Das Science Fiction Jahr 2006 (Herausgeber: Sascha Mamczak & Wolfgang Jeschke; Sekundärliteratur)
 
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Das Science Fiction Jahr 2006 hrsg. von Sascha Mamczak und Wolfgang Jeschke

Rezension von Peter Sperling

 

Klappentext:

Das einzigartige Kompendium zum erfolgreichsten Genre der Welt in seinen multimedialen Erscheinungsformen.

Mit dem knapp 6,5 cm dicken Werk hat der Leser einem ordentlichen Brocken im Regal stehen. Das umfangreiche Werk mit dem Schwerpunkt Die Zukunft des Science Fiction Films bietet also genügend Raum für eine Beleuchtung des Themas aus vielerlei Perspektiven. Dabei beschränken sich die Autoren nicht auf einen Rückblick des letzten Jahres, sondern fassen die Entwicklung des Science-Fiction-Films z.T. seit den Anfängen bis zum heutigem Tag unter verschiedenen Aspekten zusammen, ohne den Ausblick auf die Zukunft aus den Augen zu verlieren.

 

15 Aufsätze zum Schwerpunktthema finden sich auf den ersten 540 Seiten. Simon Spiegel eröffnet den Reigen mit seinem Aufsatz Die Sichtbarkeit des Wunderbaren. Darin legt er einleuchtend dar, weshalb Film und Science Fiction füreinander geschaffen sind. Darüber hinaus verschafft er dem Leser einen Überblick über gemeinsame Motive verschiedener Filme.

 

Mit dem Verhältnis von Wissenschaft und Science-Fiction-Film befasst sich Uwe Neuhold im Beitrag „Forschende Fantasten“. Er stützt sich dabei auf allerdings empirische Daten mit einer denkbar kleinen Basis, so dass sehr zweifelhaft bleibt, ob seine daraus gezogenen Schlüsse Gültigkeit haben. Auch die selektive Auswahl der Filme zur Untermauerung seiner Thesen, wie die Wissenschaft Filminhalte beeinflusst hat, scheint mir sehr subjektiv und daher wenig aussagekräftig.

 

Im darauffolgenden Kapitel „Kompaktes Geballere statt komplexer Geschichten“ geht Hans W. Giessen anschaulich auf die Einflüsse, denen Filminhalte und -strukturen unterliegen, mit Hilfe von kommunikationswissenschaftlichen Theorien ein. Er zeichnet auch auf interessante Art auf, wie sich die Verwendung neuer Medien aller Art auf den Film und seinen Zuschauer auswirkt und bleibt auch bei wissenschaftlich fundierter Argumentation stets problemlos verständlich!

 

Dem Text „Future? What Future?“ habe ich einige wertvolle Verweise auf weitere Literatur entnommen. Georg Seeßlen beweist darin seine profunden Kenntnisse, durch den gesamten Aufsatz zieht sich für mich aber eine resignierte, fast weinerliche Grundhaltung und die Frage, ob denn jetzt das Genre „Science Fiction Noir“ am Ende angekommen ist.

 

In „American Paranoia“ gelingt es Raimar Zons, einen unmittelbaren Bezug zwischen unserer faktischen Realität und der Realität in SF-Filmen herzustellen. Er stellt diesen Bezug her, indem er mithilfe einleuchtender Beispiele betrachtet, wie unsere bestehenden Ängste und Lüste im Film reflektiert werden.

 

Des Weiteren zeigt Markus Koch in „Gleicher Planet, neuer Abschaum“ die Geschichte der Filme über Alien-Invasionen und einen kurzen Ausblick deren Zukunft auf, Wolfgang Neuhaus analysiert in „Das Posthumane in der Popkultur“ die Frage nach der Identität einer Person in einer Welt, in der sich die Grenze zwischen Mensch und Maschine immer mehr verwischt, Sven-Eric Wehmeyer betrachtet in „too big for the Screen“ die Rolle von Superhelden und lässt den Leser an seiner Freude am Thema teilhaben, Jens Niedzielskis setzt westliche und asiatische Produktionen in Bezug zu einander, in „By Grabthars hammer, by the sons of Worvan, you shall be avenged“ werden komödiantische Filme durchaus auch kritisch abgehandelt und der Leser mit wissenswerten Hintergrundinformationen versorgt, Olaf Rappold mach sich über die Darstellung der Möglichkeiten der Digitaltechnik her und fragt, ob der Effekt tatsächlich das ist, worauf es im SF-Film ankommt und in „Welcome to Paradox“ ermöglicht Peter M. Gaschler eine umfassende Übersicht über vom Science-Fiction-Film aufgegriffene Themen an Hand von Beispielen und lockert dies mit verschiedenen Filmstills auf.

Weniger hilfreich erschienen mir die Beiträge von Thomas Schärtl und Rolf Giesen. Schärtl nutzt seinen Artikel „Zeichen der Zukunft – Zukunft der Begriffe“ hauptsächlich dazu, „Matrix“ als „Wasserscheide dafür, was in der nächsten Zeit filmisch trägt“ überzubewerten. Den Rest verwendet er, um Fragen nach dem Menschsein zu stellen, wobei es mir allerdings nicht immer gelingt, dem Autor zu folgen. Giesen kalauert sich entsprechend seiner Frage im Untertitel, warum denn das Genre von der Infantilität noch loskomme, durch „Der virtuelle Großangriff extraterrestrischer Zombies auf das Spatzenhirn der Riesenmenschen-Klone“, ohne viel von tieferer Bedeutung zu sagen.

 

Der zweite große Abschnitt des Buches beinhaltet Artikel, die sich auf Literatur beziehen. Losgelöst von der Fixierung auf den Film werden in sieben Aufsätzen verschiedene Science-Fiction-bezogene Themen besprochen, die (auf hohem Niveau) unterschiedlich aufschlussreich sind, und einen größeren Interessenbereich abdecken als der erste Abschnitt.

In den Interviews mit Richard Morgan (u.A. „Das Unsterblichkeitsprogramm“) und Wolfgang Jeschke (u.A. Herausgeber des „Science Fiction Jahr 2006“, aktuell: „Das Cusanus-Spiel“) kommen zwei maßgebliche Autoren zu Wort, um von sich und ihren Werken zu berichten.

Es schließt sich mit der Überschrift „Science & Speculation“ ein sehr interessantes Kapitel an, in dem neue wissenschaftliche Erkenntnisse aus verschiedenen Bereichen in Bezug zu Science Fiction gebracht werden. Technische, medizinische, soziologische und philosophische Aspekte werden angesprochen und durch einen „Spaziergang durch den Ablagekorb der Visionen“ - ausgediente Ideen in älteren SF-Werken – abgerundet.

 

Des weiteren beinhaltet das Science Fiction Jahr 2006 einige Computerspiel-, Buch-, Film- und Hörspielrezensionen, die naturgemäß subjektiv ausfallen, aber, die Buchrezensionen einmal ausgenommen, einen relativ erschöpfenden Überblick über das aktuelle Schaffen bieten.

Comics haben einen eigenen Abschnitt bekommen. Dieser ist allerdings mit zwei Aufsätzen etwas mager geworden und besteht hauptsächlich aus Nennungen von Werken und einigen Angaben zu deren Hintergrund und Inhalt.

Den Abschluss bilden Marktberichte, Neuerscheinungslisten und Zahlen aus der Verlagswelt. Das trägt sicher zur Vollständigkeit bei, ist aber sicher nicht für jeden von Interesse. Muss es ja auch nicht. Denn das Buch dient ja auch als Nachschlagewerk und wird somit längere Zeit verwendet. Und vielleicht entwickelt sich irgendwann ein Interesse daran...

 

Fazit:

Dieser Textsammlung kann man in einer kurzen Rezension kaum gerecht werden. Der Umfang und die Vielseitigkeit der Beitrage machen dies unmöglich. Aber gerade durch die unheimliche Bandbreite wird „Das Science Fiction Jahr 2006“ zu diesem wertvollen Kompendium, das zu sein es den Anspruch hat. Nur einzelne Artikel lassen Fragen zurück, der überaus größte Teil überzeugt! Als Überblick über aktuelle Themen und Meinungen leistet das Buch hervorragende Dienste. Dem tut die z.T. schlechte Erkennbarkeit der durchgehend in Schwarz-Weiß gehaltenen Abbildungen kaum einen Abbruch. Also, wer sich mit Science-Fiction nicht nur auf der Konsumenten-Ebene beschäftigt, dem dient „Das Science Fiction Jahr 2006“ als Ansatzpunkt für weiteres Nachdenken und als ergiebiges Nachschlagewerk.

 

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Buch:

Das Science Fiction Jahr 2006

Herausgeber: Sascha Mamczak und Wolfgang Jeschke

Taschenbuch, 900 Seiten

Heyne, Mai 2006

 

ISBN-10: 3453521838

ISBN-13: 978-3453521834

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 20.05.2006, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52, 2235