Auch vor Bram Stokers Dracula gab es bereits Vampirromane, die aber nicht die Bekanntheit der Geschichte um den rumänischen Fürsten erlangten. Vielleicht auch, weil sie viel stiller und harmloser daher kommen als Sheridan Le Fanus Schauernovelle Carmilla aus dem Jahr 1872. Klett Cotta präsentiert das Buch noch einmal in einer hübsch gestalteten Schmuckausgabe.
Laura und ihr Vater leben zusammen mit nur wenig Personal auf einem abgelegenen österreichischen Wohnsitz. Das junge Mädchen hat kaum Kontakt zu Gleichaltrigen, daher scheint es eine gute Gelegenheit zu sein, eine junge Frau aufzunehmen.
Carmilla wurde bei einem Kutschenunfall verletzt und wird schon bald zu einer netten Gefährtin für Laura. Allerdings merkt das Mädchen schon bald, das etwas mit ihrer neuen Freundin nicht stimmt und vor allem auch ihre Ängste aus der Kindheit zurück kommen.
Wie viele Geschichten der Schauerromantik kommt auch Sheridan Le Fanus Novelle erst einmal sehr ruhig und beschaulich daher, das Grauen bleibt erst einmal eher im Hintergrund, während man Laura und ihre Lebensumstände genauer kennen lernt, aber auch deren Ängste, die darauf hin deuten, dass sie davon irgendwann eingeholt wird.
Mit Carmilla scheint das Leben in das einsame Anwesen zurück zu kehren, die beiden jungen Frauen werden zu guten Freundinnen, es entwickelt sich sogar eine knisternde intime Spannung zwischen ihnen, ohne dass es zu entsprechenden Handlungen kommt. Doch interessanterweise bleibt Laura ausgesprochen wachsam. Und so fügt sich, während das Unheimliche mehr Raum bekommt, alles ineinander, angefangen mit den Andeutungen, die immer zahlreicher werden.
Der Autor spielt wie später Bram Stoker auf die volkstümlichen Überlieferungen aus dem Balkan an und enthüllt schließlich den Hintergrund, damit endlich die entsprechenden Aktionen unternommen werden können.
Das ganze wird natürlich mit einer, für die damalige Zeit üblichen emotionalen Distanz erzählt, denn Laura bleibt recht distanziert und verständig, entwickelt aber dennoch einen gewissen Zauber und selbst das Ende bietet genau die Stimmung, die zur Geschichte passt.