Der arme Spielmann (Autor: Franz Grillparzer)
 
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Der arme Spielmann von Franz Grillparzer

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Grillparzer thematisiert in seiner Rahmennovelle den tragischen Kontrast zwischen universellem Kunstanspruch und tatsächlichem künstlerischem Vermögen. Der prinzipientreue Spielmann Jakob ist von seiner Berufung zum Geiger überzeugt, obwohl sein offensichtlich dilettantisches Spiel beim Publikum keinerlei Anklang findet. In diesem Widerspruch zwischen Unvermögen und leidenschaftlicher Liebe zur Musik spiegelt sich die völlige Entfremdung des Protagonisten von der Gesellschaft, die der Erzähler distanziert, aber auch mitfühlend schildert.

 

Rezension:

In seinem Nachwort bedauert Joseph Kiermeier-Debre:

»Die Botschaft des Wegweisers vom Humanismus der Weimarer Klassik zum unheldischen Realismus einer bürgerlich-demokratischen Kultur blieb und bleibt ohne großen Beifall.«

Franz Grillparzers Novelle Der arme Spielmann erschien erstmalig 1847 in Iris – Deutscher Almanach für 1848. Grillparzer beschäftigte sich seit 1831 mit dem Stoff und es gibt diverse Hinweise darauf, dass er versuchte, autobiografisches Material zu verarbeiten, letztlich bewirkte die lange, immer wieder von anderen Projekten unterbrochene Arbeit am Text, dass »Der arme Spielmann« eine deutlich spürbare Reife erlangte. Sowohl stilistisch, als auch in ihrer Erzählweise besticht die Rahmennovelle durch eine fast sachliche, schnörkellose Konzentration. Das bewirkt das völlige Fehlen von Sentimentalität oder romantische Melancholie, die man heute leichtfertig mit Künstlerschicksalen verbindet. Umso eindringlicher wird aber die Geschichte und gewinnt eine historische Authentizität.

 

Den Rahmen bilden die Beobachtungen eines wohl erfolgreichen dramatischen Dichters, der mit großer Aufmerksamkeit das Leben in Wien beobachtet. Mit liebevollem Blick und feinem Humor beschreibt er das zu einem Fest eilende Volk und entdeckt unter den Musikern, die am Straßenrand von der Feierlaune der Menge zu profitieren suchen, einen alten Geigenspieler. Der spielt zwar mit Inbrunst, aber unfassbar schlecht. Das erregt die Aufmerksamkeit des Dichters und schon bald erfährt er bei einem Besuch im ärmlichen, mit zwei Handwerksgesellen geteilten Zimmer, die Geschichte von Jakob, dem alten Spielmann.

 

Als Sohn eines hohen Staatsbeamten hätte er es leicht haben können, doch schlägt er aus der Art. Weder geeignet für Intrigen oder das Militär, bringt man ihn in einer Dienstube unter, wo er einfache Schreibtätigkeiten verrichtet. Es bleibt ihm das Geigenspiel, das er innig liebt, jedoch auf eine ganz eigene Weise praktiziert. Als er die Noten für ein Lied sucht, trifft er auf die Tochter eines Kuchenbäckers und verliebt sich in sie. Durch seine Gutmütigkeit und naive Anhänglichkeit gelingt es ihm auch, das einfache Mädchen für sich zu erwärmen.

Als ihm aber nach dem Tod seines Vaters das Erbe veruntreut wird und er die protegierte Anstellung verliert, entscheidet sich das Mädchen gegen ihn und für eine sichere bürgerliche Existenz.

Jakob lebt fortan von den Almosen und der Barmherzigkeit der Wiener …

 

Beeindruckend an der Binnenhandlung ist vor allem das komplett undramatisch erzählte Tragödie. Obwohl Barbara wohl etwas für Jakob empfand, sich um ihn sorgte und wahrscheinlich sogar mehr als nur mochte – immerhin beweist ihr Auftritt bei seiner Beerdigung, dass sie ihn tief in ihr Herz schloss – folgte sie den Vernunftgründen der wirtschaftlichen Notwendigkeit. Jakobs Unfähigkeit, sich in den bösartigen Fallstricken des Lebens zurecht zu finden, machte ihn so nicht nur zum gesellschaftlichen Opfer, er verlor auch sein Mädchen.

Aber Grillparzer gibt dieser an sich schwachen Figur etwas bedeutendes zur Hand. Eine innere Kraft, das Leben auf die ganz eigene Art und Weise zu führen. So, wie Jakob dabei bleibt, die klassischen Kompositionen umzudeuten, wie man sie nach seiner Empfindung spielen müsse, so stellte er auch seine Ansprüche an das Leben auf. Die Musik stand im Mittelpunkt. Den Leuten zu zeigen, wie die Melodien zu fließen hätten. Welche Großartigkeit in ihnen versteckt ist. Er will lehren ohne sich aufzudrängen. Fernab bürgerlicher oder anderer gesellschaftlicher Konzessionen geht er einen bescheidenen, aber für ihn sonnenbeschienenen Weg.

In seiner Lebenserzählung wird das unprätentiös vorgetragen. Ähnlich geht es in der Rahmenhandlung weiter, wenn wir von seiner Heldentat und dem dadurch verursachten Tod erfahren. Das ist der »unheldische Realismus«, den Joseph Kiermeier-Debre beschreibt und der uns tatsächlich einen kühlen aber lebendigen Blick auf das Wien jener Jahre werfen lässt.

Und doch berührt uns das Schicksal des armen Spielmannes, wie auch des Mädchens. Unser Leben hängt von Entscheidungen ab, eigenen und fremden, doch es bleibt unser, wenn wir es wollen.

 

Die Reihe Bibliothek der Erstausgaben glänzt hier wie gewohnt durch eine sorgfältig gesetzte Wiedergabe der originären Fassung in modernem Design. Die Anmerkungen am Ende des Bandes helfen ebenso beim Textverständnis, wie der Lebenslauf Grillparzers und das bereits erwähnte Nachwort. Eine leichtgemachte Reise in die österreichische Literatur.

 

Fazit:

»Der arme Spielmann« von Franz Grillparzer führt uns mit scheinbarer Neutralität durch das Leben eines eigenwilligen Menschen, eines Außenseiters, dessen freundliche Menschlichkeit gesellschaftliches Unbill, Liebes-Enttäuschung, Armut und künstlerische Mängel überstrahlt. Ein wahrhaft erzählenswertes Leben.

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Buch:

Der arme Spielmann

Autor: Franz Grillparzer

Reihe: dtv Bibliothek der Erstausgaben

Nachwort: Joseph Kiermeier-Debre

Taschenbuch, 96 Seiten

Deutscher Taschenbuch Verlag, 1. Juni 1997

 

ISBN-10: 3423026154

ISBN-13: 978-3423026154

 

Erhältlich bei: Amazon

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240425004126cba3282b
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Erstellt: 22.12.2015, zuletzt aktualisiert: 18.04.2024 09:19, 14246