Der Drachenbeinthron von Tad Williams
Band 6 der Bild am Sonntag und Weltbild Fantasy-Bibliothek
Rezension von Christel Scheja
Der 1957 in Kalifornien geborene Tad Williams gehört heute zu den bekanntesten und erfolgreichsten amerikanischen Autoren. Vor allem die Ende der 80ger Jahre erschienene, vierbändige und seitenstarke High-Fantasy-Saga um das Land „Osten-Ard“ hat Weltruhm erlangt und über die Jahre eine Menge Fans gewonnen. Anders als viele Mitstreiter orientierte er sich zwar in Ansätzen an Tolkiens Werk, schuf aber dann eine eigenständige Geschichte, die ihre Motive eher direkt aus irdischen Mythen und Sagen schöpft und sich im Setting sehr stark an historisch vertraute Kulturen anlehnt.
„Der Drachenbeinthron“ entführt in ein mittelalterliches, überraschend christlich-geprägtes Königreich. Sein Herrscher, Johann der Priester, dem es gelang, das Elbenvolk aus seinem Land zu vertreiben und Frieden wie Wohlstand für sein Volk zu schaffen, liegt nach vielen Jahren der Herrschaft im Sterben. Verzweifelt klammert er sich an sein Leben, wohl wissend, dass sein Sohn Elias den eingeschlagenen Weg nicht fortsetzen wird. Und der wahre Erbe des Throns, Josua, ist schon seit Jahren verschollen und wird für tot gehalten.
Doch auch ein mächtiger Mann kann seinem Schicksal nicht entgehen. Johann schließt für immer die Augen. Sein ungeliebter Sohn besteigt den Thron und macht in dem Verlangen, seine Herrschaft zu sichern, einen Fehler nach dem anderen. Die Sicherheit des Königreiches gerät in Gefahr, als er durch das magische Schwert „Leid“ eine dunkle Kraft heraufbeschwört und Osten-Ard ins Chaos zu stürzen beginnt.
Davon ahnt der Küchenjunge Simon, auch Mondkalb genannt, nichts. Er lebt und arbeitet behütet im königlichen Haushalt, träumt aber davon eines Tages ein großer Magier zu werden und Großes für das Land zu tun. Als er wieder einmal in den Gewölben unter dem Schloss herumstreift, entdeckt er einen verwahrlosten und geschwächten Gefangenen. Er befreit ihn, denn es ist kein anderer als Josua Presbyter, der wahre Erbe des Throns. Da dies nicht lange unentdeckt bleibt, müssen die beiden fliehen.
Das ist für Simon eine neue Erfahrung, denn er muss lernen zu überleben und sich zu bewähren. Und der Traum bleibt nicht länger einer. In ihm erwachen Kräfte, die ihm zuvor nicht bewusst gewesen sind. Das ist auch gut so, denn im Schutz von Freunden erfahren die Flüchtlinge, dass das Schicksal Osten-Ards in ihren Händen liegt. Und bald schon erwartet sie die erste Bewährungsprobe.
„Der Drachenbeinthron“ besitzt all die Zutaten, die ein High-Fantasy-Roman haben muss: Elben, Drachen und Magie spielen eine wichtige Rolle in dem epischen Werk. Und doch kopiert Tad Williams nicht den „Herrn der Ringe“, sondern geht einen anderen Weg. Osten-Ard ist bewusst an die hochmittelalterlichen Königreiche angelehnt, und mit einer Vielzahl von christlichen Legenden vermischt. Die Menschen sind von einem tiefen Glauben an den einen Gott erfüllt und folgen den Pfaden ihres Erlösers. Nicht die negativen Aspekte des mittelalterlichen Christentums werden hervorgekehrt, der Autor achtet sorgfältig darauf, eher die guten und lichten Teile hervorzuheben. Immer wieder blitzen kaum bekannte Mythen des Frühmittelalters durch das ansonsten waschechte Fantasy-Setting. Die Menschen glauben tatsächlich einmal an ein Reich des Priesterkönigs Johann, siedelten es in der Realität jedoch mehr in den Steppengebieten Asiens an.
Wie es die Art von Tad Williams ist beschreibt er weitschweifig die Charaktere und ihre Umgebung, vergisst dabei aber auch nicht, die Spannung voran zu treiben, und die Helden ihrem Schicksal zuzuführen. Sie werden allerdings etwas weniger mit Leben erfüllt als man es erwarten könnte, dazu sind sie zu stark in ihre Bestimmung eingebunden. Es gibt nicht all zu viele Längen, da er fast immer das richtige Maß zwischen Action und ruhigen Momenten findet – das ist in anderen seiner Werke nicht unbedingt immer so.
Das Buch ist in sich geschlossen. Man weiß zwar, dass es noch weiter geht, muss sich aber nicht zwingend die Nachfolgebände besorgen.
„Der Drachenbeinthron“ gehört heute wohl schon zu den Klassikern der High Fantasy, da er beweist, dass man auch neben Tolkien noch eigenständige Epen erschaffen kann, die zwar ähnlich konzipiert sind wie der „Herr der Ringe“ aber ureigene Mythen und Kulturen verwenden.
Auch die Einbindung christlich geprägter Glaubensinhalte und Lehren ist glaubwürdig und nicht zu aufdringlich. Der Roman beweist damit, dass sich Fantasy und aktuelle Weltreligion nicht ausschließen müssen.
Nach oben