwindet sehr zum Ärger seiner Ehefrau Catherine jeden Monat für drei Tage, ohne jemanden von seinem Verbleib in Kenntnis zu setzen. Als die Gattin erfährt, dass er sich in dieser Zeit in einen Werwolf verwandelt, sorgt sie durch eine List dafür, dass er nicht zurückkehren kann, und beginnt ein neues Leben. Der Werwolf sucht Zuflucht bei seinem Lehnsherrn und sinnt auf Rache …
Kritik:
Das Hörspiel steigt ein mit einer Verwandlungsszene, die sehr effektvoll gelungen ist und auf auditiver Ebene sehr plastisch das Kopfkino erzeugt, die Verwandlung eines Menschen in einen Werwolf sehen zu können. Dieser effektvolle Einstieg macht Lust auf mehr.
Es folgen weitere intensive Kopfkino-Erlebnisse, besonders die Bettszenen können hierbei überzeugen, sind sie doch elementarer Bestandteil der Werwolf-Erzählung vom Tier im Menschen. Auch später gelingen bei der Jagd sehr gute Momente.
Die Erzählung greift dabei Volksmythen rund um den Werwolf geschickt auf und verbindet sie mit der Welt des Adels und ihren Intrigen. Interessanterweise sind hier zudem homoerotische Anspielungen in der Beziehung des Königs mit dem Werwolf zu finden.
Die sehr gelungen ausgewählten Sprecher füllen ihre Rollen mit viel Enthusiasmus. Mit dabei sind die Stimmen von Antje von der Ahe, Peter Weis, Jean Paul Baeck, Christian Stark, Bernd Kreibich, Sascha von Zambelly, Sabina Trooger, Rolf Berg, Marc Gruppe und Ursula Sieg.
Etwas fragwürdig ist an einigen Stellen die gewählte Musikuntermalung, die mit ihren Chören nicht exakt zu der Werwolf-Thematik passen mag. Andere Musik, in der mittelalterliche Instrumenten erklingen, ist da schon besser. Dennoch fehlt immer wieder die Wucht, wie sie orchestrale Umsetzungen modernerer Musik erzeugen könnte.
Fazit:
»Bisclavret« ist eine gut gelungene Umsetzung der Versdichtung von Marie de France, die zwar kleine Schwächen hinsichtlich der musikalischen Umsetzung aufweist, aber durch intensive Sprecharbeit, gelungenes Sounddesign und der weitgehenden Werktreue überzeugen kann.
Nach oben