Der Herr der Ringe – Die Komplettlesung
Hörbuch
Rezension von Christel Scheja
Viel wurde in den über 50 Jahren seit seinem Entstehen über „Der Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien geschrieben. Das dreibändige Werk ist einer der Grundpfeiler und Klassiker der Fantasy und wurde für Generationen von Autoren und Weltenschöpfern zum großen und nachahmenswerten Vorbild.
Tolkien war der erste Schriftsteller, der umfassend irdische Mythen, Sagen und Kulturen für seine Geschichte verwendete, ohne sie zu kopieren. Als Literaturwissenschaftler wusste er auf die Wurzeln zurück zu greifen und Orte, Völker und Personen zu erschaffen, die einem seltsam vertraut und doch wieder fremd und damit neu waren. Lange Zeit galten die in einem Zeitraum von weit mehr als zehn Jahren entstandenen Romane als Geheimtipp, erst Ende der 1960ger Jahre fanden sie eine größere Fan-Gemeinde und wurden zum Inbegriff des Genres.
Andere Medien taten sich eher schwer mit der Umsetzung von J.R.R.Tolkiens Lebenswerk. Lange Zeit galten die Romane als unverfilmbar, bis Anfang des Jahrtausends das Gegenteil bewiesen werden konnte.
Auch wenn scheinbar unnötige inhaltliche Veränderungen, die besser zu der Dynamik der Filme passten, viele Fans verärgerten, so konnten doch auch viele von ihnen eingestehen, dass zumindest die Atmopshäre der Romane stellenweise sehr gut eingefangen wurde und die Fantasy auch für die Allgemeinheit hoffähig wurde.
Weil nun auch diejenigen auf den „Herrn der Ringe“ aufmerksam wurden, die früher einen großen Bogen um die Bücher gemacht hatten, weil sie ihnen zu schwerfällig und vielleicht langweilig waren waren, beschloss man ihnen den Genuss des Epos einfacher zu machen. So erschienen nun auch Hörbücher, damit man nicht mehr selbst lesen musste.
Die Komplettlesungen von „Die Gefährten“, „Die zwei Türme“ und „Die Rückkehr des Königs“ entstanden mit Jahresabstand und konnten und liebevoll gestalteten Boxen mit den entsprechenden ausführlichen Booklets, die Auszüge aus den Anhängen enthielten, erworben werden.
Nun hat Dhv diese Box in einer Sonderedition zusammen gefasst. 45 CDs befinden sich in dem stabilen Karton, der von der Größe durchaus mit der Paperbackausgabe im Schuber mithalten kann. Die Silberscheiben stecken in einfachen Plastikhüllen, was wohl ebenso wie die Booklets aus den Einzelboxen übernommen wurde. Immerhin sind die CDs der einzelnen Lesungen farblich gut voneinander zu unterscheiden, so dass man sie leicht wieder sortieren kann, wenn sie durcheinander geraten sollten. Mit der Box, die nur etwa zwei Drittel des Preises der Einzelboxen kostet, bekommt man eine Lesung von fast 3500 min Länge, das sind gut 58 Stunden.
Über die Geschichte des „Herrn der Ringe“ muss sicherlich nicht viel Worte verloren werden. Das Epos erzählt die Geschichte des Hobbits Frodo, der von seinem Onkel Bilbo ein schweres Erbe übernimmt. Der Ring, den er ihm auf Rat des weisen Zauberers Gandalf, ist nämlich nichts weniger ein mächtiges Artefakt aus alter Zeit und ausgerechnet das, was dem Urbösen – verkörpert in dem dunklen Herrscher Sauron, der als brennendes Auge in Mordor residiert - noch fehlt, um die ultimative Macht über Mittelerde zu erringen. Bis jetzt halten die Mächte und Völker des Guten ihn und seine Verbündeten noch in Schach, aber das könnte sich sehr leicht ändern, wenn nichts unternommen wird.
Ehe er sich versieht ist Frodo im Mittelpunkt des Geschehens. Er entscheidet sich dazu der Ringträger zu bleiben und soll mit acht weiteren Gefährten – Gandalf dem Zauberer, Legolas dem Elben, Gimli dem Zwerg, Aragorn und Boromir aus dem Volk der Menschen und seinen Freunden Merry, Pippin sowie Sam aufbrechen, um den Ring an den einzigen Ort zu bringen, an dem er der Ring zerstört werden kann – dem Schicksalsberg inmitten von Mordor.
Aber auch die dunklen Kräfte ruhen nicht. Während vor allem Orks in die Länder der Menschen einfallen, suchen die Schwarzen Reiter – die mächtigsten Schergen Saurons um so intensiver nach dem einen Ring.
Angriffe und Verrat in den eigenen Reihen trennen die Gefährten, die schließlich an ganz verschiedenen Fronten kämpfen müssen, um Mittelerde zu retten. Dabei erwartet auch andere wie den Waldläufer Aragorn die Erfüllung eines Schicksals, das schon lange seinem Schatten voraus geworfen hat, denn er ist der letzte Nachkomme der Könige von Gondor, des mächtigsten Menschenreiches von Mittelerde.
Die Lesungen haben zwei verschiedene Sprecher. Achim Höppner, der „Die Gefährten“ liest ist leider kurz nach der Aufnahme des Hörbuches verstorben. Seine Stimme dürfte vielen bekannt vorkommen, da er Gandalf alias Ian McKellen in den Filmen synchronisiert hat. Auch in der Lesung macht er eine gute Figur. Er gibt den Figuren Leben, einen sehr eigenen Charakter und Bewegung, erzeugt mit seiner Stimme Atmosphäre und Emotionen und inszeniert die Geschehnisse mehr als dass er sie vorträgt, so dass man das Gefühl hat, eher einem Hörspiel zu lauschen.
In „Die zwei Türme“ übernimmt dann Gerd Heidenreich, der unterschiedlicher nicht sein könnte, da er sein Spiel hinter die Geschichte zurückstellt. Er trägt mehr vor, auch wenn die Figuren weiter unterscheidbar bleiben, Spannung wie Atmosphäre sich entwickeln. Aber er ist etwas bedächtiger und ruhiger. Man hat mehr das Gefühl, selbst mitzulesen, als von ihm mitgerissen und eingefangen zu werden.
Beide Sprecher machen die einzelnen Teile von „Der Herr der Ringe“ zu einem Erlebnis. Zwar kann man dies kaum an einem Stück genießen, da man dann schon 58 Stunden also fast 5 Tage ohne Pause und Schlaf hören müsste.
Der einzige Kritikpunkt ist wohl die Übersetzung. Den Hörbüchern liegt nicht die stimmungsvolle und mehr zum Werk passende von Margret Carroux aus den frühen 1970ger Jahren zugrunde, sondern die vom Wolfgang Krege aus den 1990ger Jahren, die natürlich noch die von vielen Lesern als unpassend empfundenen Modernismen wie „Firma“, „Chef“ oder „Imbissbude“ enthält. Dementsprechend leidet die Stimmung manchmal deutlich darunter, macht das Verständnis aber gerade für junge Hörer, angenehmer. Die beiden Sprecher machen auch vieles wieder wett.
Alles in allem erhält man sehr viel für sein Geld. Die Aufmachung ist sehr edel und gediegen ohne all zu schrill zu wirken, so dass sie sich im Regal sehr gut macht und ist um einiges günstiger als die Einzelboxen.
Die Komplettlesung von „Der Herr der Ringe“ sei all denjenigen empfohlen, die schon mit den Einzelboxen geliebäugelt haben. Alte Fans der Romane sollten sich jedoch wie auch schon bei den Einzelboxen der Hörbücher der Tatsache bewusst sein, dass sie die schwächere Übersetzung in Kauf nehmen müssen.