Der gebrochene Schwur von Holly Black
Reihe: Feenland, Bd. 1
Rezension von Christel Scheja
Holly Black ist zusammen mit ihrem Kollegen Tony DiTerlizzi durch die Verfilmung der ersten „Spiderwick“-Romane weltbekannt geworden. Aber auch in ihren anderen Romanen thematisiert sie die Verschmelzung von Wirklichkeit und Anderswelt, die vielen Menschen verborgen bleibt, bis sie selbst mit ihr in Berührung kommen.
Dabei sind die unsterblichen Feengeister und Wesen nicht unbedingt den Sterblichen zugetane Wesen, sondern oft genug kaltherzig, skrupellos und grausam wie in den alten keltisch–irischen Mythen. Ob schön oder hässlich, die Helden lernen schnell, das das Aussehen nichts zählt, und man sich vor allem in Acht nehmen sollte.
Nun präsentiert sie zusammen mit Ted Naifeh, der in Deutschland vor allem durch seine märchenhaft-zynischen Zyklen um „Polly und die Piraten“ oder „Courtney Crumrin“ bekannt wurde ihre erste Graphic Novel. Die Veröffentlichung eines Comics in ihrem Jugendbuchprogramm ist auch für cbt eine Premiere.
Erzählt wird die Geschichte der jungen Rue Silver. Der Teenager hat es im Moment nicht gerade leicht, da ihre Mutter vor einiger Zeit verschwand und ihr Vater im Gefängnis sitzt, unter dem Verdacht, dass er sie umgebracht habe. Eine Leiche wurde bisher allerdings noch nicht gefunden.
Weil das Mädchen genug von den falschen Anschuldigungen hat, denen sie auch in der Schule ausgesetzt ist und ihren Vater für unschuldig hält, entschließt sie sich dazu nicht länger nur tatenlos herum zu sitzen und abzuwarten. So nimmt sie gegen den Willen der Erziehungsberechtigten ihr Schicksal selbst in die Hand und beginnt auf eigene Faust nachzuforschen.
Ehe sie sich versieht, öffnet sich vor ihr eine Welt, die sie bisher nur aus Mythen und Sagen kannte. Sie muss erkennen, das Feen und Elfen, Kobolde und andere Geschöpfe nicht nur in den Mythen und Märchen existieren, sondern unter den Menschen. Sie greifen hin und wieder in deren Geschick ein, so wie ihre Mutter es einst getan hat.
Das junge Mädchen erfährt, dass diese selbst eine Elfe gewesen ist und einem Schwur folgte, der überraschend gebrochen wurde. Wenn sie diese und ihren Vater retten möchte, muss sich Rue selbst in die Anderswelt wagen und ihr eigenes dunkles Schicksal annehmen.
Wie man es von Holly Black gewohnt ist, erzählt sie zwar zunächst eine recht eine geradlinige Geschichte, in der die Fronten klar verteilt zu sein scheinen, doch die Handlung enthüllt nach und nach, dass nichts so zu sein scheint, wie die Helden es sich gedacht haben und viel dunklere Geheimnisse auf sie warten.
Dabei lässt sie sehr von vom dem, was sie auch in ihren anderen Romanen verwendet hat, in die Geschichte einfließen – die morbide Faszination der unsterblichen Wesen für die moderne Kultur, ihre Herzenskälte und Grausamkeit, wenn sie sich dem Spiel mit den Seelen der Menschen widmen und die düsteren Geheimnisse, die der Schlüssel dazu sind, um sicher wieder aus ihren Fallen zu kommen, wenn man sich erst einmal in ihren Intrigen und Lügengespinsten verstrickt hat.
Rue steht noch am Anfang der ganzen Entwicklung. Das selbstbewusste junge Mädchen muss erst damit fertig werden dass es in der Welt mehr gibt, als sie bisher gedacht hat, und sich daran gewöhnen, dass die Welt, in die sie nun eintaucht, gefährlicher sein könnte, als alles, was sie zuvor in ihrem Leben erfahren hat.
Ted Naifeh setzt die Geschichte in dazu passende Bilder um. Die Erzählweise ist ruhig und statisch, die Bilder bieten aber eine ganze Menge Details, die es zu entdecken gilt. Die Zeichnungen sind ansprechend und im europäischen Buchillustrationsstil gehalten und von hoher Qualität. So gesehen werden sie der Bezeichnung „grafische Novelle“ voll und ganz zurecht. Allerdings fragt man sich manchmal, ob das Original vielleicht in Farbe ist, da es viele Graustufen gibt. Aber selbst wenn – die Tönungen geben der Geschichte die passende düstere und unheimliche Stimmung
Die Handlung selbst ist jugendgerecht, Grausamkeit und Gewalt werden nie sinnfrei und nur selten verwendet, trotzdem gibt es genügend Andeutungen in Wort und Bild, die vor allem die Spannung aufrecht erhalten.
Alles in allem ist „Der gebrochene Schwur“ ein gelungener Auftakt der ersten Urban-Fantasy-Saga, die einmal nicht vorwiegend in Worten erzählt, sondern liebevoll in viele detailreiche Bilder umgesetzt wurde.