Bräute, Bier und Blaue Bohnen (Sin City Bd. 6)
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Bräute, Bier und Blaue Bohnen

Reihe: Sin City Bd. 6

Rezension von Christian Endres

 

Bei unserem sechsten (und leider auch schon vorletzten ...) Besuch von Frank Millers Stadt der Sünde erwartet uns ausnahmsweise kein einzelnes Abenteuer, sondern eine Sammlung unterschiedlich stark miteinander (bzw. den bisherigen Bänden und Handlungen) verknüpfter Kurzgeschichten, die der Meister des »Comic noir« in gewohnt düsteren Tönen und extravagantem Look serviert. Ein wahrer Schmaus für Augen und Sinne, garniert mit heißen Bräuten, hinuntergespült mit schäumenden Bier und angereichert mit ein paar blauen Bohnen ...

 

Kurzgeschichtensammlungen haben selbst (oder gerade) dann, wenn sie von einem einzelnen Künstler stammen und kein Anthologie-Projekt mehrerer Autoren sind, immer mit schwankender Qualität der einzelnen Beiträge/Geschichten zu kämpfen. Es freut daher ungemein, dass Frank Millers Stories für »Bräute, Bier und Blaue Bohnen« ebenso abwechslungsreich wie qualitativ hochwertig sind, ein Schaulaufen und eine repräsentative Quersumme seiner Fähigkeiten als Erzähler, Skripter, Texter und Zeichner. Dabei ist es nicht nur das ständige Wiedersehen mit alten, »bewährten« Bekannten wie Haudegen Marv oder dem liebenswert-eloquenten Schurkengespann Fat Man und Little Boy, das den Anspruch auf hohe Qualität von vorne herein untermauert, sondern auch die Neubekanntschaften, die wir im Verlauf des Buches schließen – etwa wie die schöne, aber tödliche Auftragskillerin Blue Eyes oder ein alter Engländer, der sich nicht nur mit Ratten auskennt ...

 

Man hat auf jeder Seite das Gefühl, dass Miller es einfach nur genossen, sich zu Weilen ja sogar königlich dabei amüsiert hat, diese Geschichten zu schreiben und zu zeichnen. Hier konnte er sich richtig austoben und all seine Facetten und all die Aspekte des Künstlers und Kunstschaffenden in sich ausleben; er konnte humorvoll und sardonisch sein, aber mal auch düster, dreckig, schmutzig und brutal oder einfach nur cool, weise oder noir. Wahrscheinlich ist dies der Sin City-Band, der am ehesten Millers Vielseitigkeit, aber eben auch seine Ambitionen dokumentiert und daher am schnellsten und ohne Vorkenntnisse zeigt, wie Miller als Comickünstler tickt und arbeitet und was man von seiner Werkpalette alles erwarten kann.

 

Ich möchte mich eben aufgrund dieser Vielseitigkeit gar nicht festlegen, welche Geschichte des Bandes mir am besten gefallen hat. Natürlich freute mich das Wiedersehen mit Dwight oder Marv, doch haben mich auch die neuen, teilweise sogar namenlos bleibenden Charaktere begeistert. Und dass das generelle Setting, der Drive der einzelnen Stories stets stimmt, brauche ich bei Miller hoffentlich nicht mehr eigens zu erwähnen ...

 

Mit dem sechsten Band ist das halbe Dutzend voll, knapp 1200 Seiten Sin City liegen nun schon hinter uns – und ich habe mich immer noch nicht an Frank Millers Artwork satt gesehen und staune jedes Mal von Neuem. Auch diesmal wieder überzeugt Millers extravagantes Spiel mit Schwarz und Weiß, mit Flächen und Linien, groben Schattenrissen und detailreichen Panels. Wenn Miller einen seiner gefallenen Helden aus der verruchten Sündenstadt, gehüllt in einen schlabberigen Trenchcoat, durch Regen oder Schnee stapfen lässt, dann stellt sich ein Gefühl großer Kunst, großer Ehrfurcht ein. Diese Zeichnungen sind einfach zeitlos; Miller weiß genau, wo er welchen Strich setzen muss, um die durch die Texte angestiftete Atmosphäre zu vertiefen. Mit wenigen hellen Einschnitten in den dunklen Hintergrund, wenigen schwarzen Strichen auf dem jungfräulich weißen Papier und natürlich einer innovativen Seitenauf- und Panelverteilung formt Miller das Bild seiner Stadt und ihrer Engel und Teufel, arbeitet es weiter aus und lässt seinen Leser stellenweise einfach nur mit offenem Mund auf eine Seite starren.

 

Die Aufmachung des Bandes ist wieder äußerst gelungen, wenngleich die reinweiße Weste diesmal einen kleinen, bleibohnenblauen Schandfleck hat, der sich in zwei falsch positionierten Seiten ausdrückt. Doch die beiden vertauschten Seiten (die in der zweiten Auflage korrigiert werden sollen) trüben das positive Gesamterscheinungsbild wirklich nur marginal, und spätestens wenn das Nancy-Buchrückenmotiv weiter anwächst oder die Sonderfarben rot und blau Millers prächtig-kunstvolles Schwarzweiß-Artwork auflockern, ist dieser kleine Ausrutscher verziehen.

 

Fazit: Mit »Bräute, Bier und Blaue Bohnen« legt Frank Miller einmal mehr ein Plädoyer für seine eigene Vielseitigkeit ab. In den elf hier versammelten Kurzgeschichten unterschiedlicher Länge ist Miller mal lyrisch, mal humorvoll, mal düster, mal brutal und mal einfach nur cool oder gar noir. Es ist unglaublich, mit welch begrenzten, reduzierten Mitteln in Sachen Zeichnungen, aber auch Text dieser Mann atmosphärische Momentaufnahmen schaffen kann. Letztlich kann man gar nicht anders, als den Künstler, den Autor und Zeichner in Miller über alle Maße zu bewundern, zu vergöttern.

 

Wer die ersten Bände mochte und an den ersten fünf Abstechern nach Sin City seinen Spaß hatte, kommt an »Bräute, Bier und Blaue Bohnen« eigentlich nicht vorbei. Knackige, bis auf ein oder zwei Ausnahmen durchwegs gelungene und vor allem abwechslungsreiche Kurzgeschichten und das Wiedersehen mit alten Bekannten wie Marv oder Dwight machen diesen sechsten Band der Sin City-Reihe zu einem echten Must-Have für Fans dieser einmaligen Serie und ihres einmaligen Schöpfers.

 

Es gilt daher: Wer nicht mit auf den vorletzten Zug nach Sin City aufspringt, der kriegt zum Frühstück bald nur noch »blaue Bohnen« – Kaufen!

 

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404232100031766e41e
Platzhalter

Comic:

Bräute, Bier und Blaue Bohnen

Reihe: Sin City Bd. 6

Autor: Frank Miller

Verlag: Cross Cult

Format: Hardcover

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 3936480168

Anzahl Seiten: 160

Erhältlich bei Amazon


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 12.08.2006, zuletzt aktualisiert: 28.12.2022 16:07, 2650