Der Herr der Finsternis von Sergej Lukianenko
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Finsternis liegt über der Welt, seitdem die Diener der Dunkelheit der Menschheit das Sonnenlicht genommen haben. Doch als der junge Danka eines Tages einen Lichtstrahl beobachtet, der sich vor seinen Augen in eine geheimnisvolle Katze verwandelt, beginnt für ihn das Abenteuer seines Lebens. Denn die Katze entführt ihn in ein fantastisches Reich, wo Danka dazu ausersehen ist, den mächtigen Herrn der Finsternis zu besiegen – oder für immer in der Dunkelheit zu bleiben ...
Rezension:
Der Jugendroman Der Herr der Finsternis (eigentlich „Der Junge und die Finsternis“) von Sergej Lukianenko stammt bereits aus dem Jahr 1994 - dank des anhaltenden Erfolges des russischen Autors bringt Heyne nun auch ältere Werke von ihm heraus.
Die Geschichte beginnt harmlos. Der dreizehnjährige Danka ist krank und langweilt sich im Bett. Da bemerkt er einen Lichtstrahl und fordert ihn auf zu bleiben. Plötzlich verwandelt sich der Lichtstrahl in eine Katze, genauer gesagt in einen sprechenden Sonnenkater. Das Wahre Licht von einem Wahren Spiegel aufgefangen, kann so etwas. Und noch mehr, nämlich Türen in andere Welten finden. Flugs befindet sich Danka mitten in einem Abenteuer...
Bezüge zu Michael Endes Unendlicher Geschichte sind vorhanden, wenn auch nicht in poetologischer Hinsicht. Lukianenko erzählt ein symbolträchtiges Märchen, in dem eine ganze Reihe von Werten jugendgerecht serviert und mit sanfter Pädagogik vermittelt werden.
So geht es um Freundschaft, den Wert von Vertrauen und die Bedeutung von Verrat, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen und sie zu tragen, verbunden mit einer sehr russischen brüderlichen Liebe. Das ließt sich zum Teil homoerotisch und man weiß nicht, ob es der Übersetzung geschuldet ist, oder ob Lukianenko tatsächlich mehr andeuten wollte, trotz der Liason Dankas mit der reiferen Händlerfrau.
Diese kurze erotische Episode sowie die Auseinandersetzung mit dem eigenen erwachsenen Ich präsentieren weitere Seiten der Parabel über das Ende der Kindheit. Danka findet sich mitten in einem Krieg wieder und muss feststellen, dass er trotz gelegentlicher Tränen, ein fast emotionsloser Kämpfer ist. Wir erfahren kaum etwas über Danka vor dem Verlassen seines Mutterhauses. Vielleicht macht Lukianenko selbst das zu einem Symbol für eine seltsam entwurzelte Generation, die sich in die fantastische Herausforderung flüchtet, einer finsteren Welt die Sonne zurückzubringen, die sie für schnellen Wohlstand verkaufte. Genau dass, was ein dreizehnjähriger Russe 1994 in seiner Heimat hätte träumen können, nachdem die Sowjetunion zerfiel und der mafiöse Kapitalismus alle Werte hinwegfegte, selbst die guten.
Mag man also diese erweiterte Symbolik zugrunde legen, eröffnet sich auch ein anderer Blick auf die Entwicklung Dankas, der letztlich lernen muss, in einer fremden Welt dem Licht zu dienen.
Auf der reinen Handlungsebene enttäuscht Lukianenko ebenfalls nicht. Eine flüssige Fantasy-Handlung mit typischen Elementen und dem Hauch Exotik, die Lukianenko so lesenswert und erfolgreich macht.
Der Heyne Verlag gönnte dem Werk weder ein ansprechendes Cover noch den Hinweis darauf, dass eher jugendliche Leser Zielgruppe des Romans sind - und das könnte besonders jene Leser abschrecken, die etwas wie Spektrum oder der Wächter-Trilogie erwartet haben.
Fazit:
„Der Herr der Finsternis“ ist ein spannendes Jugendbuch auf der einen Seite und eine Parabel um das Erwachsenwerden auf der anderen Seite. Manche pädagogischen Wertvermittlungen erscheinen plump, eher märchenhaft, aber hinter der einfachen Fassade verbergen sich tiefer gehende Probleme, die der Autor wohl direkt aus dem russischen Leben des Jahres 1994 gegriffen hat.
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