Das Geheimnis des Kalligraphen (Autor: Rafik Schami)
 
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Das Geheimnis des Kalligraphen von Rafik Schami

Rezension von Ingo Gatzer

 

Rezension:

"Das Geheimnis des Kalligraphen" lässt sich am besten mit einem Einkaufsbummel auf einem orientalischen Basar vergleichen. Man geht in der Frühe los, um eine bestimmte Kleinigkeit zu kaufen, kehrt aber am Abend mit mehreren Einkaufskörben verzückt nach Hause zurück. Denn der Roman handelt nicht nur vom Geheimnis des Kalligraphen Hamid Farsi, der die arabische Schrift reformieren will und deshalb in die Schusslinie konservativer Kreise gerät. Wie man auf einem Basar wieder und wieder auf neue Händler trifft, die ihre Waren anpreisen, erzählt Rafik Schami mehr und mehr (Lebens-)Geschichten, die mehr oder minder mit der des Kalligraphen verknüpft. Dabei wechselt er munter zwischen seinen Figuren hin und her. So berichtet er vom jungen Salman, der in bescheidenen Verhältnissen aufwächst und schließlich Laufbursche von Hamid Farsi wird. Oder er beschreibt ausführlich das Aufwachsen der schönen Nura. Dann sind da noch der schwerreiche Nassri, die kluge Sarah und viele andere Charaktere. Darüber hinaus liest sich der Roman als eine (Liebes-)Geschichte der arabischen Schrift, aber gleichzeitig auch als eine Klage über ihre Unvollkommenheit.

 

Rafik Schamis Stilistik erinnert immer wieder an orientalische Märchen und Geschichten. In verschiedenen Passagen benutzt er kraftvolle Bilder und farbige Metaphern, die die Lektüre zum Genuss werden lassen. Wiederholt schweift er von der Haupthandlung ab und weiß Interessantes über Charaktere zu berichten, die für den Plot eigentlich keine große Bedeutung haben. Wie einem orientalischen Geschichtenerzähler gelingt es dem Autor dabei, seine Figuren lebendig werden zu lassen und sein Publikum in seinen Bann zu ziehen. Dabei umschifft er wie ein erfahrener Kapitän vor allem bei der Beschreibung der Liebesgeschichten alle Klischeeklippen weiträumig und hält seinen Roman auf Kurs. Am Ende fügen sich die vielen Elemente, die Rafik Schami mit scheinbar leichter Hand erzählt hat, selbst zu einer wunderschönen Kalligraphie.

 

Unter der Oberfläche schreibt Rafik Schami aber auch gegen Intoleranz und gewalttätigen Extremismus. Damit wendet er sich gegen die Gruppen, welche die arabische Schrift als ein von Gott gegebenes Artefakt betrachten, das nicht verändert werden darf und wegen dieser Überzeugung bereit sind, Andersdenkenden den Garaus zu machen. Diese Aussage ist aber absolut unaufdringlich gestaltet und schimmert durch die eigentliche Handlung wie eine in einer Kalligraphie geschickt versteckte Botschaft.

 

Gegen Ende konzentriert sich der Roman vielleicht etwas zu sehr auf Hamid Farsi und sein Schicksal. Das was der Leser am Ende beispielsweise über Salman und Nura erfährt, ist im Vergleich dazu etwas arg kurz geraten. Über das Los mancher seiner Figuren schweigt sich der Autor sogar gänzlich aus. Dadurch geht etwas von der Vitalität verloren, die Rafik Schamis Werk zuvor dadurch gewonnen hat, dass immer wieder neue Figuren in den Fokus der Erzählung gerückt sind.

 

Als "Bonus" schildert Rafik Schami am Ende des Buches Wissenswertes über die Geschichte und Schönheit der arabischen Schrift und verdeutlicht die Notwendigkeit einer Reform. Das ist zwar grundsätzlich lesenswert und interessant. Da der Autor aber die wichtigsten Informationen bereits zuvor in seinem Roman untergebracht hat, stellen viele Abschnitte eine reine Wiederholung dar. Hier hätte man sich weniger Redundanz und vielmehr eine Vertiefung gewünscht. Sehr löblich ist hingegen, dass auch die Taschenbuchausgabe einige schön gestaltete Kalligraphien enthält, was angesichts der Thematik überaus passend ist.

 

Fazit:

Rafik Schami entführt mit "Das Geheimnis des Kalligraphen" seine Leser in eine orientalische Welt des Lesegenusses, die gleichsam den Facetten eines vom Sonnenlicht beschienen Edelsteins, in vielen wunderbaren Farben schillert.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202403290156088942a3c5
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Taschenbuch

Das Geheimnis des Kalligraphen

Autor: Rafik Schami

Erscheinungsdatum: Oktober 2010

549 Seiten - Taschenbuch - dtv

ISBN-10: 3423139188

ISBN-13: 978-3423139182

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 20.02.2011, zuletzt aktualisiert: 27.02.2024 17:30, 11568