Anthologie herausgegeben von Alisha Bionda
Rezension von Ralf Steinberg
Rezension:
In seinem Vorwort geht Hermann Urbanek auf die Geschichte und Bedeutung der Kurzgeschichte in Deutschland ein, leider ohne eine Betrachtung der doch sehr produktiven DDR-SF. Urbanek würdigt die vorliegende Anthologie als integraler Bestandteil der neuen deutschen SF und bereitet somit einen mit Spannung angereicherten Lektüreboden vor. Schauen wir, ob die Saat zu stolzen Früchten reichte.
Den Beginn bildet eine sowohl kurze, als auch einfache Geschichte, Planet der Riesenfrösche von Linda Budinger. Der Plot beschränkt sich auf irreführende Aliens und einem Männer-Wunschtraum, insgesamt ein sehr dürftiger und leider auch stilistisch enttäuschender Auftakt.
Dafür bietet Andreas Gruber mit Heimkehr nach Algata schon gefälligere Kost. Sein Protagonist Bapu Baloo kann sich in höchster Not auf eine Raumstation retten, die neben einigen Merkwürdigkeiten auch dazu führt, dass er sein persönliches Problem lösen kann. Zwar liegt der Zusammenhang von Anfang an auf der Hand, aber Gruber gelingt es, seinen Scorg liebenswürdig und nachvollziehbar zu beschreiben.
Bitterböse gibt sich Wie Terrorismus entsteht von Ronald M. Hahn, der hier wohl nicht nur eigene Erfahrungen verarbeitet, sondern potentiellen Autoren eine eindringliche Warnung in die Hände gibt.
Der traurige Dichter von Frank W. Haubold ist bereits in der Anthologie Das Geschenk der Nacht als auch in seinem Episodenroman Die Schatten des Mars erschienenen und ist eine atmosphärisch sehr dichte und überzeugende Arbeit, die vom Erzählstil her fesselt und noch eine Weile nachschwingt. Ein stimmungsvoller Höhepunkt des ersten Teils der Anthologie.
Man sollte Achtung Scheinwerfer! von Dominik Irtenkauf vielleicht nicht direkt im Anschluss an den melancholischen Haubold lesen, zu groß sind die Unterschiede. Der stark expressionistische Text hantiert mit bedeutungsschwangeren Symbolen und Szenen, die sich einer einfachen Deutung entziehen. Eher werden sie assoziative Wege weisen. Auch nach dem zweiten Lesen bekam ich keinen inhaltlichen Zugang, allerdings wird dieser Text mir im Gedächtnis bleiben und zählt für mich zu den positiven Auffälligkeiten des Bandes.
Im Stile einer klassischen Schauergeschichte, auf die Neuzeit umgebrochen, versucht sich Jörg Isenberg in der Titelstory Der Himmelspfeifer an einem mysteriösen Geschehen auf dem Lande. Der spannungsarme Aufbau über verschiedene Protagonisten lässt die Handlung zerfasert erscheinen. Etwas mehr Druck und Düsternis hätte dem Text eine größere Wirkung geben können.
Helmuth W. Mommers hat gerade eine Sonderehrung für sein Engagement zur Förderung der phantastischen Kurzgeschichte erhalten. Seine Story Zum Abschuss freigegeben ist dagegen leider eine Enttäuschung. Vielleicht, weil das Problem Überalterung und Zerfall des Prinzips der Solidargemeinschaft in der Anthologie Wiener Roulette deutlich bissiger und vor allem pointierter aufgegriffen wurde. Mommers stellt seine kritische Auseinandersetzung mit der Zukunft des sozialen Systems in einen durchschaubaren Handlungsrahmen, der ihm leider zu nichts weiter dient, als die sarkastische Vision zu untermalen. Geschichtliche Schnelldurchläufe in Kurzgeschichten tragen zudem nicht dazu bei, einen glaubwürdigen Hintergrund zu schaffen. Das Erzählen einer Geschichte geriet hier leider in den Hintergrund. Nova-Leser konnten diese Story im Übrigen schon lesen.
Auch Christian Montillon erzählt eine eher kleine Geschichte in Die Folie. Sein Schatzjäger dringt in ein Alien-Raumschiff ein und entdeckt dort den Zugang in eine neue Welt. Das Hauptaugenmerk liegt hier auf das psychische Befinden der Figur - allerdings eher routiniert, als fesselnd. Irgendwie gewinnt die Geschichte keine Kontur.
Mario Moritz bietet mit seinen Illustrationen eigene Interpretationen zu den Storys der Anthologie und trägt bei einigen nicht unwesentlich dazu bei, dass man beim Lesen in eine bestimmte Sichtweise gedrängt wird. Sein eigener Text-Beitrag, Kiri lässt einige Frage zur Motivation offen, auch die Verwendung von Treibstoffkanistern erscheint reichlich merkwürdig. Eine Ökostory mit Moral, aber ohne stringente Handlung.
Der zweite Höhepunkt des Bandes ist Upload untot von Niklas Peinecke. Bereits nach wenigen Sätzen entsteht eine anschauliche Szenerie mit greifbaren Charakteren, die sich zudem überzeugend in einer verfallenen Welt bewegen. Das düstere und verkommene Milieu ist keine Tapete, sondern gut gewürzter Boden für eine Mischung aus Zombiegeschichte und SF, die durchaus das Potential für ein längeres Medium gehabt hätte. Gerade die Auflösung böte sich für eine etwas intensivere Behandlung an.
In Gefühle regieren die Welt beschreibt Margret Schwekendiek, wie eine ferne Galaxis das Problem mangelnder Endorphine löste. Anhand eines Einzelschicksals erfahren wir so von einem Orden und ihrer Nachwuchsbeschaffung. Recht farblos und oberflächlich erzählt, vermag die Geschichte keine Glanzlichter zu setzen.
In der Tradition von Zeitreisen zu historischen Persönlichkeiten steht Göthé von Achim Stößer. Auch wenn seine Auseinandersetzung mit Goethe und seinem Faust zu Beginn eher einer Rache für einige qualvolle Tage Überreizung mit diesem Thema erscheint, begibt sich Stößer schon bald auf alternative Pfade. Dabei reizt weniger die Erzählung, als vielmehr der Ideenreichtum der in den wenigen Seiten ausgebreitet wird.
Auch Deus Ex Machina von Dirk Taeger steht in einer Tradition. Nämlich im Schatten jener Geschichten, die versuchen, religiöse Legende durch außerirdisches Wirken zu erklären. Leider vermag es Taeger nicht, der Tradition eine neue Facette hinzuzufügen.
Myomorphus von Fabian Vogt handelt von einem Tierexperiment, dass sich gegen seine Schöpfer wendet. Von der Idee her nichts Besonderes, aber in seiner Eindringlichkeit und der Perspektive wegen, eine durchaus lesenswerte Geschichte. Lediglich das Ende ist zu flach und hätte sicherlich spannendere Alternativen geboten.
Eisern Union! Mehr braucht es fast nicht, um Das rot-weiße Licht oder Sinkflug über Berlin/Treptow von Mikis Wesensbitter zu charakterisieren. Zwar hat es nicht mit der zweiten Liga geklappt, aber irgendwo da drauß0en reist ein Union-Schal durch die Galaxie. DDR-Erinnerungen gepaart mit jugendlichem Sprachstil und skurriler Story - ich habe mich prächtig amüsiert, kann allerdings nicht einschätzen, wie es auf jemanden wirkt, der weder Union-Fan noch Bürger mit DDR-Migrationshintergrund ist.
In der Reihe bitterböser Geschichten passt Uschi Zietschs Der perfekte Friede zunächst gar nicht hinein. Listig verschleiert Uschi am Anfang ihre Schlagrichtung, um dann mit einem gemeinen Foul Leser und Protagonisten zu Fall zu bringen. Zwar hätte ich mir eine etwas präzisere Darstellung des gesellschaftlichen Hintergrundes gewünscht, aber vielleicht ist gerade dadurch der Interpretationsraum größer, etwa ob es auch noch unbehandelte Menschen gibt.
Ein gelungener Abschluss der Anthologie mit einer einprägsamen Illustration von Mario Moritz.
Die Aufmachung der Anthologie ist gediegen, besonders durch die Illustrationen und vorangestellten Kurzbiographien der Autoren erhält der Band Struktur und eine eigene Note. Hier muss man Alisha Bionda als Herausgeberin gratulieren.
Fazit:
Bei vier erwähnenswerten Geschichten ist die Ausbeute vielleicht nicht besonders herausragend, aber als ein Forum zur Verbreitung phantastischer Storys ist die Anthologie "Der Himmelspfeifer" durchaus geeignet, einen Blick in die Kurzgeschichtenszene zu liefern.
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