Das geheime Portal von Henry Neff

Reihe: Schule der Magier Bd. 1

Rezension von Bine Endruteit

 

Max ist mit seinem Vater unterwegs ins Kunstmuseum, als er einen seltsamen Mann mit einem weißen Auge sieht, der ihm sofort gruselig vorkommt. Als er ihm im Museum ein zweites Mal begegnet, flüchtet er sofort in einen angrenzenden Raum, obwohl dieser mit einem Band für Besucher versperrt ist. Dort hängt ein Wandteppich, auf dem der Junge seltsame Bilder von schlafenden Soldaten, einem Krieger und einem Bullen sieht, während das gesamte Gewebe in goldenem Glanz erstrahlt. Als Max diesen Raum verlässt, sind mehrere Stunden vergangen, obwohl er das Gefühl hatte, nur einige Sekunden dort verbracht zu haben. Sein Vater glaubt ihm natürlich kein Wort und brummt ihm prompt Hausarrest auf.

 

Doch die merkwürdigen Ereignisse haben noch kein Ende, denn Max wird, als er abends alleine zu Hause ist, von einer Furcht erregenden Frau besucht. Ist sie die, die in dem Brief angekündigt wurde, den Max erhalten hat, nachdem er aus dem Museum kam? Wohl nicht, denn sie wird immer aggressiver und schließlich muss Max vor ihr flüchten. Doch ein Mann, der sich als Anwerber herausstellt, kommt ihm zu Hilfe. Er führt mit ihm einige seltsame Tests durch, bei denen dem Jungen nicht nur klar wird, dass er eine magische Begabung hat, er wird sogar auf eine ganz spezielle Schule aufgenommen, die Rowan Akademie. Und dort sollen ihm noch viel mehr seltsame Dinge begegnen, zum Beispiel ein Oger und eine Menschen fressende Hexe, die in der Küche arbeiten, und Fabelwesen, von denen er eins sogar betreuen darf.

 

Wenn Sie von einem Jungen lesen, der unter normalen Menschen aufgewachsen ist, aber ein Magier ist, der auf magische Weise einen Brief bekommt, in dem steht, dass er an einer Zauberschule aufgenommen wurde, der besondere Fähigkeiten in sich trägt, die das Böse bekämpfen sollen, an dessen Schule jedes Kind ein eigenes Tier hat, der beim magischen Mannschaftssport ungewöhnlich gut abschneidet und der einen gemeinen Widersacher in einer anderen Klasse hat, an wen denken Sie da? Richtig, an Harry Potter. Aber das alles trifft auch auf den ersten Teil der Serie „Schule der Magier“ von Henry H. Neff zu, der den Titel „Das geheime Portal“ trägt. Das zeigt natürlich sofort die Schwäche der Geschichte: Sie wirkt an vielen Stellen wie ein Plagiat. Dabei hätte der Autor das wirklich nicht nötig gehabt. Er schreibt spannend und hat viele interessante und neue Ideen. Schade, dass das Grundmuster mit einem der bekanntesten Kinderbücher überhaupt übereinstimmt.

 

Auch der deutsche Titel „Das geheime Portal“ ist leider nicht sehr glücklich gewählt, denn ein solches taucht bis zum Ende des Buches nicht auf. Im Englischen heißt das Buch „The Tapestry“, also „Der Wandteppich“, was viel passender ist. Wahrscheinlich war das dem Verlag nicht geheimnisvoll genug. Außerordentlich gut gelungen ist hingegen die Coverillustration, die genau auf die Erzählung zugeschnitten wurde und wunderbar die bedrückende Stimmung vermittelt, auch wenn man Max in der deutschen Version mit einem Buch, anstatt mit einem Speer in der Hand abgebildet wurde.

 

Doch wie bereits erwähnt hat der Roman auch viele gute Seiten. Max, der Protagonist, ist liebevoll ausgearbeitet worden. Man kann in jeder Sekunde mit ihm fühlen. Zu Anfang ist er ein ganz normaler Junge, findet dann aber immer mehr zu seinen Stärken. Doch er muss auch erkennen, dass er Schwächen hat, wie sein mangelndes Verständnis für Strategie.

 

Die Rowan Akademie ist zwar eine magische Schule, aber es werden auch technische Hilfsmittel eingesetzt. Besonders faszinierend ist hier der so genannte Simulator, in dem die Schüler Szenarien durchspielen können, die ihre Fähigkeiten trainieren. Die Welt, in der die Geschichte spielt, ist eher düster. Vom ersten Augenblick an zieht sich etwas Bedrohliches durch die Handlung. Im Finale wird aufgelöst, wer der Feind ist, doch es bleiben noch viele Fragen offen und Max Geschichte nimmt hier deutlich erst ihren Anfang. Man darf also gespannt auf eine Fortsetzung warten. Lesern, die nach einem Ersatz für „Harry Potter“ suchen, dürfte dieses Buch gefallen.

 

Nach oben