Blutschrift (Autor: Jørgen Jæger)
 
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Blutschrift von Jørgen Jæger

Rezension von Björn Backes

 

Inhalt:

Die ansonsten so friedfertige, ruhige Gemeinde Fjellberghavn wird in kürzester Zeit von zwei Horrormeldungen erschüttert. Zunächst fällt der beliebte Zahnarzt Joakim Sørensen einem tödlichen Schuss aus dem Hinterhalt zum Opfer, und kurz darauf verbrennt ein ebenso populärer Arztkollege in den Trümmern des riesigen Verwaltungstrakts, welcher ihm aufgrund einer weiteren Bedrohung noch von der Polizei als Schutzhort zur Verfügung gestellt wurde. Ole Vik, Polizeichef und Besitzer des abgebrannten Gebäudes, muss trotz seiner persönlichen Verluste schnell handeln, da bereits die nächsten Drohbriefe kursieren und er zum nächsten Opfer deklariert wird. Doch schneller als erhofft, scheint sich der Fall von selber aufzuklären, da die offenkundige Tatverdächtige sich selber erhängt und derweil deutliche Spuren hinterlässt. Doch während Vik und seine Kollegen beginnen, dem Trümmerhaufen ins Auge zu blicken und die Spuren zu beseitigen, zeigt ihnen ein nachgewiesenes Alibi der just Verstorbenen, dass die ganze Serie auf einer gewaltigen Intrige beruht, deren Strippenzieher noch frei herumlaufen. Viks Team muss erneut in den schmutzigen Sumpf hinein, der neben den blutigen Attentaten auch noch von familiärer Gewalt und Kinderpornografie beschmutzt wird…

 

 

Rezension:

“Blutschrift“ ist hierzulande das Debüt des norwegischen Krimi-Autors Jørgen Jæger und gleich ein ziemlich gutes und abwechslungsreiches, somit also schon mal ganz klar etwas außergewöhnlich für einen Kriminalroman aus dem skandinavischen Raum. Das Tempo ist enorm hoch, die Stimmung ziemlich aufgeheizt und auch der gewaltige Komplott, welcher der Handlung zugrunde liegt, fast schon bombastisch in seiner Inszenierung, so dass die Story zumindest im Bereich der Action phasenweise amerikanisches Format annimmt – und das wirkt gerade in den ersten Kapiteln nicht immer glaubwürdig.

Schwierig ist ganz besonders die kurze Folge der gravierenden Ereignisse, die den Plot fast schon zu erschlagen droht. Der erste Mord ist noch nicht mal verdaut, die Ermittlungen haben noch nicht mal begonnen, und schon startet in der sonst so beschaulichen Provinz schon das nächste Horror-Szenario, das in diesem Setting schon relativ weltfremd anmutet. Erst als die Ermittlungen halbwegs in die Gänge kommen, erscheint die Story wieder authentisch, bekommt hier aber auch endlich mal die längst überfällige Atemluft. Nachdem der Leser ins eiskalte Wasser geschmissen wurde und selbst bei den Hauptcharakteren noch kein akzeptables Profil erkennen konnte, beruhigt sich die Handlung nach und nach und offenbart auch ihr durchaus anständiges Potenzial. Da jagt eine schizophrene Reinigungskraft durch den Kreis der möglichen Täter, es kommt ständig zu emotionalen Tragödien, die teilweise jedoch mehr Schein als Sein sind, das Thema Kinderpornographie wird langsam an die Geschichte herangetragen, Witwen und geschiedene Frauen rücken in den Fokus, eine ganze Menge wird auf eine Schuhgröße geschoben, und während man noch darauf wartet, dass das wachsende Puzzle endlich mal ein paar brauchbare Ergebnisse hervorbringt, wird die Story ein weiteres Mal auf den Kopf gestellt, da langsam aber sicher alle angesprochenen Bewohner Fjellberghavns verdächtig sind.

Was Jæger in diesem Zusammenhang wirklich gut gelingt, ist die Verbindung von Tempo, Action und angenehmer Komplexität. Es gibt genügend Motive für alle Taten, bei den Ermittlungen verhindern zahlreiche Dopplungen konkrete Ergebnisse, und da die Protagonisten ständig von Haus zu Haus eilen und ihre Protokolle immer wieder mit neuen Erkenntnissen vermischen, bleibt bis zuletzt wirklich unklar, wohin das Ganze führen wird. Im Hinblick auf die Struktur und das Grundarrangement der Kriminalhandlung bleiben daher in „Blutschrift“ auch keine Wünsche offen.

 

Dafür zeigt der Autor jedoch bei der Entwicklung seiner Figuren einige kleine Schwächen, die auch den Grad der Glaubwürdigkeit in Mitleidenschaft ziehen. Im Mittelpunkt steht hier einmal mehr Ole Vik, der in seinem Profil erstaunlich unspektakulär bleibt, zwar ein paar sympathische, angenehme Grundzüge mitbringt, aber überhaupt keine Emotionen zeigt, obschon in einem der ersten Kapitel alle seine Erinnerungen und sein gesamter Besitz in Flammen aufgeht. Hier den harten, unbeeindruckten Kerl zu markieren, passt einfach nicht, ist aber auch der Anfang einer Reihe von charakterbezogenen Ungereimtheiten, die sich wirklich bis zur letzten Seite durch das Buch ziehen – und leider auch einen enttäuschenden Kontrast zur ansonsten recht guten Handlung bilden. Diskrepanzen eben, die für ein Debüt gar nicht mal so untypisch sind, und an denen der Autor in seinen nächsten Werken noch zu arbeiten haben wird. Doch aufgrund der sehr guten Ansätze darf man wirklich zuversichtlich sein, dass Jørgen Jæger hier einen erfolgreichen Weg einschlagen wird – zumal „Blutschrift“ definitiv ein guter Krimi ist!

 

 

Fazit:

Für ein Krimidebüt ist „Blutschrift“ eine wirklich gute Story, die im Charakteraufbau zwar noch einzelne Defizite aufweist und aufgrund des anfangs fast schon übertrieben hohen Tempos nicht immer glaubwürdig erscheint, sonst aber wirklich lesenswert ist. Nur eines ist „Blutschrift“ trotzdem nicht, nämlich ein typisch skandinavischer Krimi. Doch auch das ist kein negativer Punkt, sondern zeugt von der Risikobereitschaft des zweifelsfrei talentierten Autors.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240425155902f4036d54
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Blutschrift

Autor: Jørgen Jæger

Broschiert: 347 Seiten

Verlag: Dtv (Januar 2009)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3423211113

ISBN-13: 978-3423211116

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 15.03.2009, zuletzt aktualisiert: 31.01.2024 18:21, 8420