Der Fluss der Sterne (Autor: Michael Flynn)
 
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Der Fluss der Sterne von Michael Flynn

Rezension von Carina Schöning

 

Einst war die „MSS River of Stars“ ein teurer Luxusliner für die Reichen und Mächtigen. 2051 gebaut und mit gigantischen Magnetsegeln ausgestattet, war eine Überfahrt mit ihr ein wahrlich exklusives Ereignis. Auch die Decks und Kabinen waren gemäß Zielgruppe übertrieben teuer und dekadent ausgestattet. Doch das Interesse hielt nicht ewig an und das Zeitalter der majestätischen Sternensegler ging vorbei. Aus der River wurde knapp 30 Jahre später ein Hybridschiff mit vier neuen Farnsworth-Triebwerken. Die marode Centauros Corporation versprach sich davon mehr Gewinn und degradierte das ehemals stolze Schiff zu einem gewöhnlichen Trampfrachter zwischen Mars und Jupiter herab.

 

Auch die Crew erlebte dabei häufige Wechsel. Die riesige Besatzung aus den ruhmreichen Tagen der Vergangenheit schrumpfte beständig und diverse Captains leiteten das Schiff nach ihrem Gutdünken. Einzig Timothy Ratline ist geblieben. Der ehemalige Lehrling hat sich zum Frachtmeister hochgearbeitet und gibt sein Wissen nun selbst seinen vier Wrangler–Lehrlingen weiter.

 

2084 besteht die Crew nur noch aus vierzehn Personen und als Captain Evan Dodge Hand plötzlich verstirbt und zeitgleich zwei der vier Farnsworth-Triebwerke durch einen kleinen Asteroiden beschädigt werden, bricht auf dem Schiff das Chaos aus. Ohne Antrieb würden sie ungebremst an ihren Zielort vorbei fliegen und vielleicht irgendwo im Weltall landen. Hinzu kommen Konventionalstrafen wenn die Waren nicht termingerecht angeliefert werden und auch der Passagier Bigelow Fife drängt auf seine Ankunft. Während Captain Stepan Gorgas und Schiffsingenieur Ramakrishnan Bhatterji in erster Linie die defekten Triebwerke reparieren wollen, planen Erster und Zweiter Offizier, Abd al-Aziz Corrigan und Eugenie Satterwaithe im Geheimen die Reparatur der vernachlässigten Magnetsegel. Ohne zu Wissen nehmen sich beide Gruppe gegenseitig die Materialien weg und die KI der River reagiert auf die beiden unterschiedlichen Antriebsarten mit Störungen. Hinzu kommen auch noch die kleinen Streitereien und Konflikte untereinander, denn der frühere Streitschlichter Hand ist tot und so kommt es in der Enge des Schiffes schnell zu handfesten Problemen.

 

„Der Fluss der Sterne“ ist leider wieder einmal ein gutes Beispiel für eine schlechte Vermarktungsstrategie, denn der Klappentext verspricht vollmundig „[…] das größte Abenteuer, das das Sonnensystem jemals gesehen hat“ und „ein Science Fiction Abenteuer im Breitwandformat“. Dementsprechend erwartet man eine klassische Space Opera mit viel Action und Spannung auf exotischen Planeten. Wer mit dieser Absicht zu dem dicken, 800-Seiten-starken Paperbackband greift, wird schnell enttäuscht sein, denn der Roman liest sich eher wie ein tragisches Kammerspiel im Weltall.

Der amerikanische Autor Michael Flynn beschreibt die Geschehnisse auf dem Schiff in einem sehr ruhigen und eindringlichen Stil. Im Vordergrund seiner etwas anderen Space Opera stehen die vierzehn Personen und ihre Konflikte untereinander. In zahlreichen und teils auch sehr intensiven Dialogen lernt man sowohl ihre Vorlieben und Abneigungen als auch die Ängste und Motive, die sie zum Anheuern auf das eher unbeliebte Schiff geführt haben, kennen. Dabei wird deutlich, dass der verstorbene Captain Hand das Bindeglied der unterschiedlichen Individuen war und ohne ihn das Gesamtkonstrukt scheinbar zerfällt. Tragik und Komik liegen auch hier nah beieinander und so gibt es trotz negativer Stimmung an Bord auch schöne und lustige Momente wie die Hochzeit des Klonmädchen Vierundzwanzig DeCant mit Ivar Akhaturian oder auch die witzige Halloweenfeier der jüngeren Crewmitglieder.

Nichtsdestotrotz weiß man ab der Mitte des Romans, dass der River ein ähnliches Schicksal bevorsteht wie der Titanic. Der Untergang durch „menschliches Versagen“ ist unausweichlich. Der Schluss ist dementsprechend die logische Konsequenz aus den ganzen Fehlern, trotzdem ist er gut gelungen und sehr bewegend erzählt.

Negativ ist eigentlich nur, dass man viel Geduld für den Roman mitbringen muss. Teilweise verfängt sich der Autor in langatmigen Beschreibungen von Nebensächlichkeiten und die eine oder andere Passage wirkt etwas überflüssig. Eine Kürzung wäre hierbei vielleicht vorteilhafter gewesen.

 

Insgesamt ist „Der Fluss der Sterne“ eine sehr ausführliche und detaillierte Space Opera mit subtiler Spannung. Interessante und individuelle Figuren machen den langen Roman zu einem kleinen Lehrstück in Sachen Charakterdarstellung.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240419112452b4244cb8
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Der Fluss der Sterne

Autor: Michael Flynn

Deutsche Erstausgabe 2008

Amerikanische Originalausgabe 2003 „The wreck of The River of Stars“

Übersetzung Andreas Brandhorst

Heyne Verlag

Paperback, 800 Seiten

ISBN 978-3-453-52367-8

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 23.06.2008, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52, 6771