Der Clan der Klauen von Jo Walton
Rezension von Christel Scheja
Die 1964 in Wales geborene und heute in Montreal lebende Autorin Jo Walton gewann bereits 2002 mit ihrem Debüt den John W. Campbell Award, nur zwei Jahre später wurde ihr für "Tooth and Claw" der World Fantasy Award verliehen. Piper veröffentlicht diesen Titel nun als "Der Clan der Klauen" in seiner Fantasy-Reihe. In diesem Roman vermischt sie das derzeit im phantastischen Genre so beliebte viktorianische Setting mit vertrauten High-Fantasy-Figuren und Themen.
Seit Tausenden von Jahren leben die Drachen in einer von strengen Regeln bestimmten Gesellschaft. Der Umfang des Hortes und die körperliche Präsenz bestimmen den Rang eines freien Drachen, letztere kann man aber nur durch Verzehr von Drachenfleisch erringen. So werden die Verstorbenen verzehrt und die Schwachen unter den Schlüpflingen getötet, um die Drachenheit stark zu erhalten. Drachen, deren Schwingen gefesselt sind, sind nicht mehr als der Willkür ihrer Herren ausgelieferte Sklaven in den Haushalten und Fabriken.
Vor allem weibliche Drachen müssen viele Regeln beachten, um anerkannt zu werden, da jeder Fehltritt sich sofort in der Färbung ihrer Schuppen äußert: Jungfrauen sind golden, geraten sie jedoch in Hitze "erröten" sie. Mit jedem Gelege verstärkt sich das bräunliche Rose immer mehr zu einem strahlenden Rot.
Obwohl der sterbende Bon Argonin genau verfügt, wie mit ihm und seinem Gold verfahren werden soll, kümmert sich Daverak, sein reicher und mächtiger Schwiegersohn nicht um das Testament, sondern nimmt den jüngeren Geschwistern seiner Frau, die noch kein Auskommen haben, ihr Erbe. Als reicher und mächtiger Magnat innerhalb der Drachenheit und allein durch seine Größe und Stärke ist er den anderen überlegen.
Das will sein jüngerer Schwager Avan nicht auf sich sitzen lassen. Er nutzt die rechtlichen Mittel aus die er hat und geht vor Gericht. Aber das ist unbedacht, denn Daverak hat mittlerweile seine jüngere Schwester Haner in seinen Haushalt aufgenommen, die er leicht als Druckmittel benutzen kann.
Da kommt Hilfe von unerwarteter Seite. Selendra, Haners Gelegeschwester hat mittlerweile im Haushalt ihres älteren Bruders, des Priesters Penn Argonin, den klugen und weltgewandten Drachen Sher kennengelernt, der bereit ist für die gerechte Sache der Geschwister einzustehen und kräftig in den Intrigen mitzumischen.
"Der Clan der Klauen" ist eine erfreuliche Ausnahme in der Fantasy. Auch wenn Drachen hier die Hauptrolle spielen, so verhalten sie sich doch anders, als man es bisher gewohnt ist. Sie sind keine ätherischen Wesen, strahlende Weltenretter-Gefährten oder schreckliche Monster-Kreaturen.
Sie wirken durch die technischen Errungenschaften (Eisenbahn) und die für die zweite Hälfte des 19. Jh. typischen gesellschaftlichen Normen zwar sehr vermenschlicht, aber die Autorin macht schnell mit einem Augenzwinkern und kleinen Seitenhieben deutlich, dass sie es eben nicht sind.
Menschliche Jungfrauen haben es doch leichter ihre Fehltritte und Leidenschaft zu verbergen, sie müssen nicht mit errötenden Schuppen kämpfen, und Kannibalismus ist nur an wenigen Orten der Welt Teil von Religion und Ethik gewesen.
Mag "Der Clan der Klauen" oberflächlich betrachtet zunächst wie ein etwas kitschiger Gesellschaftsroman wirken, so schwindet der Eindruck doch sehr schnell. Die Mischung macht's: Manchmal skurril, immer wieder amüsant (wenn man sich Drachenjungfrauen auf der Jagd nach der neusten Hutmode vorstellt) aber durchweg spannend erzählt das Buch was die Geschwister durch den Mann ihrer ältesten Schwester erdulden müssen und öffnet die Augen für einen ganz anderen Blick auf die beliebtesten Fabelwesen der Welt.
Damit ragt der Roman aus der Masse der üblichen Produkte über tapfere Helden, edle Fabelgestalten und bösartige Monster deutlich heraus und hat den "World Fantasy Award" mehr als verdient.
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