Der dunkle Schwarm (Autorin: Marie Graßhoff)
 
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Der dunkle Schwarm von Marie Graßhoff

Rezension von Matthias Hofmann

 

Die freie Grafikdesignerin und Autorin Marie Graßhoff hat sich im Genre der Science Fiction einen Namen gemacht mit der Neon-Birds-Trilogie. Das sei eine »actiongeladene Mischung aus Cyberpunk und Solarpunk«, meint die Autorin selbst auf ihrer Homepage. Ich hoffe, sie weiß wie man diese beiden Subgenres definiert, denn sie sind im Kern genau gegenteilig.

 

Ihr neuestes Projekt heißt Der dunkle Schwarm und es handelt sich hierbei im Ursprung um eine Audible-Original-Produktion, also ein Hörbuch. Dieses wurde im Juli 2020 veröffentlicht. Rund ein Jahr später folgte nun das gedruckte Werk im Paperbackformat bei Lübbe.

 

Graßhoff bringt uns ins Jahr 2100 und erzählt die Geschichte von Atlas Lawson, die als Programmiererin für eine Firma namens Hypermind arbeitet. Diese hat sogenannte »Hive-Minds« entwickelt, das sind bienenstockartige Mega-Bewusstseinskomplexe, zu denen sich Menschen zusammenschließen. In dieser Zukunft tragen Menschen sogenannte ADICs, Gehirnimplantate, die das möglich machen.

 

Atlas hat aber ein abenteuerliches Doppelleben. Unter dem Decknamen Oracle hackt sie in Hirnimplantate ihrer Mitmenschen. Wie sie das macht, bleibt genauso rätselhaft, wie so manch anderes Handlungselement. Ihr Implantat ist jedenfalls einzigartig, und so haben wir es im Grunde mit einem Superheldenroman zu tun, denn dank ihrer Fähigkeiten kann Atlas quasi telepathisch in den Gedanken anderer lesen und sich sogar auf Menschen aufschalten, wie man sich über einen Hotspot in ein Mobilgerät einloggt.

 

Die Story der jungen Frau mit Superkräften verbindet Graßhoff mit einem Krimielement, denn es taucht der reiche Industriellensohn Noah Levy auf, der sehr viel Geld zahlen will, um einen Mord eines kompletten Hive aufzuklären. So etwas gab es noch nie. Und eigentlich ist das nicht möglich, aber wie sich später herausstellt, war das erst der Anfang einer Reihe von solchen Morden.

 

Die dritte Hauptperson von »Der dunkle Schwarm« ist Julien, ein Android, der für Atlas so eine Art bester Freund und Helfer in allen Lebenslagen ist. Nur nicht in Liebesdingen, denn der Roman ist merkwürdig asexuell. Mitunter fühlt er sich gar an wie ein Jugendroman, in dem höchstens mal geflucht werden darf oder jemand ums Leben kommt, damit es dramatisch bleibt.

 

Während der Roman solide geschrieben ist, sind die Charaktere extrem klischeehaft gezeichnet. Und nicht nur das, sie sind so oberflächlich ausgearbeitet, dass man an keiner Stelle anteilnimmt.

 

Hinzu kommt, dass die Welt im Jahr 2100 ebenfalls nur schablonenhaft und nach ausgelutschten Formeln ausgearbeitet wurde. Zum Beispiel leben die Menschen in den Städten in verschiedenen vertikal angeordneten Bereichen. Atlas kommt natürlich aus dem Sub-Level, von ganz weit unten. Es gibt den Middle-Level und die Reichen leben ganz oben.

 

Oder nehmen wir die humanoiden Roboter, die in dieser Zukunft überall existieren. Wie der Status von Androiden ist, die aussehen und sich benehmen können wie echte Menschen, nur dass sie kurioserweise mit farbigen Sommersprossen im Gesicht gezeichnet sind, ist ebenso unklar, wie die Frage, wieso sich ein normaler und gesunder Mensch ein Gehirnimplantat verpassen lassen würde. Besonders in Zeiten von Querdenkern und Impfverweigerern hätte Marie Graßhoff doch etwas moderneres einfallen müssen als die Idee, dass die Menschheit in 80 Jahren der Schafherden-Mentalität zum Opfer gefallen ist. Und brennende Fragen zu Themen wie dem Datenschutz scheinen kein Problem zu sein, wenn man sich ein ADIC in den Kopf hat pflanzen lassen.

 

Unterm Strich ist »Der dunkle Schwarm« als Hörbuch möglicherweise ganz nett, wenn einem beim Bügeln etwas langweilig wird, aber leider viel zu oberflächlich, stellenweise naiv skizziert und letztlich zu unausgegoren, um als gewinnbringende Science-Fiction-Lektüre zu dienen.

 

Als Clou wird in einem der letzten Kapitel die zuvor absehbare Handlungsauflösung per Info-Dumpf im Eiltempo serviert, was die mangelhafte Plot-Struktur deutlich offen legt.

 

Gute Ansätze sind da, aber leider reichen diese nicht aus, um »Der dunkle Schwarm« aus dem Durchschnittsbrei der SF-Romane, die schnell gelesen und schnell vergessen sind, hervor zu heben. Schade eigentlich, denn ich hatte hier mehr erhofft.

 

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Buch:

Der dunkle Schwarm

Autorin: Marie Graßhoff

Taschenbuch, 350 Seiten

Lübbe, 30. Juli 2021

Titelillustration: Denis Holzmüller

 

ISBN-10: 3404209737

ISBN-13: 978-3404209736

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B08LZPNXT7

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 09.09.2021, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52, 20081