Das magische Siegel - Höhlenwelt-Saga Bd. 4 (Autor: Harald Evers; Genre: Fantasy)
 
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Leseprobe: Das magische Siegel

Das magische Siegel

Autor: Harald Evers

Homepage: http://www.hoehlenwelt-saga.de

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Disclaimer:

Freigabe zur Weiterveröffentlichung der Leseprobe besteht, soweit vom Autor nicht anders angegeben nur für "FantasyGuide.de". Für alle weiteren Veröffentlichungen ist die schriftliche Zusage des Autors erforderlich.

 

 

Leseprobe:

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Auszug aus dem Originalmanuskript (unkorrigiert)

4. Roman der Höhlenwelt-Saga:

"Der Kryptus"

von Harald Evers

Copyright 2001 © by Harald Evers. Alle Rechte vorbehalten.

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K A P I T E L 1 (?)

 

 

Blauer Himmel

 

 

Rox, alter Knabe! Sieh nur, die Drachen fliegen hoch! Wir werden wieder einen schönen Tag bekommen!"

Rox schnaubte und stampfte mit den Vorderhufen auf, es klang eher wie ein Protest.

Phyrras, Hoch-Provinziar zu Ross und Protektor von Nieder-Kambrum, schüttelte missbilligend den Kopf. "Ich frage mich, alter Freund, ob du je schon mal den blauen Himmel gesehen hast? Ich meine - da oben!" Er deutete hinauf. "Kommt dir das bekannt vor? Hm?"

Rox, Schlachtross, und von nicht minder hoher Geburt, schüttelte ungeduldig seinen massigen Schädel und stieß ein weiteres Schnauben aus. Phyrras seufzte. "Ich bezweifle, dass dies eben überhaupt so etwas wie eine Antwort war."

Er stieß Ross leicht mit den Hacken in die Seiten, und das mächtige Pferd begann, mit federnden Schritten den lichten Waldweg hinab zu traben.

Phyrras drückte sein Kreuz durch und bog die Schultern nach hinten, um die Rückenverspannung zu bekämpfen, die er sich heute Nacht im Schlaf, auf viel zu hartem Boden eingehandelt hatte. "Weißt du, was dein Fehler ist, alter Knabe?" fragte er gedehnt. "Du bist nur verrückt aufs Kämpfen und aufs Saufen. Und auf die Frauen natürlich!" Er hob einen belehrenden Finger in die Luft, den Rox gar nicht sehen konnte.

"Und da du mit den Frauen deiner Art nicht allzu häufig zusammentriffst... bleibt dir nur das Saufen und das Kämpfen. Saufen und Kämpfen macht Männer dumm! Jawohl!"

Rox schien zufrieden damit zu sein, dass er wieder laufen durfte, und würdigte Phyrras keiner Reaktion.

"Und dass du dumm bist, mein Guter, sieht man wiederum daran, wie du die Frauen behandelst. Weißt du noch, die hübsche Stute, neulich im Stall des Wirtshauses von Ormidoor?" Er beugte sich vor und zischte dem Hengst ins Ohr: "Du hast sie gebissen, du Bestie!"

Rox warf während des leichten Trabes unmutig den Kopf hoch, so als wollte er seinen Herrn ebenfalls beißen. Phyrras richtete sich rasch auf und gab ihm einen kräftigen Klaps hinters Ohr. Rox quittierte das mit einem weiteren Schnauben, fügte sich aber der disziplinarischen Maßnahme seines Herrn. Allzu oft hatte er das schon hinnehmen müssen - und wahrlich nicht grundlos.

Phyrras seufzte noch einmal. "Ach, ich wünschte, ich hätte ein Menschenmädchen von ähnlicher Anmut getroffen! Weißt du was ich getan hätte? Hm?"

Rox lief ein Stück weiter nach links, wo ein kräftiger Ast quer über den Weg hing. Phyrras nahm sich den Hut herunter, beugte sich geschmeidig unter dem Ast hinweg und schüttelte den Kopf. "Ich hätte ihr Blumen geschenkt. Hätte sie zu einem Spaziergang an einem stillen Seeufer eingeladen. Hätte sie mit Komplimenten überschüttet. Jawohl, das hätte ich getan." Er wischte sich ein Ästchen aus dem wallenden Haar, das dort hängengeblieben war, und setzte sich den Hut wieder auf. "Im Übrigen habe ich diesen Attentatsversuch auf der Liste deiner Schandtaten vermerkt, mein Bester." Er klopfte ihm freundlich auf den muskulösen Hals. "Eines Tages, wenn du mit nichts rechnest, werde ich Rache an dir üben. Du wirst sehen."

Plötzlich verlangsamte Rox seinen Schritt.

Phyrras richtete sich im Sattel auf und blickte nach vorn. Auf dem Weg, drei Dutzend Schritte entfernt, sah er einen kleinen rundlichen Mann, der über ein am Boden liegendes Pony gebeugt kniete. Ein kleiner, einachsiger Karren stand mit in die Luft gereckter Deichsel in der Wegmitte.

Phyrras veranlasste Rox zu langsamen Schritt und näherte sich dem Ort des Geschehens. Er war wachsam - nicht selten griffen Räuber zu solchen Tricks, um Reisende zu Pferde aufzuhalten. Er öffnete unauffällig den Sicherungsriemen seines Schwertes, das vor ihm, am Sattel in seiner Scheide steckte, und prüfte den Sitz seines Bogens, den er auf dem Rücken trug. Als geübter Schütze war er in der Lage, ihn vom Rücken zu ziehen, einen Pfeil aus dem Köcher auf der anderen Seite des Sattels zu reißen und aufzulegen, und ihn auf die Reise zu schicken, bevor ein Räuber, der sich im Gebüsch verstecken mochte, auch nur fünf Schritt auf ihn zu getan hatte. Wenn es allerdings mehrere Räuber waren, dann musste er sich auf sein Schwert und Rox verlassen. Eine Begegnung mit seinem Schlachtross allerdings wünschte er keinem Räuber.

Dann war er heran. "He da!" rief er. "Wollt ihr den Weg nicht freigeben, kleiner Mann?"

Der Rundliche sah erschrocken auf, offenbar hatte er Phyrras nicht einmal nahen hören. "Ich... oh, bei den Kräften... mein Pony!" rief er und warf die Arme in die Luft. Er wandte sich wieder seinem Tier zu, das mit bebenden Flanken am Boden lag. Es hatte Schaum vorm Maul.

Plötzlich sah Phyrras eine Bewegung.

Er tat genau das, worauf er sich vorbereitet hatte. Ein Griff hinter den Rücken, einmal umgreifen, schon hatte er seinen Bogen in der Hand. Noch während des Umgreifens fuhr seine freie Hand zum Köcher hinab, der gegenüber des Schwertes an der anderen Seite des Sattels hing, und zog einen der drei ausgewählten Pfeile hervor, die er dort ständig bereitzuhaben pflegte. Als er den Pfeil auf die Sehne legte und durchzog, warf der kleine Mann, der seine raschen Bewegungen aus den Augenwinkeln wahrgenommen hatte, den Kopf herum, und starrte ihn mit großen Augen an. Dann ging der Pfeil schon mit einem Zischen und Heulen ab, stach haarscharf zwischen dem kleinen Mann und dem Pony hindurch, und bohrte sich, keine drei Schritt weit von ihm entfernt, in den Boden.

Der kleine Mann keuchte und ließ sich auf den Hintern plumpsen.

Phyrras leistete sich ein zufriedenes Lächeln, warf das linke Bein über Rox' Kopf hinweg auf die andere Seite und kam kurz darauf mit einem federnden Sprung auf dem Boden zu stehen. Befriedigt zwirbelte er sich das linke Ende seines Schnurrbartes in die Höhe, vollführte mit den Fingern der rechten Hand eine grazile Lockerungs-Bewegung und schob dann, ohne hinzusehen, seinen Bogen zurück in die Spezialhalterung auf seinem Rücken.

Der kleine Mann ächzte noch immer, als Phyrras an ihm vorbeischlenderte, das Pony umrundete, und den Pfeil aus dem Boden zog. An seinem spitzen Ende wand sich ein kurzes, schlangenähnliches Tier in seinen letzen Zügen und erschlaffte dann. Phyrras wandte sich dem kleinen Mann zu, machte eine galante Verbeugung mit ausholender Armbewegung und stellte sich vor.

"Gestatten: Phyrras, Hoch-Provinziar zu Ross, Protektor des Landes Nieder-Kambrum, Brunnenmeister und Oberster Landvermesser von Soligor, Beschützer der braven Leute und Schrecken aller Banditen und Räuber. Zudem Schriftgelehrter, Historiker, Schwertkämpfer und meisterlicher Bogenschütze, wie ihr zweifellos feststellen konntet. Ich erbitte euer Wohlwollen und eure lobende Erwähnung bei Hofe, sofern ihr dazu in der Lage seid."

Der kleine Mann kämpfte sich auf die Füße. Er trat zu Phyrras hin und betrachtete das tote Tier an seiner Pfeilspitze. "Eine Feuerschnecke! Galandrum Ursupandrar, wenn ich recht sehe. Die aggressive Art. Schnell und heimtückisch. Sie tötet große Tiere mit ihrem Giftbiß, und nistet ihre riesige Brut darin ein. Meister... äh...?"

"Phyrras," sagte der Hochherzog milde lächelnd. "Provinziar, wenn's beliebt!"

Der kleine Mann streckte die Hand aus und schüttelte die seines hochgewachsenen Gegenübers heftig. "Provinziar Phyrras! Ihr habt mir das Leben gerettet. Wie soll ich euch nur danken?"

Phyrras hob die Schultern. "Ich wünschte, euer Pony könnte mir noch danken. Aber seht nur - es ist schon tot!" Er deutete hinab.

Der kleine Mann stieß einen Laut des Bedauerns aus. Er kniete sich hin, und berührte das Tier am Brustkorb. Aber es lag vollkommen still, die Augen waren gebrochen. "Wie furchtbar," sagte er traurig. "Das arme Tier. Ich hatte es zwar noch nicht lange, aber es hat mich treu über mehr als hundert Meilen bis hierher gebracht. Es ist schon das zweite, wisst ihr?"

"Das zweite?"

Der kleine Mann erhob sich und lächelte ihn an. "Ja. Das erste starb an der Sieche. Ein verbrecherischer Händler aus meinem Heimatdorf, den ich glaubte zu kennen, hat es mir verkauft. Meinen letzten Folint habe ich für dieses ausgegeben... aber jetzt ist es leider tot."

Phyrras verzog streng das Gesicht und stemmte die Fäuste in die Hüften. "Und was wollt ihr nun tun?"

Der Mann blickte sich unschlüssig um. "Nun, ich weiß noch nicht. Ich muss dringend nach Savalgor. Vielleicht könnt ihr mich... Äh, übrigens: Ich bin Meister Itzeban, ebenfalls Schriftgelehrter. Außerdem noch Medikus, Erfinder, Mechanikus und äh... Logiker. Letzteres übrigens ein von mir selbst erfundener Titel. Haha."

Sie standen nebeneinander, und waren der personifizierte Gegensatz. Phyrras ein hochgewachsener, schlanker und würdevoll auftretender Adeliger mit Stil und Autorität, und Itzeban ein kleiner, rundlicher und quirliger Mann, dem die Klugheit aus den Augen sprühte und der offenbar nicht viel von Etikette und höfischem Gehabe wusste.

Während Phyrras erlesene Kleider in grün und braun trug, die auf geheimnisvolle Weise selbst nach seiner langen Reise noch immer sauber und gepflegt erschienen, trug der kleine Gelehrte schlecht sitzende, derbe Sachen, die zwar sauber, aber doch deutlich zerschlissen waren. Phyrras' braune Haare wallten in klassischer Weise auf seine Schultern herab und er trug einen schönen Waidmannshut mit breiter Krempe und einer schillernden Babbu-Feder im braun-ledernen Hutband. Itzeban hatte wirre, grau-weiße Haare und trug gar nichts auf dem Kopf.

"Wo wollt denn ihr hin, Herr Herzog?" fragte Itzeban.

Phyrras schnaufte. Ihm schwante Schlimmes. "Ebenfalls nach Savalgor."

"Ha! Ist das nicht ein glücklicher Zufall? Da könnt ihr mich doch bestimmt mitnehmen!"

Phyrras verzog das Gesicht. "Ich fürchte, das wird nichts werden. Habt ihr euch mein Ross schon angesehen?" Er deutete auf Rox.

"Oh ja! Ein prachtvolles Tier! Stark genug für fünf von uns!"

"Ja!" bestätigte Phyrras heftig nickend. "Und auch böse genug! Er wirft zwar kein gutes Licht auf mich, aber dieser Hengst - er ist eine Bestie! Ein Monster! Eben ein Schlachtross, wie es sein muss. Kleine Gelehrte wie euch frisst er zum Frühstück - bei allem Respekt, Meister Itzeban!"

"Haha!" sagte der kleine Mann, trat zu Rox hin und tätschelte ihm freundlich die Nase. Er zog etwas aus seiner Tasche, hielt es Rox hin und der mächtige Hengst zupfte ihm es sanft und geschickt aus der Handfläche. Ohne ihm dabei den Arm abzubeißen!

Phyrras traute seinen Augen nicht. Er trat vor seinen Hengst, die Fäuste entrüstet in die Hüften gestemmt und wohlweislich zwei Schritte Abstand haltend. "Du Verräter! Du hinterlistiges Mistkerl! Mir machst du jeden einzelnen Tag meines Lebens zur Hölle, und diesem... Meisterlein da, dem frisst du aus der Hand! Das ist ja die Höhe!"

Rox stand nur friedlich mampfend da. Hätte Phyrras nicht genau gewusst, dass Pferde nicht in der Lage waren, einen Gesichtsausdruck zu zeigen, dann hätte er schwören mögen, dass Rox ihn in diesem Moment hämisch, schadenfroh und gehässig angrinste.

 

 

*

 

 

P

hyrras hoffte, dass ihnen bis Savalgor niemand mehr begegnete.

Der Anblick, den sie boten, war unter aller Würde. Meister Itzeban war ein kleiner Mann, der die Beine so weit hätte spreizen müssen, hätte er auf Rox' breitem Hinterteil Platz genommen, dass ihm an seinen weichsten Körperteilen ziemliche Schmerzen sicher gewesen wären. Also saß er vorne. Wie ein kleines Kind hatte er vor Phyrras Platz genommen, beide Beine nach rechts hängend, und starrte aus der enormen Höhe mit ebenso kindlich-staunenden Blicken auf die Welt hinab. Es stimmte schon: Die eine Elle, die man auf Rox' Rücken höher saß als auf gewöhnlichen Pferden, gewährte einem Reiter einen ganz anderen Blickwinkel.

Schlimmer aber war noch Meister Itzeban's Karren, den Rox nun zog. Er war wie ein Kinderspielzeug, das mit Seilen hinter sein mächtiges Hinterteil gebunden war - aber sie hatten es dennoch gebraucht, denn sie hatten keinen Weg gefunden, all die Kisten und Säcke auf Rox aufzuladen. Aber das stolze Schlachtross schien sich ebenso wenig an seiner kuriosen Last zu stören, wie an den Zärtlichkeiten, die ihm der kleine Gelehrte angedeihen ließ. Er fütterte Rox mit kleinen Leckereien, streichelte seinen mächtigen Hals und flüsterte ihm freundliche Worte ins Ohr. Phyrras war überzeugt, dass der Hengst dies alles nur tat, um ihn zu ärgern.

"Wie weit ist es wohl noch bis Savalgor?" wollte Itzeban wissen.

"Einen Tag noch ungefähr," erwiderte Phyrras ungehalten. "Allerdings, bei diesem Tempo wohl eher sechs."

"Darf ich fragen, was ihr in Savalgor für Geschäfte habt, Hoher Provinziar?"

"Es genügt, wenn ihr mich mit Phyrras anredet, Itzeban. Ich habe einen wichtigen Besuch abzustatten."

"Einen wichtigen Besuch? Bei wem denn?"

"Neugierde zählt wohl nicht gerade zu den Dingen, die euch als Untugend erscheinen, was?"

"Nein," grinste der Meister. "Im Gegenteil. Ich halte sie für eine Tugend. Wissenschaftler wie ich leben geradezu davon."

"Aha."

"Nun, wollt ihr es mir nicht sagen?"

Phyrras richtete sich würdevoll auf. "Man sagt, die Thronfolgerin suche nach einem Gatten. Nach einem Vater für ihr Kind, und einem klugen Regenten, der an ihrer Seite über das Land herrscht!"

"Und das wollt ihr sein?"

Phyrras maß Meister Itzeban mit scharfen Blicken.

"Oh," beeilte sich Itzeban zu versichern, "nicht dass ich an Euren Fähigkeiten zweifeln wollte, Phyrras. Aber ich meinte zu gehört zu haben, dass es sich um den echten Vater ihres Kindes handeln muss. Seid ihr das etwa?"

"Natürlich nicht. Ich pflege keine Damen zu beglücken, ohne davon zu wissen. Dennoch - was ihr ganz offensichtlich fehlt, ist ein Mann von Stil und Gewicht. Ein Mann, der mit dem Schwert oder dem Bogen in der Hand ebenso schnell ist, wie mit den Gedanken im Kopf. Einer, der Ausstrahlung und Autorität besitzt, und der gleichzeitig ein galanter Liebhaber und ein guter Vater sein kann. All diese Fähigkeiten vereine ich in mir."

"Zweifellos, zweifellos," grinste Itzeban.

Phyrras ignorierte das. "Außerdem soll sie die schönste und anmutigste Frau von ganz Akrania sein, sagt man. Niemandem als mir gebührt eine solche Frau. In Zeiten, da Männer von Höherem Blute nicht mehr viel gelten, und Titel und Ehrenämter wie Ramsch gehandelt werden, wird es Zeit, dass ein Mann von Würde einer Frau wie ihr zu Glanz und Ansehen verhilft. Meint ihr nicht auch, Meister Itzeban?"

"Doch ja, natürlich. Ich wünsche euch viel Glück, Phyrras!"

Phyrras brummte etwas. Er war nicht sicher, ob Itzeban sich über ihn lustig machte oder nicht. Was ihn selbst anging, so zweifelte er nicht daran, dass er Alina zu beeindrucken in der Lage war. Ob sie ihn erwählen würde, stand auf einem anderen Blatt. Aber er hatte sich vorgenommen, es zu versuchen. Seit er sein Land an die Kämmerer verloren hatte und nur noch seine Titel und seine Herkunft besaß, reiste er durch die Lande, versuchte sich als statthafter, ehrenvoller Streiter für Gerechtigkeit einen Namen zu machen, und hatte es sogar auch schon geschafft, in manchen Landstrichen, einen kleinen, legendenhaften Ruf zu erringen. Als er die Geschichte von der schönen, unglücklichen Thronerbin vernommen hatte, war er sofort aufgebrochen. Er hatte eine Schwäche für schöne Frauen; je schöner sie waren, desto größer seine Bereitschaft alles für sie zu tun - wirklich alles.

"Und ihr, Meisterlein? Was habt ihr in Savalgor vor?"

"Oh, ich will mich einer Gilde anschließen. Den Schiffsbauern oder den Baumeistern. Vielleicht sogar der Armee, als Waffenbauer. Ich hocke schon lange in meinem kleinen Dorf, und alles, was die Leute von mir wollen, ist die Reparatur eines Türschlosses, oder einer Öllampe." Er sprach diese Worte mit Verächtlichkeit aus. "Dabei habe ich große Erfindungen gemacht! Eine Maschine zum Teigrühren zum Beispiel, oder eine dreischüssige Armbrust!"

"Eine dreischüssige Armbrust?"

"Ja! Mit nur einer Sehne! Ein kleiner Handgriff, und schon ist sie wieder schussbereit! Ich arbeite gerade an einer fünfschüssigen!"

"Hm. Die müsst ihr mir mal zeigen!"

"Jederzeit. Ich habe alles dabei!"

Plötzlich ertönte neben ihnen ein dumpfer Schlag, und Rox zuckte zusammen. Sie sahen sofort hin. Direkt auf den Weg neben ihnen, lag plötzlich ein beachtliches Stück Holz. Es schaukelte noch.

"Nanu? Wo kommt das denn her?" sagte Phyrras und brachte Rox zum Stehen.

Itzeban rutschte sogleich vom Sattel herab, kam erstaunlich gewandt auf die Füße, und flitzte zu dem Holzstück hin. "Ein Teil eines Astes, eine Elle lang und so dick wie ein kräftiger Männerarm!" rief er.

Phyrras, der bereits seinen Bogen wieder gezückt hatte, suchte erstaunt die Umgebung ab, konnte aber nichts entdecken.

"He! Was ist denn das?" rief Meister Itzeban. "Hört ihr nicht, Herr Provinziar?"

Phyrras rutschte ebenfalls aus dem Sattel und lauschte angestrengt in den stillen Wald hinein. "Nein, was soll da sein?"

"Geräusche! Dumpfe Schläge! Da - aus dieser Richtung!" Er deutete Richtung Westen und starrte anschließend in die Luft hinauf, wo über dem Weg, zwischen den Bäumen hindurch, der grau-blaue Felsenhimmel in vielen Meilen Höhe zu sehen war. "Das Holz kann nur von dort oben gekommen sein. Es hat frisch geborstene Kanten. Muss Hunderte von Schritt weit geflogen sein!"

Phyrras starrte Itzeban an. "Von oben? Ich verstehe nicht..."

"Ein Kampf zwischen Drachen vielleicht. Oder Magie!" rief Itzeban. Er sprang schon auf, zog einen winzigen Dolch aus seinem Stiefel und rannte in Richtung der Geräusche, die er gehört zu haben glaubte.

Phyrras zögerte nicht lange und folgte ihm. Unterwegs schüttelte ungläubig den Kopf. Der kleine Mann war voller Überraschungen. Er schien geistig enorm beweglich zu sein, und bewies einen spontanen Mut, der an Übermut grenzte. Vielleicht war das die unstillbare Neugierde, von der er gesprochen hatte.

"Wartet, Itzeban!" zischte Phyrras und eilte ihm hinterher. Der Meister war schon zwischen den Büschen verschwunden. Phyrras sputete sich und hatte mit seinen langen Beinen den kleinen Gelehrten schnell eingeholt. Er packte ihn am Arm.

"Moment! So macht doch langsam! Was ist denn da los?"

"Keine Ahnung!" rief Itzeban aufgeregt. "Ich muss mir das ansehen! Schnell, kommt mit, Herr Provinziar!" Er riss sich schon wieder los und lief weiter.

Phyrras blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Dann hörte auch er die Geräusche, es war ein Wummern und Zischen, das, durch den dichten Wald gedämpft, aus einiger Entfernung zwischen den Bäumen hindurch schallte. Als sie näher kamen, wurde der Lärm schnell lauter.

Dann sah Phyrras helle Lichter aufblitzen, grünlich und orangerot. Sie durcheilten eine kleine Senke, und oben, auf der Kuppe, warf sich Itzeban auf den weichen Waldboden und kroch die letzten Ellen. Phyrras war gleich darauf bei ihm und starrte hinab in eine weitere Senke, wo sich Unglaubliches vor seinen Blicken auftat.

So etwas hatte er noch nie gesehen.

Es waren ein Mensch und drei Tiere, die sich dort unten einen heftigen Kampf lieferten. Weitere drei der Tiere lagen reglos am Boden. Aber schon im nächsten Moment fragte sich Phyrras, ob dies Tiere im strengen Sinn sein konnten. Sie sahen zwar entfernt so aus, verhielten sich aber nicht im Mindesten so.

Sie standen aufrecht und wirkten Magien auf den einzelnen Mann, der in eine blendend helle Aura gehüllt vor ihnen stand. Ihre Magien prallten an der Aura ab, aber der Mann, zweifellos ebenfalls ein Magier, hatte seine liebe Not, ihre Angriffe abzuwehren. Er bewegte sich rückwärts.

Dann sah Phyrras, dass es sich um sehr ungewöhnliche Magien handelte. Die Tiere, oder Wesen, oder wie auch immer man sie bezeichnen wollte, hielten dicke, dunkelgraue und unregelmäßig geformte Stäbe in den Händen, mit denen sie aus Brusthöhe auf den Magier zielten. Aus den Stäben ergoss sich eine Flut vom wummernden Energiekugeln und orangeroten Blitzen auf die Schutzaura des Magiers. Es war abzusehen, dass er nicht mehr lange standzuhalten vermochte.

Meister Itzeban zischte Phyrras zu und deutete nach links. Unweit, in einer kleinen Lichtung, stand ein ebenso dunkelgraues, seltsames Gebilde auf dem Waldboden. Es stand auf drei spinnenartigen Beinen und war länglich und etwa so groß wie eine kleine Hütte. Vollkommen rätselhaft, was das sein sollte.

"Auf welcher Seite stehen wir?" flüsterte Phyrras.

"Ich würde sagen, auf der des Magiers. Solche Kreaturen habe ich noch nie gesehen!"

Phyrras nickte entschlossen. "Gut. Das sehe ich auch so. Ich habe leider nur einen Pfeil. die anderen habe ich vergessen. Wie lange braucht ihr, um sie mir zu holen?"

"Drei oder vier Augenblicke!" sagte Itzeban, und war im gleichen Augenblick schon wieder auf dem Rückweg. Er flitzte zwischen Bäumen und Sträuchern hindurch und war schon gleich aus Phyrras' Blickfeld verschwunden.

Wieder schüttelte Phyrras den Kopf und lächelte verblüfft. Der kleine Meister gefiel ihm immer mehr. Noch nie hatte er einen Mann von so hoher geistiger Beweglichkeit getroffen.

Phyrras wandte sich wieder um und beobachtete die Szene. Es wurde langsam sehr brenzlig für den Magier. Er überlegte, dass er den Kampf mit einem Treffer auf eine der Kreaturen für ein paar Sekunden so weit durcheinander bringen konnte, dass der Magier eine Atempause bekam. Er selbst würde schießen und sich sofort wieder verstecken. Bis die verbleibenden zwei Kreaturen dann wieder geschlossen gegen den Magier vorgehen konnten, würde vielleicht wertvolle halbe Minute vergehen. Er hoffte nur, dass die seltsamen Wesen dann nicht auf ihn losgingen. Gegen diese seltsamen Magiestöcke würde er entweder ebenfalls eine Schutzaura benötigen, oder rechtzeitig genug zwei weitere Pfeile.

Er kniete sich hin, legte einen Pfeil auf und visierte sorgfältig die mittlere Kreatur an. Es war ein Wesen, das wie eine aufrecht gehende Eidechse aussah. Sie schien einen Panzer zu tragen, aber der Hals war frei. Der Hals war immer der beste Punkt, wenn man jemanden augenblicklich außer Gefecht setzen wollte. Durch den Hals musste man atmen. Er hoffte nur, das diese Eidechsen das überhaupt taten.

Dann sirrte sein Pfeil los und traf genau.

Die Kreatur stieß einen hohen, zischenden Schrei aus und kippte vornüber. Phyrras hatte sich so postiert, dass er durch einen schmalen Spalt zwischen mehreren Bäumen hindurch zum Kampfschauplatz peilen konnte. Mit Befriedigung stellte er fest, dass das Feuer aus den Stäben der Kreaturen verebbte, und sie unschlüssig auf ihren gefallenen Gefährten blickten.

Diesen Augenblick nutzte der Magier.

Als das Feuer für einen Augenblick vollkommen abbrach, erlosch die Schutzaura des Mannes, und wie eine schnellfüßige, große Spinne krabbelte ein hell leuchtendes Gebilde aus gelbweiß strahlendem Feuer auf eine der Kreaturen zu. Im gleichen Augenblick begannen die fremdartigen Wesen wieder, ihre Magie auszusenden - wenn es denn Magie war.

Die Schutzaura flammte in dem Augenblick wieder auf, als die Feuerspinne das rechte der beiden Wesen erreicht hatte. Es wurde in eine beißende, funkenschlagende und helleuchtende Aura eingehüllt und starb mit einem gellenden, gänzlich un-menschlichen und un-tierhaften Schrei.

Das letzte der Wesen feuerte seine Magien nur umso stärker auf seinen Gegner in der Schutzaura ab. Phyrras wandte sich um. Wo blieb nur Meister Itzeban?

Dann sah er, dass das fremde Wesen den Stab seines toten Gefährten aufhob und damit die Schutzaura doppelt beschoss. Die Aura flimmerte - Phyrras wusste genug von Magie um zu wissen, dass das ein schlechtes Zeichen war. Er musste handeln.

Ein weiterer Blick nach hinten sagte ihm, dass der Meister immer noch nicht zu sehen war. Er erhob sich, zog seinen langen Dolch aus dem Gürtel und eilte leichtfüßig, die Deckung der Bäume ausnutzend, von hinten an das Wesen heran. Ein paar Schritte noch, dann würde er da sein.

Die Schutzaura des Magiers leuchtete auf, er befand sich in den letzten Zügen. Phyrras handelte.

Mit einer Hechtrolle warf er sich geradenwegs von hinten an des Wesen heran, faltete sich unterwegs zusammen, und kam in der genau richtigen Position zu einer Beinschere hinter ihm an. In diesem kurzen Augenblick erst sah er, wie groß das Wesen war, und dass es einen langen Echsenschwanz besaß, der mit scharfen Horngraten besetzt war. Er würde sich daran verletzen.

Aber dann war es schon geschehen. Seine Beinschere schnappte zu und holte die grässliche Kreatur von den Füßen. Das Wummern der Magie brach sofort ab, als sie zu Boden stürzte. Aber es ging doch nicht so einfach, wie er gehofft hatte. Mit Hilfe des Schwanzes sprang die Kreatur sofort wieder auf die Beine und wandte sich Phyrras zu. Sprungbereit kauerte sie vor ihm, hatte zwar beide Stäbe verloren - aber als Phyrras sah, dass das Monstrum an jeder Ecke seines Körpers mit ekelhaften, scharfen Graten und Spitzen besetzt war, schluckte er.

Geduckt stand er da, seinen Dolch in der Hand. Der Magier auf der anderen Seite war mit einem Stöhnen zusammengesunken.

Phyrras suchte nach einem Fleck, wo er den Dolch gut ansetzen konnte. Er fand keinen. Mit einem Langbogen war das etwas anderes - die Pfeile kamen mit Wucht und hätten die schuppige Haut der Bestie überall durchbohrt - wahrscheinlich sogar ihren Panzer. Im Moment aber sah es übel für ihn aus.

Das Biest zischelte wie eine Schlange, hob die krallenartigen, vierfingrigen Hände und schnellte los. Phyrras warf sich zur Seite und sein Gegner verfehlte ihn. Er hieb den Dolch nach ihm, aber der Stahl glitt am Panzer oder der glatten, harten Haut des Wesens ab. Ein ekliger Geruch wehte über ihn - ein fauliger, süßlich-herber Gestank.

Dann war das Vieh schon wieder heran, und diesmal hatte er es unterschätzt. Er achtete nicht auf den Schwanz und nun war er es, der von den Füßen geholt wurde. Ächzend schlug er auf dem Boden auf, verlor den Dolch. Sein linker Knöchel brannte wie Feuer, wo ihn das Wesen mit den Knochengraten seines Schwanzes getroffen hatte.

Als er aufblickte, stand das Monstrum über ihn, bereit, ihm den Rest zu geben.

Dann aber, nur eine Sekunde darauf, hörte er ein scharfes Zischen - danach noch eins und noch eins. Ehe er verstand, was geschehen war, sank sein Gegner schon über ihm zusammen. Er musste sich eiligst davonwälzen, um Verletzungen durch die Knochengrate zu entgehen.

Gleich darauf stand er wieder, heftig schnaufend, und sah, was geschehen war. Aus der Seite des Wesens ragten, knapp nebeneinander, drei Armbrustbolzen heraus. Meister Itzeban kam in die Senke herunter gerannt.

"Verzeiht, Hoher Provinziar!" rief Itzeban. "Was für eine dumme Sache! Ich kam nicht an die Pfeile heran! Euer edles Ross hat so hohe Schultern - ich hatte nicht daran gedacht. Unverzeihlich, wirklich!"

Phyrras schnaufte, sein Herz pochte noch immer wild. "Ist das da eure dreischüssige Armbrust, Meister?"

Der kleine Gelehrte nickte und reichte sie Phyrras. Der sah sie sich genau an und nickte. Dann deutete er auf das tote Wesen vor ihnen. "Und das da? Ist das ebenfalls eine Feuerschnecke?"

"Tja," sagte Itzeban und kniete sich neben der Kreatur nieder. "Ich denke, die Gattung der Schnecken können wir getrost ausklammern. Das scheint mit eher ein..." Er machte eine Pause und schüttelte dann den Kopf. "Es tut mir leid, aber ich weiß nicht was das ist. So etwas habe ich noch nie gesehen. Unverzeihlich!"

Sie hörten ein Ächzen hinter sich.

Der Magier war zu ihnen getreten, erschöpft und kaum in der Lage, auf den Beinen zu bleiben. Er hob die Hand und stützte sich seitlich an eine junge Birke. "Das, meine Herren," keuchte er, "ist ein Drakken."

 

 

 

*

 

 

E

s ist so etwas wie ein Fahrzeug," sagte der Magier. "Man kann damit fliegen." Er deutete nach oben, in den unschuldigen blauen Himmel.

Er hatte sich als Thalladin vorgestellt, Altmeister und Wandermagier. Er war dürr und mittelgroß, vielleicht in der Mitte der Fünfziger, besaß sehenswert buschige Augenbrauen und eine hohe und lichte Stirn, der sich, am Hinterkopf, beginnendes, grau-schwarzes Haar anschloss. Es reichte ihm bis zur Schulter herab. Er trug über seinen einfachen Kleidern eine erdbraune Robe und hatte einen Wanderstab aus Wurzelholz bei sich, ein sehenswert verwachsenes und verdrehtes Exemplar, den er stets mit besonderer Aufmerksamkeit bedachte. Er schien keiner der Menschen zu sein, die allzu viel Wert auf Gesellschaft legten. Wenngleich er auch nicht eben unglücklich zu sein schien, dass Phyrras und Meister Itzeban zu ihm gestoßen waren.

"Eine Flugmaschine?" sagte Meister Itzeban erstaunt und deutete auf das graue Gebilde, das vor ihnen auf der Lichtung stand. "Seid ihr sicher, Herr Thalladin?"

Der Wandermagier nickte knapp.

"Was ist das eigentlich, ein Drakken?" fragte Phyrras, während sich Itzeban daran machte, das Fahrzeug zu umrunden.

"Ein Wesen aus einer fremden Welt," erwiderte Thalladin. "Sie sind gekommen, um unsere Welt zu unterjochen."

Phyrras blieb stehen und starrte Thalladin verblüfft an. "Seid ihr sicher, Herr Magier? Von so etwas habe ich noch nie gehört."

Thalladin verzog finster das Gesicht. "Jawohl. Ich komme gerade aus Savalgor. Dort spricht man überall davon. Jetzt, nachdem der Palast wieder in der Hand der Shaba ist, scheint dies das größte Problem geworden zu sein."

"Ah!" machte Phyrras interessiert. "Eine Revolte im Palast? Interessant. Wisst ihr etwas über die Shaba?"

Thalladin schnaufte. Das Reden schien ebenfalls nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zu zählen. Trotzdem bemühte er sich, angesichts seiner Rettung, Phyrras gefällig zu sein. "Sie ist immer noch nicht anerkannt. Die Garde steht zwar auf ihrer Seite, verhält sich aber still. Der Rat ist entzweit. Eine schwierige Situation."

Phyrras nickte langsam und massierte sich dabei nachdenklich das Kinn. "Sieh an. Es scheint, als fehlte dort eine Person von Format und Durchsetzungskraft, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen."

"Ihr etwa?"

Phyrras' Mundwinkel zuckten leicht unter der ebenso treffsicheren wie abschätzigen Bemerkung. Er entschied, die Frage zu übergehen. "Sagt, Altmeister - ist sie wirklich so schön, wie man sagt? Diese Thronfolgerin Alina?"

Thalladin hob die Schultern. "Von solchen Dingen verstehe ich nichts. Ich habe sie außerdem nie gesehen."

"Mehr wisst ihr nicht?"

"Nun, die Leute reden über sie. Sie soll... nun, in der Tat eine Schönheit sein."

Phyrras grinste breit. "Davon werde ich mich in Kürze selbst überzeugen." Er wandte sich um. "Meister Itzeban! Seid ihr soweit?"

Der kleine Gelehrte, der sich auf der anderen Seite der Flugmaschine aufhielt, bückte sich, um unter ihr hindurchzusehen. "Soweit sein? Zu was?"

"Nun, wir wollten nach Savalgor!"

Meister Itzeban erhob sich und umrundete eilig die Flugmaschine. "Ihr wollt aufbrechen? Das ist nicht euer Ernst!"

Phyrras hob die Schultern und machte eine fragende Geste. "Was hält uns noch hier?"

Meister Itzeban schnappte nach Luft. "Was uns hier hält?" Entgeistert wandte er sich um, wies auf die Flugmaschine und blickte dann abwechselnd zwischen Thalladin, Phyrras und dem Fahrzeug hin und her. "Vielleicht ist euch noch nicht aufgefallen, verehrter Herzog, dass wir hier vor einem Objekt stehen, wie es vermutlich noch nie jemand in dieser Welt aus der Nähe erblickt hat! Dort liegen tote, fremde Kreaturen, die unbedingt untersucht werden müssen! Und wir müssen den verehrten Herrn Wandermagier nach dem Hergang der Dinge befragen!"

"So?"

"Aber natürlich! Wenn es stimmt, dass diese Wesen von anderswo stammen und gar die Welt bedrohen, dann müssen wir so viele Erkenntnisse zusammentragen wie irgend möglich! Und sie nach Savalgor bringen!"

Phyrras schnaufte. "Ihr glaubt, dass sich dort jemand für eine tote Eidechse und eine graue Metallkiste interessiert?"

Meister Itzeban verzog vorwurfsvoll das Gesicht, dann aber blitzte ein listiges Lächeln in seinen Augen auf. "Ich bin sicher, mein guter Herzog, dass es eine Person gibt, die sich ganz besonders dafür interessiert, da sie für die Sicherheit des Landes verantwortlich ist: Die Shaba! Wir müssen ihr unbedingt persönlich berichten!"

Phyrras' Gesicht hellte sich auf. "Mein gutes Meisterlein! Was täte ich ohne Euren Scharfsinn? Selbstverständlich habt ihr recht - und wie recht sogar! Lasst uns unverzüglich an die Arbeit gehen!"

Thalladin musterte die beiden befremdet, die sich einer so seltsam hochgestochenen Sprache bedienten. Dann seufzte er und schloss sich ihren Bemühungen an.

Thalladin und Meister Itzeban erkundeten das Fluggerät, vermochten es aber nicht zu öffnen. Es handelte sich um ein langgestrecktes, graues Metallding, ungefähr 25 Ellen lang, 5 hoch und etwa 10 breit. Von außen sah es ziemlich abgenutzt und mitgenommen aus. Vorn war es etwas schlanker, hinten verdickte sich sein Ende durch zwei große Röhren, die in der Mitte zusammenliefen. Die Enden dieser Röhren waren durch eine Art Sieb verschlossen, das voller Ruß zu sein schien. Das ganze stand auf drei geknickten Beinen und hörte sich hohl an, wenn man dagegenklopfte.

"Wir müssen es verstecken, bis sich Zeit findet, wiederzukehren, und es genauer zu untersuchen. Vielleicht sollte man es nach Savalgor schaffen - später, mit einem großen Fuhrwerk und Mulloohs."

Thalladin nickte knapp, wie es seine Art war. "Gut. Und wie verstecken wir es?"

"Wir bedecken es mit Ästen und Zweigen." Er zog sein kleines Messer aus dem Gürtel.

"Damit werdet ihr einen Tag und noch einen brauchen," sagte Thalladin geringschätzig.

"Ich weiß, Herr Wandermagier. Ich wollte euch damit nur verdeutlichen, dass ihr vielleicht mittels Magie helfen könntet, ein paar größere Äste zu schneiden."

Thalladin nickte nachdenklich und erklärte sich dann einverstanden.

Phyrras sorgte inzwischen fürs 'Grobe'. Er holte Rox herbei, schaffte Platz auf dem Wagen des Meisters und verlud den am besten erhaltenen Drakken darauf. Das Biest war groß und nicht allzu leicht, zumal es einen Panzer trug. All die seltsamen Magie-Geräte verlud er ebenfalls und deckte das Ganze zuletzt mit seiner Schlafdecke zu. Er nahm sich vor, in Savalgor eine neue zu besorgen.

Aber vielleicht war das gar nicht nötig.

Vielleicht würde er für den Rest seiner Tage im Gemach der Shaba nächtigen. Ganz gewiss würde sie staunen und respektieren, wie mutig er sich für die Belange des Landes und der Welt eingesetzt hatten. Nun ja, Meister Itzeban und Thalladin hatten auch ihren Teil dazu beigetragen, aber sie wirkten beide nicht so, als legten sie besonderen Wert darauf, mehr als nur am Rande erwähnt zu werden.

Phyrras pfiff ein fröhliches Lied, während er seine Arbeit tat und schwelgte in Vorstellungen, wie die Shaba nun wirklich aussehen mochte. War sie schwarzhaarig oder blond? Groß oder zierlich? Üpprig gebaut oder eher grazil und elegant? Ganz egal - als Frauenkenner wusste er, dass es keinen Typ gab, der einem anderen Typ überlegen war. Eine schöne Frau war einfach das, was sie war: eine schöne Frau. Auf ihre ganz persönliche und einzigartige Weise.

Als er fertig war, trat er zu seinen beiden Gefährten und verkündete, dass sie nun aufbrechen könnten. Meister Itzeban lehnte soeben die letzten großen Äste an das fremde Fluggerät und trat dann zurück, um das Werk zu begutachten.

"Gut versteckt ist zwar etwas anderes," sagte er befriedigt, "aber für zwei, drei Tage wird es genügen. Niemand wird es entdecken, wenn er nicht direkt hierher auf diese Lichtung kommt."

"Fein. Dann können wir ja los."

Thalladin nickte ihnen knapp zu. "Gut. Nochmals Dank für die Hilfe. Vielleicht sehen wir uns ja einmal wieder..."

"Was?" rief Meister Itzeban. "Ihr wollt nicht mitkommen?"

Thalladin schüttelte energisch den Kopf. "Nein. Die Stadt ist nichts für mich."

"Aber... wir wissen doch noch gar nicht, was sich hier abgespielt hat! Ihr müsst es der Shaba berichten! Persönlich!"

Thalladin winkte ab. "Es war nicht viel. Ich kam hierher und da griffen sie mich an."

Itzeban stieß einen zweifelnden Laut aus und winkte mit beiden Händen. "Oh-oh-oh! Nein, so geht das nicht! Ihr seid der Hauptzeuge! Ihr könnt den Leuten in Savalgor mehr über diese Wesen sagen als irgendwer sonst. Über ihre Kampfweise, ihre seltsamen Waffen, ihre Stärken! Und wir sollten zu mehreren sein, um glaubwürdig zu erscheinen. Ihr müsst unbedingt mitkommen. Wollt ihr denn nicht den verdienten Ruhm ernten, jetzt, da ihr so wacker gekämpft habt?"

Wieder winkte Thalladin ab. "Ach, was hab ich schon davon? Mich interessiert nur die Magie. Neue Techniken, Verfeinerung der bestehenden, Verbesserung der eignen Konzentration und Willensstärke. Das finde ich hier draußen im Wald. Durch das Studium der freien Natur. Das ist es, was mich interessiert!"

Meister Itzeban dachte kurz nach, und Phyrras wunderte sich nicht, dass er in Sekundenschnelle ein gewichtiges Argument aus dem Ärmel zauberte. "Habt ihr denn schon einmal etwas vom Cambrischen Orden gehört? Von den großen Magiern, die es dort gibt? Vom Primas des Ordens, oder dieser... fabelhaften Jungmagierin, dieser Leandra? Das sind die Leute aus der Gefolgschaft der Shaba! Ihr werdet sie dort treffen! Könnt mit ihnen diskutieren! Ihnen eure neuesten Erkenntnisse vermitteln!"

Ein ganz leises Zucken umspielte für Augenblicke die Mundwinkel des Wandermagiers. Phyrras lächelte innerlich. Eine Schwäche hatte der gute Thalladin durchaus - er war eitel.

"Woher wisst ihr das?" fragte er missmutig. "Dass diese Leute dort sind?"

Meister Itzeban warf die Arme in die Luft. "Oh, lieber Thalladin! Neugierde und Wissen sind mein Geschäft! Und nicht nur das - sie sind meine Leidenschaft! Jedes Gerücht und jede Nachricht habe ich aufgeschnappt und hier," damit tippte er sich listig gegen die Stirn, "gespeichert. Ich weiß sogar die Namen weiterer Magier, die ihr dort treffen könnt. Da wären, äh... der berühmte Meister Fujima, dieser, na, wie heißt er gleich... ja - Munuel, und auch..."

Thalladin verzog das Gesicht, diesmal mit einem Ausdruck von Bedauern. "Altmeister Munuel ist leider tot. Ich habe ihn sehr verehrt. Er kam bei Kämpfen vor einem Jahr um!"

"Oh ja, verzeiht, das vergaß ich. Aber... diese Leandra ist seine Schülerin! Wusstet ihr das nicht?"

Thalladin versteifte sich. "Seine Schülerin?"

Meister Itzeban richtete sich auf und machte ein feierliches Gesicht. "Ich schwöre es! Das weiß ich ganz sicher! Ihr solltet dieser jungen Frau eure Anteilnahme ausdrücken. Sie hat sich sehr verdient gemacht. Und dies zweifellos durch das, was sie bei dem hochverehrten Meistermagier Munuel gelernt hat. Friede seiner Asche."

Thalladin war nachdenklich geworden.

"Nun gebt euch einen Ruck!" sagte Phyrras gutmütig. "Ich bin sicher, man wird euch sehr respektieren. Als den Mann, der in einer Zeit höchster Gefahr der Welt einen großen Dienst erwiesen hat!"

Der Wandermagier seufzte. "Also gut. Savalgor ist nicht weit. Ich kann ja jederzeit wieder gehen, wenn es mir nicht mehr gefällt."

Phyrras trat zu ihm ihn und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. "Wenn ihr euch an mich haltet, mein Bester, dann werdet ihr noch weitere Erkenntnisse - nicht nur über die Magie - in Savalgor erlangen können. Erkenntnisse, die einem wackeren und erfahrenen Mann wie euch nicht fehlen sollten!"

Thalladin blickte zweifelnd auf. "So? Und welche sind das?"

"Die Frauen!" sagte Phyrras mit freundlicher Mine und hob den Zeigefinger. "Die Frauen, mein Guter! Die wundervollste Sache der Welt. Wollt ihr etwa für den Rest eurer Tage einsam durch den Wald wandern? Wo sich allein in Savalgor vermutlich Hunderte der Schönsten nach einem Mann von solch ernster Würde und großem Geist wie euch verzehren? Nein, das dürft ihr ihnen nicht antun!"

Zum ersten Mal huschte so etwas wie die Andeutung eines Lächelns über das Gesicht des Magiers.

"Wir werden sehen," sagte er milde, aber Phyrras hielt das in etwa für das gleiche, als hätte ihn Rox, sein Schlachtross, für die nächste Stute, die erblicken sollte, um Blumen gebeten - um rote Rosen.

"Wartet," sagte Thalladin. "Mir ist noch etwas eingefallen. Bevor wir gehen, sollten wir noch eine bestimmte Sache mitnehmen."

Phyrras und Meister Itzeban hoben erstaunt die Brauen, als sich Thalladin auf die Lichtung begab, und vom Boden etwas einzusammeln begann.

"Steine," sagte er, als er wieder da war, und hob einen davon in die Höhe - ein ganz gewöhnliches Exemplar. "Sie haben hier Steine eingesammelt."

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Erstellt: 27.04.2005, zuletzt aktualisiert: 11.01.2015 19:38, 94