Druckversion: Das Kopernikus Syndrom (Autor: Henri Loevenbruck)

Das Kopernikus Syndrom von Henri Loevenbruck

Rezension von Carina Schöning

 

Rezension:

Vigo Ravel ist 36 Jahre alt und schizophren. Jedenfalls lautet so seine Diagnose. Seit über zehn Jahre besucht er regelmäßig Dr. Guillaume in der Praxis Mater in dem SEAM Turm des pariser Stadtteils La Défense, nimmt brav seine Medikamente ein und erträgt auch mehr oder weniger die damit verbundenen Nebenwirkungen. Sein Lang- und Kurzzeitgedächtnis wird immer schwächer und an seine eigene Vergangenheit kann er sich nur verschwommen erinnern. Hinzu kommen ab und an fremde Stimmen in seinem Kopf. Als er eines Montags den SEAM Turm betritt, hört er plötzlich eine mysteriöse Botschaft: alles wird in die Luft fliegen! Drei Bomben in unterschiedlichen Etagen sprengen den Turm auf dem Place de la Coupole entzwei und lassen nur Trümmer zurück. Bis auf einen einzigen Überlebenden sterben bei diesem verhängnisvollen Anschlag alle Angestellte und Besucher des Turms.

 

Vigo ist verwirrt und flieht im Affekt. Nur schwer kann er die ganzen Vorkommnisse begreifen und versucht sich immer wieder einzureden, dass seine Krankheit Schuld daran ist. Kann er seinen eigenen Erinnerungen trauen? Hat er die Stimme wirklich gehört, oder war alles nur eingebildet? Doch das Fernsehen zeigt die schmerzliche Wahrheit und berichtet von einem islamistischen Terrorakt. Vigo zweifelt immer mehr an sich und seine Krankheit. Die Praxis, die er angeblich seit zehn Jahren besucht hatte, existierte gar nicht im Turm und auch seine Eltern sind spurlos verschwunden. Plötzlich tauchen Überwachungskameras in seiner Wohnung auf und auch die Firma seines Arbeitgebers zieht unerwartet um. Auf einmal wird Vigo auch von unheimlichen Männern in grauen Trainingsanzügen verfolgt. Doch ist das alles Wahrheit oder nur Paranoia durch die Schizophrenie? Mysteriöse Emails tauchen auf und eine Untergrundgruppe namens SpHiNx vermutet, dass mehr hinter Vigos Vergangenheit steckt.

 

Henri Loevenbruck kennt man in Deutschland vor allem durch seine All Age Fantasy Trilogie Das Geheimnis der weißen Wölfin rund um das junge Waisenmädchen Alea. In seinem Heimatland Frankreich erobert er dagegen die Bestsellerlisten auch mit seinen spannenden Thrillern. In seinem neuesten Roman Das Kopernikus Syndrom vermischt er gekonnt die klassischen Verschwörungselemente mit einer Prise Wissenschaft und Science Fiction. Wie auch in dem indirekten Vorgängerroman Das Jesus Fragment treten die mysteriöse Hackergruppe SpHiNx und der sympathische Damien Louvel auf. Während da aber der religiöse Aspekt betont wurde, ist es hier die moderne Gehirnforschung.

Im Mittelpunkt stehen die Figur des Vigo Ravel und seine Erkrankung, deren Darstellung für mich als absoluten Laien durchaus realistisch anmutet. Wie auch Vigo selbst, tappt man bei seiner Vergangenheit im Dunkeln. Geschickt streut der Autor verschiedene Andeutungen und anfangs leidet man förmlich mit Vigo mit. Ist wirklich alles nur eingebildet, oder steckt doch eine Verschwörung von ganz oben dahinter? Leider kommt die Auflösung, was das betrifft, relativ früh und nimmt so einen guten Teil der Spannung weg. Dennoch bleibt der Roman bis zum Schluss unterhaltsam. Der erste Teil des Romans bezieht sich eher auf Vigo und verschiedene Verschwörungstheorien, während dann in der zweiten Hälfte die Thrillerelemente überwiegen und es Actiontechnisch im Untergrund von Paris richtig zur Sache geht.

Sprache und Erzählstil des Autors sind dabei sehr unterschiedlich und abwechslungsreich gehalten. In kurzen Tagebuchähnlichen Notizen berichtet Vigo von seinen zweifelhaften Erinnerungen an seine Familie, gibt Erklärungen zu seinem Leiden und deren geschichtliche Erforschung ab oder philosophiert auch über das eine oder andere Gedankenmodell von Platon, Hobbes und Satre. Stellenweise ist dies recht anspruchsvoll gehalten, während der Rest dagegen eher einfach und klar ist. Besonders die berühmte Stadt der Liebe und die verschiedenen Stadtteile werden in dem Roman sehr schön bildlich und lebendig beschrieben.

Negativ ist eigentlich nur, dass hier und da ein wenig die Logik in der Handlung abhanden gekommen ist. Doch wer darüber hinweg sehen kann, bekommt einen abwechslungsreichen und ausgewogenen Thriller abseits der ausgelutschten Klischees geboten.

 

Fazit:

Insgesamt ist „Das Kopernikus Syndrom“ ein sehr spannender Mix aus Verschwörungs- und Wissenschaftsthriller. Sympathische Figuren und eine gute Mischung aus Handlung und Action machen die kleinen Schwächen schnell wieder wett.

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240419112728734d6a47

Buchl:

Das Kopernikus Syndrom

Original: Le Syndrome Copenic, 2007

Übersetzerrin: Antoinette Gittinger

Knaur, 2008

Taschenbuch, 492 Seiten

 

ISBN-10: 3426638142

ISBN-13: 978-3426638149

 

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, zuletzt aktualisiert: 12.04.2024 09:51