Der Band beinhaltet 16 Kurzgeschichten, mal länger, mal kürzer, die sich alle in Deutschland, der Schweiz oder Österreich verorten lassen. Das war auch der Ausgangspunkt, wie die Herausgeber im Vorwort schildern.
Naturgemäß kann man in einer Anthologierezension nicht auf jede einzelne Story eingehen, daher werden einige Highlights genannt, die besonders herausragen.
Den Reigen beginnt Andreas Gruber mit Die Nacht unter der Teufelsbrücke. Dass der vor allem als Krimiautor bekannte Andreas Gruber in der dunklen Phantastik seine Wurzeln hat, merkt man der Geschichte schnell an. Routiniert geschrieben, mit einem Hang zum grimmigen Humor. Im Gasthaus Schimmelkrug trifft während eines Unwetters eine illustre Gesellschaft ein, darunter u. a. Mr. Dickens und weitere Engländer. Gruber hatte sichtlich Spaß daran, mit Anspielungen auf berühmte Autoren der Phantastik seine Story zu unterlegen und so nimmt die Nacht voller Ausschweifungen und unheimlicher Vorkommnisse ihren Lauf.
Nina Blazon lässt in Das Relikt das Grauen in einem Plattenbau in Berlin auf die Menschen los. Geschickt erzählt die Autorin von einer jungen Familie, die neu in eine Wohnung zieht und dabei auf allerlei Merkwürdigkeiten und Abgründigkeiten trifft, bis schließlich ein Wesen in ihr Leben tritt, das grauenvolle Pläne hat. Sehr stimmig und mit einer guten Beobachtungsgabe für Alltagssituationen versetzt.
Das engste Tal ist eine Story von Vera Buck. Hier ereilt das Grauen zwei Wanderer in den Bergen der Schweiz. Die Autorin setzt zwischen die Geschichte immer wieder die Zeilen eines gruseligen Reimgedichts, das wie ein Abzählreim für Kinder wirkt. Die beiden Wanderer erleben schlussendlich in einem verlassenen Bauernhof ein psychologisch-übernatürliches Spiel mit der Realität. Geschickt konstruiert und stilistisch überzeugend.
Vincent Voss schickt den Leser mit Frau Tutas und die Hexen aus Wakendorf II in den hohen Norden, wo eine Dorfgemeinschaft sehr merkwürdige Ansichten rund um das Thema Geburt hat. Es gelingt dem Autor die Geschehnisse nah an der Realität anzusiedeln, obgleich sein Thema wie aus einem anderen Jahrhundert wirkt.
Den Abschluss macht Kai Meyer, der mit Kalvarienberg die beste Story der Sammlung vorlegt. Die Reise des Erzählers durch die Eifel als Weg der Rückbesinnung auf seine Recherchetour rund um Wegkreuze wird im Laufe der Geschichte zu einer grauenhaften Tour de Force, die in einem wahrhaft grauenvollen Finale kulminiert. Hier zeigt Kai Meyer erneut seine Meisterschaft, indem er Andeutungen streut, die erst nach und nach sich zu einem stimmigen Gesamtbild fügen und schlussendlich auf brutale Weise den Weg des Erzählers beendet. Großes Erzählkino – Chapeau!