Dämonen zum Frühstück (Autor: Julie Kenner; Die unglaublichen Abenteuer der Kate Connor 1)
 
Zurück zur Startseite


  Platzhalter

Dämonen zum Frühstück von Julie Kenner

Reihe: Die unglaublichen Abenteuer der Kate Connor Bd. 1

Rezension von Oliver Kotowski

 

Kate Connor hat einen stressigen Tag – ihr Mann Stuart ist Staatsanwalt und gerade massiv mit seiner politischen Karriere beschäftigt, überlässt ihr also weitgehend die Familie. Das sind die vierzehnjährige Allie und der zweijährige Timmie. Mit den beiden gilt es den Großeinkauf zu machen. Timmie wirft die Tierfutterdosen um – und riecht streng. Zeit die Windeln zu wechseln. Die maulige Allie wird mit einer Bonus-CD zum Aufräumen bestochen und dann auf zum Wickelraum. Dort erwacht nach langer Zeit Kates Instinkt (sie war vor vierzehn Jahren eine gefährliche Dämonenjägerin für die geheime Vatikanorganisation Forza Scura, wovon kein Außenstehender erfahren darf): Es riecht nach Dämon. Aber San Diablo ist geschützt vor Dämonen, darum war Kate einst hergezogen; es muss wohl doch Timmie sein. Im Laufe des Tages erlebt Kate jedoch noch einige krasse Überraschungen: Zunächst bittet Stuart sie heute – HEUTE?! – Abend ein Essen für acht wichtige (und momentan leider nur potentielle) Unterstützer auszurichten. Dann springt ein Dämon durch ihr Küchenfenster. Nur mit Mühe und Not und auf Kosten des achten Weinglases (verflixt, kein Ersatz mehr!) kann sie ihn erledigen. Schnell die Leiche in der Vorratskammer versteckt, es klingelt – Nein, Schatz, alles unter Kontrolle! – Die Scheibe? – Ähh, das war der Nachbarsjunge mit dem Baseball – und schließlich riecht es wieder nach Dämon, als der einflussreiche Richter Larson eintritt. Soll sie ihrem eingerosteten Instinkt vertrauen und einen Fauxpas riskieren – Sorry, Schatz, aber der Richter roch wie ein Dämon?

 

Das fiktive San Diablo ist eine typische kalifornische Kleinstadt: Es gibt eine kleine, eng bebaute Altstadt im europäischen Stil, größere und billigere Vororte mit netten Einfamilienhäusern und einem Hang zur Spießigkeit, Einkaufszentren, die Rund um die Uhr geöffnet sind, und dergleichen mehr. Das Geschehen ist zudem fest in der Gegenwart eingebettet: Allie möchte einen Harry Potter-Videoabend mit ihrer Freundin machen, Telefonate per Handy und Recherchen im Internet werden ganz beiläufig gemacht. Der Schauplatz wird jedoch nie weiter entwickelt, als es für die Geschichte von Belang ist. Aufgrund des Gesamtkonzeptes funktioniert das stellenweise recht typhafte Setting weniger wie ein Ambiente, sondern eher wie ein künstliches Milieu.

Wie der Name "San Diablo" schon ahnen lässt, ist nicht immer mit strengem Realismus zu rechnen. So ist Kate nach vierzehn Jahren ohne Training noch überraschend gut in Form. Ein Kloster wurde zerstört, die Brüder brutal ermordet. Da die Polizei von der Tat einer Gang ausging, wurde nicht weiter ermittelt – in Italien?! An der einen oder anderen Stelle wird auf eine eher cinematische Lösung gesetzt.

Das zentrale phantastische Element sind zweifellos die Dämonen. Hier wird auf einen überraschenden Aspekt gesetzt: Die Dämonen ergreifen Besitz von menschlichen Leibern, zumeist Leichen, um tätig zu werden. Sie können sich allerdings auch manifestieren – dann können sie die Gestalt mörderischer Tiere annehmen. Insgesamt orientiert sich Kenner hier eher an der Bibel als an moderner Horrorliteratur.

 

Die Figuren sind im Kern zentrische Typen aus einer Familien-Seifenoper: Kate ist die klassische Soccer-Mom, Stuart ein netter Ehemann und ehrgeiziger Politiker, Allie ein pubertierender Teenager und Timmie – nun ja – ein zweijähriger Fratz. Trotzdem gelingt es der Autorin den Figuren immer wieder eine andere Seite abzugewinnen und sie so vor dem bloßen Stereotypendasein zu bewahren. Ähnliches gilt auch für die anderen Figuren wie Kates Freundin Laura, der Mutter von Allies Freundin Mindy. Kate ist die Hauptfigur und wird weiter entwickelt als die anderen Figuren; mit der Vergangenheit als knallharte Dämonenjägerin muss die überfürsorgliche Hausfrau einen amüsanten Spagat bewältigen – welche Seite setzt sich durch, geht sie jagen oder bleibt sie bei ihrer Familie? Bei den Nebenfiguren kann die Autorin das Interesse mit einem kleinen Trick aufrechterhalten: Sie schafft es den Leser im Unklaren darüber zu belassen, welche Figur für die Dämonenjagd noch wichtig wird und welche bloß ein Statist aus dem Leben einer gestressten Hausfrau ist.

 

Der Plot vereint sehr unterschiedliche Elemente. Zunächst ist da sehr viel Familienalltag. Dieser ist vor allem deshalb interessant, weil er mit ironischer Distanz geschildert wird und im scharfen Kontrast zur Dämonenjagd steht. Bei der Dämonenjagd geht es darum, die Rückkehr des mächtigen Dämonen Goramesh zu verhindern. Dieser will eine Armee ausheben und sucht dafür nach etwas – dieses gilt es zu finden, bevor der Unhold es erhält. Entsprechend sind die Spannungsquellen verteilt: Der Roman ist sehr komisch aufgrund der ironischen Distanz und des Kontrastes, aber auch die Bemühungen den Anschein des Normalen aufrechtzuerhalten tragen dazu bei. Die Dämonenjagd bezieht ihre Spannung in erster Linie aus drei Quellen. Erstens den Rätseln: Was sucht Goramesh? Wie lässt er sich aufhalten? Dazu gibt es noch weitere Merkwürdigkeiten, die der Klärung bedürfen. Zweitens den überraschenden Wendungen – die Autorin legt einige falsche Fährten aus. Drittens der bedrohlichen Grundstimmung: Konkrete Bedrohungen – Kämpfe und dergleichen – gibt es nur wenige, aber der Leser weiß nie, wann der nächste Angriff stattfindet.

Der Plotfluss ist etwas unregelmäßig. Die Geschichte steigt schnell ein – schon im ersten Kapitel (das nur dreiundzwanzig Seiten lang ist) wird der erste Dämon ausgeschaltet und in den folgenden Kapiteln erhält Kate wichtige Informationen – doch im Mittelteil verlangsamt sich der Fluss erheblich um erst am Ende des Buches wieder an Fahrt aufzunehmen. Meines Erachtens hätte die Geschichte mit der Streichung einiger Alltagsredundanzen im Mittelteil durchaus gewonnen.

 

Erzähltechnisch ist der Roman unauffällig – es gibt nur einen Handlungsstrang, der von der Ich-Erzählerin Kate bestritten wird. Es gibt kaum Sprünge, was der Erzählzeit gegenüber der Erzählten Zeit Gewicht verleiht; es erzeugt atmosphärische Dichte auf Kosten des Plotflusses. Der Stil passt gut zum Sprachduktus einer Soccer-Mom; die ehemalige Dämonenjägerin wird in abgebrühten Einsprengseln bedacht. Verschieden Formen von Einschüben emulieren spontane Einwürfe und Anmerkungen wie etwa in einem Gespräch.

Mit der unauffälligen Erzähltechnik kann der Leser leicht die sorgfältige Komposition der einzelnen Aspekte übersehen: Die typische Kleinstadt mit dem plakativen Namen und den netten Vororten passt perfekt zur Familie der Soccer-Mom; es ist selbstverständlich kein Zufall, dass die Figuren im Kern einer Familien-Seifenoper entstammen – nur so fügen sie sich mit so viel ironischer Brechung dem Plot-Mix aus humorvollen Familienroman a la Emma Bombecks Ich habe mein Herz im Wäschekorb verloren und Mystery-Thriller a la Buffy the Vampire Slayer. In der Tat gibt es über die Plotstruktur hinaus einige Ähnlichkeiten mit der Buffy-Reihe – es ist das selbstironische, 'postmodern-light' Spiel mit dem Kernthema Heldin des Alltags. Die verhohlene und anspielungsreiche Gesellschaftskritik aus Joss Whedons Werk findet sich hier allerdings nicht.

 

Fazit:

Kate Connor ist Ehefrau und Mutter, sie muss einen Zweijährigen und einen pubertierenden Teenager gleichzeitig bei Laune halten, ein Essen für acht wichtige Leute vorbereiten – und sich mit den Schatten ihrer Vergangenheit herumschlagen: Nach vierzehn Jahren Pause wird sie wieder für die Forza Scura als Dämonenjägerin tätig. Mit dieser Mischung aus Familienseifenoper und Mystery-Thriller gelingt der Autorin ein humorvoller Auftritt auf der literarischen Bühne. Auch wenn das Pacing und Timing bei diesem Roman verbesserungswürdig ist, kann das akkurat abgestimmte Gesamtkonzept überzeugen. Vampire gibt es allerdings keine.

 

 

Nach oben

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240420122228bd6ea728
Platzhalter

Buch:

Titel: Dämonen zum Frühstück

Reihe: Die unglaublichen Abenteuer der Kate Connor

Original: Carpe Demon (2005)

Autor: Julie Kenner

Übersetzer: Franziska Heel

Verlag: Heyne (Juli 2008)

Seiten: 412-Broschiert

Titelbild: Natascha Römer

ISBN-13: 978-3-453-53283-0

Erhältlich bei Amazon


Platzhalter
Platzhalter
Erstellt: 13.07.2008, zuletzt aktualisiert: 31.03.2024 19:56, 6902