Blood Song (Autor: Anthony Ryan; Raven’s Shadow Book I)
 
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Blood Song von Anthony Ryan

Reihe: Raven’s Shadow Book I

 

Rezension von Markus Mäurer

 

Rezension

Ich lese seit 20 Jahren (mit einigen Unterbrechungen) Fantasy. Ich kenne viele Klassiker, in denen es um Ringe, Barbaren, Mauslinge und Würmer geht; genauso wie von Rollenspielen inspirierte Questenfantasy, bei denen man die Würfel zwischen den Zeilen rollen hörte; die High-Fantasy aus den 80er Jahren, in der Bauerntölpel ihre verborgenen Kräfte entdecken und damit die Welt vor dem dunklen Lord retten; Sword und Sorcery in der ewige Helden alles abschlachten, was bei drei nicht auf den Bäumen ist, egal ob Freund oder Feind; Grim and Gritty, in der moralisch fragwürdige Helden ihre letzte Schlacht schlagen; komplexe Hofintrigenfantasy, in der um Throne gespielt wird; Entwicklungsromane, die wir in drei Arten des Schweigens lesen und dabei den jungen Helden beim Erwachsenwerden begleiten, bis er alt genug ist, seine ermordeten Eltern zu rächen usw.

 

Und so wie mir all diese Facetten der Fantasy bekannt sind, so wie ich schon unzähligen Male auf dem Buchrücken gelesen habe: »Wenn es einen Autor gibt, der im Fantasyhimmel Tolkien Pantoffel und Zeitung bringen darf, dann ist es X. Schreibt-endlos-an-dieser-Serie-weiter-bis-er-stirbt-und-Brandon-Sanderson-dann-weiter-macht«, so kenne ich auch den Klassiker unter den Rezensenten: »Auch dieses Buch wird das Genre nicht revolutionieren.«

 

Und genau so ist es. Blood Song enthält viele der oben genannten Fantasyelemente, und »Blood Song« wird das Fantasygenre nicht revolutionieren, denn das hat man alles schon mal gelesen, da ist inhaltlich nicht Neues dabei, das ist thematisch noch nicht einmal besonders originell. Wer schon so viel Fantasy gelesen hat wie ich, dem kommt das alles bekannt vor. Eine grimmige Welt wie bei David Gemell. Ein Entwicklungsroman über einen jungen Recken, der in einem Orden eine Ausbildung erhält wie bei Rothfuss und Co. Und auch die Erzählstruktur ähnelt der von Rothfuss.

 

Der Protagonist des Buches Vaelin Al Sorna erzählt einem Chronisten während einer Reise seine Lebensgeschichte. Zwischendurch gibt es immer wieder Zwischenkapitel, die in dieser Zeitebene spielen und reflektiv auf die Erzählung zurückblicken. Und die eigentliche Lebensgeschichte ist ziemlich geradlinig. Vaelin wird von seinem Vater als Zwölfjähriger zum sechsten Orden (»sixth order«) gegeben, wo er über Jahre zum Krieger ausgebildet wird. Also eine Internatsgeschichte in einer Grim and Gritty Variante á la David Gemell. Es folgen Anschläge auf Vaelins Leben, Verschwörungen, Hofintrigen, eine schöne Prinzessin, jede Menge Überlebenskampf und schließlich Krieg.

 

Aber! Was dieses Buch vom üblichen Fantasyeinheitsbrei abhebt, ist der Erzähler Anthony Ryan. Der versteht sein Handwerk ausgezeichnet, schreibt immer direkt auf den Punkt, ohne große Abschweifungen, ohne Ausschmückungen und stilistische Spielereien. Gleichzeitig gelingt es ihm, dieser Geschichte, die in einer harten und erbarmungslosen Welt spielt, Herz und Wärme zu verleihen. Denn trotz der gnadenlosen Ausbildung im Kampfinternat, trotz tödlicher Prüfungen in der Wildnis, wachsen die jungen Ordensbrüder zu einer verschworenen Gemeinschaft heran, die füreinander einsteht, und diesem Buch einen emotionalen Kern verleiht.

 

Ryans Figuren wirken alle sehr lebendig, wenig konstruiert und jederzeit glaubhaft. Auch versteht es der Autor, durch seinen effektiven Erzählstil, der trotz seiner Geradlinigkeit einen enormen und sehr britischen Wortschatz enthält, zu keiner Zeit zu langweilen. Sämtliche Unterrichtsstunden, egal ob es ums Schmiedehandwerk, das Überleben in der Wildnis oder das Bogenschießen geht, sind spannend und lebendig beschrieben. Mich hat dieser Erzählstil von Anfang an gepackt, obwohl die eigentliche, spannende Geschichte erst nach dem ersten Drittel losgeht. Ab hier wird der Protagonist immer erwachsener und zynischer. Er erhält Einblicke hinter die Kulissen des Königreichs und des Glaubenssystems, die diese Entwicklung fördern.

 

Mit interessanten, lebendigen Figuren, einem schnörkellos-effektiven Schreibstil und bekannten Elementen, kann man also durchaus noch einen Fantasyroman schreiben, der den Leser packt und in die fiktive Welt mit hineinzieht, wo er zusammen mit dem Protagonisten leidet, friert, kämpft und lacht. Selbst in den banalsten Momenten gelingt es dem Autor, diese spannend und mitreißend zu beschreiben. Gegen Ende geht dem Buch dann aber doch ein wenig die Puste auf. Das herrscht nicht nur auf dem Schlachtfeld ein Patt, sondern auch ein wenig Stillstand in der Handlung, die schon fast zäh zu werden droht. Dann bekommt der Autor aber doch noch die Kurve und bringt den Roman zu einem guten Abschluss.

 

»Raven’s Shadow Book I: Blood Song« erschien zunächst in einer Eigenveröffentlichung, wurden dann aber von Pinguin Books gekauft und herausgebracht. Es ist als Hardcover, Taschenbuch und E-Book erhältlich. Ich habe die von Ryan selbstpublizierte Kindle-Version gekauft. Hier gibt es kein elektronisches Inhaltsverzeichnis, man muss also aufpassen, dass man sich nicht verblättert. Für etwas mehr Geld gibt es auch eine Kindle-Fassung von Hachette Digital, die ein anklickbares Inhaltsverzeichnis erhält und etwas besser gesetzt ist. Inhaltlich scheint es aber (nach Vergleich der beiden Leseproben) keinen Unterschied zu geben. Wobei es sein kann, dass es nur noch die eine Fassung gibt. Da blicke ich inzwischen nicht mehr so ganz durch.

 

Die deutsche Fassung wurde von Sarah und Hannes Riffel übersetzt und wird vermutlich im Herbst bei Klett/Cotta erscheinen. Das Buch war im englischen Sprachraum wohl sehr erfolgreich, und sämtliche deutsche Fantasyverlage sollen daran interessiert gewesen sein.

 

Teil 2 »Tower Lord« wird im Juli erscheinen.

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Buch

Blood Song

Reihe: Raven’s Shadow Book I

Autor:Anthony Ryan

Dateigröße: 1054 KB

Eigenverlag, ca. 592 Seiten

Sprache: Englisch

 

Taschenbuch-ISBN 10: 0425268284

Taschenbuch- ISBN-13: 978-0425268285

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B0070NSPCU

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202403282300140b8bf9be
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Erstellt: 10.02.2014, zuletzt aktualisiert: 23.01.2024 18:51, 13419