Druckversion: Der Hacker (Humanemy 3)

Der Hacker

Hörspiel

Humanemy 3

Rezension von Oliver Kotowski

 

Rezension:

Bones heult sich bei Melinda aus: Jetzt ist er Mitte Dreißig und kein Ziel und Nichts vorzuweisen. Alle anderen haben was erreicht, sie haben Macht, Geld oder eine Familie. Und er? Nichts! Seine moralische Haltung hat ihn in diese Situation gebracht. Aber das soll sich jetzt ändern! Er will auch ein Stück vom Kuchen abhaben! Mit diesem Vorsatz wendet Bones sich wieder dem Job zu: Ein Gespräch mit Schmidt, damit er die Kohle für das Datenpacket kassieren kann – doch Schmidt ist alles andere als begeistert: Es fehlen Daten. Und für eine unvollständige Lieferung gibt es kein Geld. Nicht nur dass, der Auftraggeber ist sogar ziemlich ungehalten. Schmidt gibt den Druck gerne weiter. Aber nicht genug damit, dass Bones, Lennart und Center jetzt doch in die Staatsanwaltschaft einbrechen müssen, um den vollen Datensatz zu besorgen, die Uhr tickt, denn Bones hatte den Datensatz von Riedmüller mit einem Virus versehen – wenn der ein Update in der Anwaltschaft macht, dann werden der originale Datensatz und Riedmüllers Kopie zerstört; es gilt vorher an die Daten zu kommen. Dazu braucht man erst einmal einen neuen Fahrer – Bones wirbt seine alte Flamme Melinda an. Und dann gilt es noch ein paar Besorgungen zu machen, damit das Team bereit für Plan B ist: Durch die Tunnel in die Anwaltschaft. Durch die Tunnel, die selbst vonm durchschnittlichen Schwerkriminellen gemieden werden.

 

Der Hacker ist der dritte von vier Teilen der Geschichte Humanemy. Wie in den vorherigen Teilen wird die zentrale Geschichte um den Datenklau vorangetrieben und mit einem Perspektivwechsel wird ein weiterer Protagonist vorgestellt (diesmal Bones). Außerdem werden einige offene Fäden aus dem zweiten Hörspiel wieder aufgenommen (z. B. Maurice' Lücke im Lebenslauf und Mackandal), ohne weiter ausgeführt zu werden – es bleiben also einige offene Enden zu verknüpfen. Während der Plot des Datenklaus sich genormten Bahnen (ein bisschen Streit zwischen den Protagonisten, vorbereitende Planung, gut vorhersehbare 'Überraschungen'), entpuppt sich Bones als überraschend unangenehmer Charakter. Er ist dreiunddreißig und neidisch auf den Erfolg der Anderen, genauer: Auf die Macht der Anderen. Denn wenn er von Familie spricht, meint er eine Machtbeziehung zu einer Frau, in der er selbstverständlich die Oberhand haben soll. Da ihn aber gewisse soziale Schwächen und Ängste plagen, lebt er fast nur in der Anonymität des Netzes – reale Beziehungen oder gar Machtpositionen bleiben ihn verwehrt, was in einen ausgewachsenen Minderwertigkeitskomplex und einer noch größeren Midlifecrisis resultiert – bei ihm ist das natürlich etwas gaaanz anders, da er viel zu hart für solche Weichei-Scheiße ist. Seine Schwächen und Ängste rechtfertigt er vor sich als moralische Haltung, doch die will nun aufgeben, um selbst in eine Machtposition zu gelangen – zunächst will er einmal Melinda als 'Partnerin'. Ob man wohl etwas aufgeben kann, was man gar nicht hat? Wieder einmal beweist Stefan Lindner einigen Mut, eine derartig schwache und unsympathische Figur zum Protagonisten zu machen (und auch noch selbst zu sprechen) – ich gönne Bones ein übles Schicksal und bin gespannt, wie die Figur weitergeführt wird. Darüber hinaus ist noch die Selbstreferenzialität zu nennen: In Der Hacker werden einige Szenen aufgebaut, die ganz klar an Szenen aus den vorherigen Teilen erinnert; hier wird mit der Erwartungshaltung des Hörers gespielt – gelungen, wie ich meine.

Letztlich aber wird Humanemy in weiten Teilen mit der Auflösung im großen Finale stehen oder fallen – es sind mittlerweile einige Fäden offen und die Latte liegt hoch, doch ich bin zuversichtlich, dass die Lindenblätter sie überspringen können.

 

Bei der Anzahl der Sprecher ändert sich wenig, die Hülle zählt elf Sprecherrollen auf, hinzu kommen noch fünf in weiteren Rollen. Da die meiste Sprechzeit von den bekannten Sprechern bestritten wird – Thomas Lindner als Lennart, Stefan Lindner als Bones und Johnny Wittermann als Center – und auch sonst ein paar alte Bekannte auftreten wie Lukas Lindner als Tanto oder Jo Hempel als Herr Schmidt, ändert sich an der Performanz wenig. Ein Neuzugang ist Rike Stief als Melinda; sie ist mir ansonsten aus der Hörspielszene nicht bekannt. Ihre Interpretation ist durchwachsen – als Computersimulation gefällt sie mir gut, als reale Figur klingt sie manchmal etwas zu gekünstelt. Gewissermaßen ein Neuzugang ist Harald Friedlin – er hatte schon in den vorherigen Teilen kleine Auftritte in Nebenrollen; auch er ist mir sonst nicht weiter bekannt. Hier darf er die extrem launische und theatralische Figur Picard, ein Unterweltschieber, spielen und dreht krass auf. Bei solchen Rollen ist die Gefahr stets groß, dass es albern bis ärgerlich störend wirkt, doch hier ist die Interpretation gelungen: Picard kann in einem Moment theatralisch-komisch und im nächsten psychopathisch-bedrohlich wirken. Ich hoffe, den höre ich im nächsten Teil wieder. Doch nicht immer ist die Performanz der Sprecherriege lobenswert: Der schon erwähnte Lukas Lindner klingt nicht wirklich authentisch – hier wäre es Aufgabe des Regisseurs Stefan Lindner, etwas mehr aus dem jungen Sprecher herauszukitzeln.

Alles in allem ist die Performanz der Sprecherriege wieder auf solidem Niveau durchwachsen mit der lobenswerten Ausnahme Friedlins als exzentrischen Schwarzmarktschieber Picard.

 

An der Inszenierung sind mir wenige Veränderung aufgefallen. Zwar ist die Inszenierung wiederum recht modern, doch der Innere Monolog Bones' übernimmt kaum noch Erzählerfunktionen – der Erzähler ist damit beinahe gänzlich verschwunden. Die Geräusche werden wieder meist untermalend, selten dramaturgisch verwendet, die Musiken untermalend, als Überleitung, jetzt aber auch als selbstreferenzielles Zitat im Spiel mit der Hörererwartung. Die getroffene Auswahl finde ich weiterhin sehr lobenswert – allerdings mag ich auch die zunehmend jazzige Trompete. Bei den Tonsichten ist auch wieder ein bisschen mutiger geworden: Zwar werden zumeist zwei oder drei Schichten (Sprecherdialog, Geräusche und/oder Musik) verwendet, doch in einer auch sonst sehr schönen Szene in den Tunneln kommt noch als vierte Schicht der Innere Monolog hinzu (eigentlich nur dreieinhalbte, da Innerer Monolog und Sprecherdialog nur sehr schnell wechseln).

Hier gibt es nichts zu kritisieren.

 

Fazit:

Nachdem Ausscheiden des Fahrers türmen sich rasch Probleme auf: War es wirklich nötig Maurice zu entfernen, wie kommt man jetzt so schnell an die Daten, woher einen neuen Fahrer und zudem beginnt Bones noch aggressiver zu werden. Der Hacker behält zwar die Geschichte um den Datenklau fest im Blick, erweitert das Geschehen aber erheblich um die labile Person des Hackers Bones. Es bleibt vieles frisch, mit ein paar üblichen Inkonsistenzen wie sie bei einem jungen Label zu erwarten sind – ich für meinen Teil bin sehr gespannt auf die Auflösung im großen Finale.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024042510063408b08b5d

Hörspiel:

Der Hacker

Reihe: Humanemy 3

Buch: Stefan Lindner

Regie: Stefan Lindner

Label: Lindenblatt-Records

Erschienen: September 2013

Umfang: 1 CD, ca. 74 min

ASIN: B00F40E6X8

Erhältlich bei: Amazon

 

Sprecher (Auswahl):

Thomas Lindner

Stefan Lindner

Johnny Wittermann

Rike Stief

Jo Hempel

Harald Friedlin

 

, zuletzt aktualisiert: 12.02.2024 15:44